2. Ja auch der Freie, mag ihm auch von einem Tyrannen der Tod angedroht werden oder mag er vor Gericht geführt und in die äußersten Gefahren gestürzt werden und mit dem Verlust seines ganzen Besitzes bedroht sein, wird doch in keiner Weise von seiner Gottesfurcht ablassen.
3. Und nie wird die Frau den Mut verlieren, wenn sie mit einem schlechten Mann vermählt ist, und ebensowenig der Sohn, der einen schlechten Vater, oder der Knecht, der einen schlechten Herrn hat, da sie hochherzig an der Tugend festhalten.
4. Aber wie es für einen Mann rühmlich ist, für die Tugend und für die Freiheit und für sich selbst zu sterben, so ist das auch für eine Frau rühmlich. Denn nicht der Natur der Männer ist das eigentümlich, sondern der Natur der guten Menschen.
68.
1. Gläubig wird also der Greis und der Jüngling und der Knecht im Gehorsam gegen die Gebote leben und, wenn es sein muß, sterben, was so viel ist, wie durch den Tod zum Leben kommen.
2. Wir wissen ja, daß auch Kinder und Knechte und Frauen oft gegen den Willen ihrer Väter und Herren und Männer ganz vortrefflich geworden sind.
3. Diejenigen, die gottesfürchtig leben wollen, dürfen dazu also nicht weniger willig sein, wenn man sie scheinbar daran hindern will, sondern müssen, meine ich, sich noch viel mehr bemühen und mit besonderem Eifer kämpfen, damit sie nicht unterliegen und ihren besten und nötigsten Vorsätzen nicht untreu werden.
4. Denn man darf, meine ich, überhaupt keinen Vergleich anstellen und fragen, was von beidem besser sei, ein Gefolgsmann des Allmächtigen zu werden oder die Finsternis der Dämonen zu wählen.
5. Denn was von uns um anderer willen getan wird, das tun wir doch wohl in jedem einzelnen Fall, indem wir versuchen, auf jene Rücksicht zu nehmen, um derentwillen das, was wir tun, zu geschehen scheint, wobei wir uns das als Maßstab nehmen, was jenen gefällt. Was wir aber mehr um unserer selbst willen als um anderer willen tun, das wird doch wohl mit dem gleichen Eifer ausgeführt werden, ob es nun anderen gefallen mag oder nicht.
69.
1. Wenn schon von den Dingen, die sittlich weder gut noch schlecht sind, einige solche Schätzung genießen, daß sie selbst wider den Willen einiger wünschenswert erscheinen, so muß doch die Tugend weit mehr noch für erstrebenswert gehalten werden; und man darf dabei auf nichts anderes Rücksicht nehmen als eben auf das, was gut getan werden kann, ob nun einige anders darüber denken oder nicht.2473
2. Richtig ist daher auch, was Epikuros an Menoikeus schreibt: „Weder soll jemand, so lange er noch jung ist, zögern Philosophie zu treiben, noch wenn er ein Greis ist, darin müde werden. Denn bei keinem ist es zu früh und bei keinem zu spät, die Gesundheit der Seele zu erlangen.
3. Wer aber sagt, die rechte Zeit zum Philosophieren sei noch nicht da oder sie sei schon vorüber, der ist dem ähnlich, der sagt, zum Glücklichsein sei die rechte Zeit noch nicht oder nicht mehr da.
4. Daher sollen Junge und Alte philosophieren, die einen, damit sie, wenn sie alt werden, jung bleiben durch das Gute, dank dem, was geschehen ist, die anderen, damit sie jung zugleich und alt seien, weil sie von der Furcht vor der Zukunft frei sind.“2474
IX. Kapitel
70.
1. Von dem Märtyrertum hat aber der Herr ausdrücklich gesprochen; und wir wollen das, was an verschiedenen Stellen geschrieben steht, zusammenstellen: „Ich sage euch aber, jeder der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem wird sich auch der Menschensohn vor den Engeln Gottes bekennen; wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde ich vor den Engeln verleugnen.“2475
2. „Denn wer sich meiner und meiner Worte in diesem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht schämt, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln kommt.“2476
3. „Jeder also, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen.“2477
4. „Wenn man euch aber in die Synagogen und vor die Behörden und vor die Obrigkeiten führt, so macht euch vorher keine Sorge darüber, wie ihr euch verteidigen oder was ihr sagen sollt; denn der Heilige Geist wird euch in eben der Stunde lehren, was ihr sagen sollt.“2478
71.
