28.
1. Das Umkehren zu den göttlichen Dingen geschieht aber, wie die Stoiker sagen,2309 durch eine Umwandlung, indem sich nämlich die Seele auf die Weisheit hin umwandelt.
2. Nach Platon aber geschieht es, indem die Seele eine Umkehr zum Besseren und ein Umwenden aus einem nachtähnlichen Tage vollzieht.2310
3. So gestehen denn auch die Philosophen dem Sittlichguten die Möglichkeit eines mit der Vernunft übereinstimmenden freiwilligen Scheidens aus dem Leben zu, wenn er durch irgend etwas in dem Maß der Freiheit, zu handeln, beraubt ist, daß ihm nicht einmal mehr die Hoffnung, handeln zu können, übriggeblieben ist.2311
4. Der Richter aber, der mit Gewalt dazu zwingen will, den Geliebten zu verleugnen, scheint mir ans Licht zu bringen, wer Gottes Freund ist und wer nicht.
5. Da ist dann auch keine Möglichkeit mehr vorhanden, zu vergleichen und zu fragen, wofür man sich entscheiden soll, für (die Rücksicht auf) die Drohung der Menschen oder für die Liebe Gottes.
6. Und die Enthaltung von bösen Taten erweist sich in gewissem Sinn als eine Verringerung und Austilgung der Laster, indem ihre Wirksamkeit dadurch, daß nichts geschieht, aufgehoben wird; und das ist der Sinn der Worte: „Verkaufe, was dir gehört, und gib es den Armen und komm und folge mir nach!“2312 Das heißt: Folge dem, was von dem Herrn gesagt wird!
29.
1. Mit dem, was jemand „gehört“, soll der Herr, wie einige behaupten, das gemeint haben, was in der Seele an Fremdem ist; aber wie das unter die Armen verteilt werden soll, das können sie nicht sagen. Gott aber verteilt alles an alle nach ihrem Verdienst, da seine Weltverwaltung gerecht ist.
2. Achte also, so sagt er, wegen der dir verliehenen Herrlichkeit deine Habe gering, die Gott verteilt; folge dem von mir Gesagten, indem du dem Aufstieg des Geistes zustrebst, nicht nur durch die Enthaltung von Bösem gerechtfertigt, sondern dazu auch durch das vom Herrn gebotene Gutestun zur Vollkommenheit geführt.
3. So warf der Herr dem, der sich rühmte, die Gebote des Gesetzes vollkommen erfüllt zu haben,2313 vor, daß er seinen Nächsten nicht geliebt habe. Gutes zu tun verspricht aber die Liebe, die entsprechend der von ihr erreichten hohen Stufe der Erkenntnis auch über den Sabbat Herrin ist.2314
4. Man muß aber, wie ich meine, zu der Lehre des Heilands weder aus Furcht vor der Strafe noch wegen der Verheißung eines Geschenkes, sondern um des Guten selbst willen hinzukommen.
30.
1. Solche Leute werden zur Rechten des Heiligtums aufgestellt.2315 Diejenigen aber, die meinen, durch die Hingabe der vergänglichen Dinge das Unvergängliche eintauschen zu können, werden in dem Gleichnis von den beiden Brüdern „Taglöhner“ genannt,2316 und vielleicht tritt hier das Wort „nach der Ähnlichkeit und nach dem Bilde“2317 in Erscheinung, so daß die einen entsprechend ihrer Ähnlichkeit mit dem Heiland selbst mit ihm wandeln, die anderen, die auf der linken Seite stehen, nur nach dem Bilde dieser Leute.
2. Sie stehen also erst an der dritten Stelle nach der Wahrheit,2318 da zwar beide aus der gleichen Wurzel stammen, aber ihre Entscheidung nicht gleich ist oder vielmehr der durch die Entscheidung begründete Unterschied nicht gering ist.
3. Es unterscheidet sich aber, meine ich, die Entscheidung auf Grund der Nachahmung von der auf Grund eigener Erkenntnis wie das vom Feuer Entzündete und das vom Licht Erleuchtete von dem Feuer und dem Licht selbst. Licht also der in der Schrift genannten Ähnlichkeit ist Israel, der andere (Esau) aber ist nur Abbild.
4. Was will aber der Herr mit dem Gleichnis von Lazarus lehren, das das Bild eines Reichen und eines Armen zeigt?2319 Und was bedeutet das Wort: „Niemand kann zwei Herren dienen, Gott und dem Mammon“,2320 wobei der Herr die Habgier so nennt?
