Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783956179815
Скачать книгу

      In Bagdad nächtigte sie in einer jener Herbergen, die für durchfahrende Händler gedacht waren und gleichzeitig als Unterkunft, Stallung für die Tiere, Lagerhaus und Verkaufsraum für die mitgeführten Waren dienten.

      Li fühlte sich stark an Nedjans Herberge in Samarkand erinnert, nur war diese um ein Vielfaches größer und bildete eine kleine Stadt innerhalb der Stadt mit eigenem Flusshafen. Schiffe konnten hier anlegen und die eingeführten Waren flussabwärts nach Basra bringen, wo sie auf seetüchtige Daus umgeladen wurden.

      Firuz wies seinen Bruder Jamal an, mit Gao einen Arzt aufzusuchen. „Was dieser Arzt mich kostet, werde ich auf eure Schuld draufschlagen“, kündigte er an. „Aber wenn meine Pläne in die Tat umgesetzt werden sollen, sollte sie nicht daran scheitern, dass ein Meister keinen Gesellen hat, der ihm helfen könnte!“

      „Das ist sehr gütig“, sagte Meister Wang und neigte das Haupt.

      „Begleite deinen Gesellen... Jamal wird versuchen, einen Arzt zu finden, der der persischen Sprache mächtig ist, aber selbst wenn das gelingt, könnte es einige Verständigungsschwierigkeiten geben... und ich habe den Eindruck, dass der Meister sich besser auszudrücken weiß als der Geselle!“

      In Bagdad sprachen die Menschen Arabisch – allerdings konnte man davon ausgehen, dass ein Arzt, der sein Geld wert war, seine Kunst in Isfahan oder Buchara gelernt und dabei Persisch gelernt hatte.

      „Ich begleite ihn auch gerne“, bot Li an.

      Aber genau das schien Firuz nicht zu wollen. „Nein, du bleibst hier!“, bestimmte er. „Du kannst damit beginnen, eine Liste all der Dinge zusammenzustellen, die für eine Papierschöpfung in größerem Umfang unerlässlich sind. Bagdad mag keinen mächtigen Kalifen mehr haben, aber es hat die größten Basare der Welt und vielleicht können wir das eine oder andere hier günstig erwerben...“

      ––––––––

      Li saß in dem Zimmer im Obergeschoss, wo die Frauen übernachteten. Allerdings war keine von ihnen im Moment zugegen. Sie waren zum Fluss gegangen, um ihre Kleider zu waschen, wozu schon seit Wochen keine Gelegenheit mehr gewesen war.

      Li hatte ein paar wenige Blätter aus der Werkstatt von Meister Mohammed in Samarkand mitnehmen können. Es handelte sich allesamt um Blätter mit dem Wasserzeichen der Rose. Zum Schreiben hatte Firuz ihr einen Silberstift gegeben, mit dem er seine Listen zu führen pflegte. Manchmal hatte sie beobachtet, wie er im Schein des Lagerfeuers gerechnet hatte. So wenig sie Firuz ansonsten leiden konnte, so sehr hatte es sie doch immer fasziniert, wenn sie ihn beim Rechnen erlebt hatte. Auf den Märkten, die sie auf dem langen Weg besucht hatten, hatte Firuz des Öfteren komplizierte Rechnungen mit großen Zahlen sehr schnell ausführen können, wenn er sie auf ein Stück Papier schrieb, um ganz schnell Preise vergleichen zu können oder zu beurteilen, ob ein Angebot wirklich gewinnbringend war. Wie er – und auch viele der Basaris – das fertigbrachten, hatte sie bislang noch nicht herausbekommen. Sie hatte nur die Vermutung, dass es irgendwie mit einem geheimnisvollen Zahlzeichen zu tun hatte, das als kleiner Kreis oder als Punkt dargestellt wurde und das nichts darstellte, wenn es alleine stand, aber einen hohen Wert bezeichnen konnte, wenn es mit anderen Zahlzeichen zusammen in einer Reihe stand.

      Li begann gerade zu schreiben, da betrat Firuz den Raum.

      „Basma...“, sagte er.

      Sie zuckte zusammen und erhob sich von dem Teppich, auf dem sie saß. „Ich möchte nicht so genannt werden!“, erwiderte sie.