1. In seiner Erklärung dieser Stelle sagt Herakleon, der angesehenste Vertreter der Schule des Valentinus, wörtlich, es gebe ein Bekenntnis teils im Glauben und im Wandel, teils mit der Stimme.
2. “Das Bekenntnis mit der Stimme geschieht auch vor der Obrigkeit, und dieses allein hält die Menge”, sagt er, "für ein wirkliches Bekenntnis; das ist aber nicht richtig; denn ein Bekenntnis können auch die Heuchler ablegen.
3. Es wird sich aber auch zeigen, daß dieses Wort nicht allgemeine Gültigkeit hat; denn nicht alle, die selig wurden, legten das Bekenntnis mit der Stimme ab und schieden dann aus dem Leben; dazu gehörten Matthäus, Philippus, Thomas, Levi und viele andere.
4. Und in der Tat ist das Bekenntnis mit der Stimme kein vollständiges Bekenntnis, sondern nur ein Stück davon. Ein vollständiges Bekenntnis aber, wovon er hier redet, ist das in Werken und Taten, die dem Glauben an den Herrn entsprechen. Diesem allgemeinen Bekenntnis folgt dann auch das vor der Obrigkeit, das nur ein Teil davon ist, wenn es sein muß und wenn die vernünftige Überlegung es fordert. Denn ein solcher Mensch wird auch mit der Stimme bekennen, nachdem er zuvor aufrichtig mit seinem ganzen Verhalten bekannt hat.
72.
1. Und es ist sinnvoll, daß er bei den Bekennenden gesagt hat ‘zu (in) mir’, bei den Verleugnenden dagegen das ‘mich’ hinzugesetzt hat. Denn wenn ihn diese auch mit der Stimme bekennen, so verleugnen sie ihn doch, wenn sie ihn nicht mit der Tat bekennen.
2. Nur die bekennen sich aber zu ihm, die in einem ihm gemäßen Bekenntnis und in einem solchen Handeln leben, und zu ihnen bekennt auch er sich, da er sie in sich aufgenommen hat und von ihnen festgehalten wird. Deshalb können sie ihn nie verleugnen; nur die verleugnen ihn, die nicht in ihm sind.
3. Denn er hat nicht gesagt: ‘wer in mir verleugnen wird’, sondern ‘wer mich verleugnen wird’, denn keiner, der in ihm ist, wird ihn je verleugnen.
4. Der Zusatz ‘vor den Menschen’ bezieht sich in gleicher Weise auf diejenigen, die selig werden, und auf die Heiden, bei den einen auch mit dem Wandel, bei den anderen auch mit der Stimme."2479
73.
1. Soweit Herakleon. Und im übrigen scheint er hinsichtlich des Sinnes dieses Schriftabschnittes mit uns einer Meinung zu sein; aber auf eines hat er nicht geachtet: Wenn manche auch nicht mit der Tat und mit dem Leben Christus vor den Menschen bekannt haben, so ist doch dadurch, daß sie vor Gericht mit der Stimme bekannten und, obwohl sie bis zum Tod gemartert wurden, den Herrn nicht verleugneten, der Beweis erbracht, daß sie mit aufrichtiger Gesinnung geglaubt haben.
2. Eine Gesinnung aber, die sich im Bekenntnis bewährt,2480 und vor allem eine solche, die sich auch beim Tod nicht ändert, beseitigt mit einem Schlage alle Leidenschaften, die durch die körperliche Begierde erzeugt wurden.
3. Denn es gibt sozusagen am Ende des Lebens eine Reue, die alles in der Tat zusammenfaßt, und ein wahrhaftiges Bekenntnis zu Christus, wobei auch die Stimme mitbezeugt.
4. Wenn aber „der Geist des Vaters“2481 in