31.
1. Dementsprechend nehmen die ihren Besitz Liebenden die Einladung zu dem Mahle, zu dem sie geladen sind, nicht an, nicht weil sie überhaupt besitzen, sondern weil sie leidenschaftlich an ihrem Besitz hängen.2321
2. „Die Füchse haben ihre Erdlöcher.“2322 Füchse nannte der Herr die niedriggesinnten und am Irdischen haftenden Menschen, die sich um den Reichtum bemühen, der in den Bergwerken gewonnen und aus der Erde gegraben wird.
3. Ebenso sagt der Herr auch mit Bezug auf Herodes: „Gehet hin und sagt diesem Fuchs: Siehe, ich treibe böse Geister aus und vollführe Heilungen heute und morgen, und am dritten Tage bin ich am Ziel.“2323
4. Ferner nannte er „Vögel des Himmels“2324 die durch das Wort „Himmel“ von den anderen Vögeln Unterschiedenen, die wahrhaft Reinen, die sich zur Erkenntnis der himmlischen Lehre wie mit Flügeln erheben können.
5. Denn nicht nur aus dem Reichtum und aus dem Ruhme und der Ehe, sondern auch aus der Armut erwachsen für den, der sie nicht ertragen kann, unzählige Sorgen; und vielleicht deutete der Herr auf diese Sorgen in dem Gleichnis von der vierfachen Aussaat hin, wenn er sagte, daß der Same des Wortes, der in die Dornen und Hecken fiel, von ihnen erstickt worden sei und keine Frucht habe tragen können.2325
32.
1. Es ist also nötig, zu lernen, wie man sich bei allem, was uns zustößt, verhalten muß, um durch die Übung in dem der Erkenntnis entsprechenden guten Leben zu dem unveränderlichen Zustand ewigen Lebens zu gelangen.
2.2326 „Denn ich sah“, so heißt es, „den Gottlosen sich trotzig erheben und sich stolz ausbreiten wie die Zedern des Libanon, und ich ging vorüber“, sagt die Schrift, „und siehe, er war nicht mehr da. Und ich suchte ihn, und seine Stätte war nicht mehr zu finden. Bewahre die Unschuld und siehe auf Rechtschaffenheit; denn es gibt noch eine Zukunft (eine Nachkommenschaft) für den friedliebenden Menschen.“2327 3. Das wird aber der sein, der ohne Heuchelei von ganzem Herzen glaubt und in seiner ganzen Seele ruhig ist.
4. „Denn das andere Volk ehrt mich mit seinen Lippen, sein Herz aber ist fern von dem Herrn.“2328 „Mit ihrem Munde lobpreisen sie, in ihrem Herzen aber fluchen sie.“2329
5. „Sie liebten ihn mit ihrem Munde, und mit ihrer Zunge betrogen sie ihn. Ihr Herz aber war nicht redlich gegen ihn, und sie hielten nicht treu an seinem Bunde.“2330
33.
1. Deswegen „sollen verstummen die falschen Lippen, die Gottlos gegen den Gerechten reden!“2331 und abermals: „Vertilgen möge der Herr alle falschen Lippen und die großsprecherische Zunge, die Leute, die da sagen:
2. Mit unserer Zunge werden wir groß sein; unsere Lippen sind in unserer Gewalt. Wer ist Herr über uns? Wegen der Bedrängnis der Armen und wegen des Seufzens der Bedürftigen will ich mich jetzt erheben, sagt der Herr; Rettung will ich ihm schaffen; offen will ich für ihn eintreten.“2332
3. Denn den Demütigen gehört Christus, nicht denen, die sich gegen seine Herde erheben.
4. „Sammelt euch also nicht Schätze auf Erden, wo Motte und Rost sie verzehren und wo Diebe einbrechen und stehlen!“2333 sagt der Herr vielleicht, um die an ihrem Besitz Hängenden zurechtzuweisen, vielleicht aber auch im Hinblick auf die, die sich überhaupt sorgen und um etwas bekümmert sind, ferner auf die, die ihren Leib pflegen.
5. Denn Liebschaften und Krankheiten und die bösen Gedanken „brechen ein“ in das vernünftige Denken und in den ganzen Menschen; unser wahrer Schatz ist aber dort, wo das dem Geiste Verwandte ist.2334
6. Ferner lehrt