      „Ach, Basma... Du müsstest doch längst gemerkt haben, dass ich dich begehre!“

      „Ich aber dich nicht!“

      Er näherte sich. „Was lässt dich zögern, Basma? Ich sehe dich an und kann an nichts anderes mehr denken!“

      „Dann solltest du beten, damit dein Gott dir hilft – oder deine Aufmerksamkeit denen schenken, denen du es versprochen hast! Deinen Frauen nämlich!“

      Er war bei ihr und fasste sie an ihrem Gewand. Dann zog er sie an sich. Sein Atem roch süßlich – nach Haschisch, dem berauschenden Gras, das in Bagdad an jeder Straßenecke angeboten wurde. In Samarkand hatten die Ärzte daraus Medizin gemacht – aber es wurde keineswegs nur gegen körperliche Krankheiten und Schmerzen genommen. Eine Aufhellung des Gemüts schien ebenso häufig der Grund für die Einnahme zu sein – und im Gegensatz zu gegorenen Getränken schien diese Art der Berauschung nicht gegen die Lehre des Propheten zu verstoßen.

      Sie versuchte ihn wegzuschieben, aber er hielt sie fest.

      „Basma... Du willst doch dasselbe!“

      „Das Haschisch hat dir die Sinne benebelt!“

      „Es vernebelt die Sinne nicht! Es bringt nur hervor, was schon da ist! Und manche glauben sogar, dass es einen in Verbindung zu Gott bringt! Sie nehmen es und tanzen sich in eine mystische Raserei...“

      Er fasste nach ihren Brüsten. Sie fühlte seinen Griff durch das Gewand hindurch, und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Mit einem kräftigen Stoß befreite sie sich. Er taumelte einen Schritt zurück.

      „Wenn du dich noch einmal näherst, erzähle ich Fadia, was du versucht hast!“, keuchte sie. „Also bleib, wo du bist!“

      „Das würde ich dir nicht empfehlen. Du weißt noch nicht, wie wütend sie werden kann!“

      „Aber vielleicht wird sie sich überlegen, gegen wen sich ihre Wut richten sollte!“

      Firuz' Gesicht verwandelte sich in eine finstere Grimasse. Dann ging er zur Tür. Dort blieb er noch einmal stehen und sagte: „Du bist eine Närrin, Basma! Wir könnten zusammen so viel erreichen! Du weist einen Mann von dir, der dir ein Leben ohne Sorgen bieten könnte!“ Er nahm den Beutel von seinem Gürtel. Dann öffnete er seine Hand und ließ den Inhalt des Beutels sich dorthin ergießen. Es waren durchsichtige Steine von kristallreiner Klarheit. Firuz hielt sie ins Licht und im nächsten Moment leuchteten sie.

      „Das sind die Steine des Lichts – Diamanten! Die Griechen nennen sie die Unbesiegbaren, weil man sie nicht zerstören kann. Sie sind sehr selten und das einzige Land, in dem man sie findet, ist Indien. Sie sind ein Vermögen wert – dies ist der Reichtum, mit dem man etwas Großes aufbauen kann! Eine Papierfertigung zum Beispiel... Aus einem bescheidenen Reichtum sollte man einen großen machen!“ Er tat die Steine zurück in den Beutel. „Du bist eine kluge Frau, Basma... Und ich bin überzeugt davon, dass du noch erkennen wirst, welcher Weg für dich offen stünde!“

      Dann ging er hinaus. Sie atmete schwer, während sie seine Schritte sich entfernen hörte.

      Am Boden lag der Silberstift und das Blatt, auf dem sie geschrieben hatte. Der Stift war zerbrochen. Firuz musste mit seinem Stiefel darauf getreten sein, ohne es zu bemerken.

      ––––––––

      Am Abend kehrten Meister Wang und Gao zurück. Gao war müde und legte sich gleich auf sein Lager.

      „Der Arzt hat ihm einen Extrakt der Mohnpflanze gegeben“, berichtete Meister Wang seiner Tochter. „Die lindert seinen Husten und lässt ihn die schweren Gedanken vergessen. Denn mehr als eine Linderung wird es für ihn nicht geben.“

      „Was?“ Li schüttelte den Kopf. „Du meinst, er kann nicht geheilt werden?“

      „Nicht mit den Mitteln der Medizin, wie sie im Westen praktiziert wird. Es kommt Blut aus seinem Mund und ich glaube fast, dass man ihm nicht einmal mehr dann helfen könnte, wenn er in