Manchmal können herzkranke Babys über einen gewissen Zeitraum nur teil- oder gar nicht gestillt werden werden – Gründe dafür können sein:
•Ist der Herzfehler vor der Geburt bekannt und eine intensive Überwachung des Neugeborenen nötig, wird es meist unmittelbar nach der Geburt aus dem Kreißsaal zur Überwachung, weiteren Diagnostik und Behandlung auf eine Neugeborenen- oder kinderkardiologische Intensivstation verlegt. Dies bedeutet eine zumindest zeitweise Trennung von Mutter und Kind, denn oft ist es nicht möglich, dass die Mutter auf die Intensivstation mit aufgenommen wird. Dies erschwert das Stillen nach Bedarf. Auch gibt es auf vielen Intensivstationen feste Besuchszeiten für Eltern und Angehörige. Diese dienen der Ruhe und Erholung der schwerkranken Kinder. Sie werden nur in Ausnahmefällen aufgehoben, beispielsweise in den ersten Tagen nach der Geburt und wenn es einem Kind sehr schlecht geht. Auf der Normalstation hingegen kann in der Regel ein Elternteil rund um die Uhr bei dem Baby bleiben und auch im Zimmer übernachten. Alternativ können die Eltern vielerorts in einem Elternwohnhaus auf dem Klinikgelände unterkommen.
•Es gibt eine Reihe angeborener Herzfehler, bei denen direkt nach der Geburt eine Behandlung mit Minprog® über die Vene eingeleitet werden muss – ein Medikament das den Ductus arteriosus Botalli (ein Blutgefäß zwischen Lungenarterie und Körperschlagader (Aorta), welches sich normalerweise während der ersten Lebensstunden und Tage des Kindes verschließt) offen halten soll. Dieses Medikament sichert das Überleben des kranken Kindes in den ersten Lebenstagen bis zur Operation. Leider kann es auch Nebenwirkungen haben, darunter Unruhe, Zittrigkeit sowie krampfartiges Muskelzucken15. Dies kann das Stillen erschweren.
•Manchmal können herzkranke Babys durch einen verminderten Muskeltonus im Gesicht (in besonderem Maße gilt dies für Kinder mit Down-Syndrom) keinen ausreichenden Saugdruck aufbauen, um die Brust oder Flasche gut zu entleeren.
•Und/oder sie erschöpfen aufgrund der verstärkten Atemarbeit und einer Herzschwäche, noch bevor sie satt sind.
Anzeichen für eine körperliche Überforderung können sein: starke Erhöhung der Herzfrequenz, Abfall der Sauerstoffsättigung im Blut mit oder ohne einem Blasser- oder Bläulich-Werden der Haut sowie vermehrtes Schwitzen.
In den beiden oben genannten Fällen entschließen sich Ärztinnen und Pflegepersonen meist, dem Baby eine Sonde über die Nase in den Magen zu legen. Diese wird mit einem Pflaster an der Wange des Babys fixiert. Über diese Magensonde können die Eltern nach ausführlicher Anleitung durch das Pflegepersonal ihrem Kind nicht geschaffte Teilmengen oder ganze Milchmahlzeiten ohne Kraftanstrengung für das Baby zuführen.
•In den ersten Tagen nach einer Herzoperation, vor allem wenn das Kind beatmet wird und/oder sedierende, also beruhigende und schläfrig machende Medikament bekommt, hat das Kind weder die Kraft für das Stillen noch für das Trinken aus der Flasche. Während dieser Zeit bekommt es die Milch ebenfalls routinemäßig über eine Magensonde.
•Manchmal wird bei einer Herz-OP ein großes Lymphgefäß im Brustkorb verletzt und es sammelt sich Lymphflüssigkeit (es kommt zu einem Chylothorax), die auf die Lunge und das Herz drückt und zu einer erhöhten Schlagzahl des Herzens und zu Atemnot führen kann.
Ist dies der Fall, bekommt das Kind eine spezielle Diät, bei der bestimmte Fette in der Nahrung vermieden werden. Für ein gestilltes Baby bedeutet dies, dass die abgepumpte Milch der Mutter in der Milchküche der Kinderklinik in einer Muttermilchzentrifuge entrahmt, also fettfrei gemacht wird. Danach kann die Muttermilch dem Baby problemlos aus der Flasche gefüttert oder sondiert werden.
Wenn du möchtest, dass dein Kind Muttermilch bekommt, ist in all diesen Fällen eine gute elektrische Milchpumpe unverzichtbar. Eine Handpumpe ist keine wirkliche Alternative, da das Pumpen mit ihr sehr aufwendig ist und die Milchbildung nicht so gut angeregt wird.
Steht dir mal keine Pumpe zur Verfügung, kannst du die Milch auch per Hand ausstreichen. Das Handentleeren der Brust regt die Milchbildung ebenso gut an wie das Pumpen mit einer elektrischen Pumpe. Manch eine geübte Mutter ist damit sogar schneller und effektiver als mit Pumpe. Außerdem verbessert das Handausstreichen dein Körpergefühl für die eigenen Brüste. Du lernst deine Brust genau kennen und erspürst damit schneller Veränderungen wie beispielsweise Knoten. Ein regelmäßiges Abtasten der Brust auch nach der Stillzeit stellt die sinnvollste Art der Krebsfrüherkennung dar.
Eine ausführliche Anleitung findest du in Kapitel 2.2.
Tipp für zu Hause oder wenn die Klinik keine Muttermilchzentrifuge besitzt
Hat dein Kind einen Chylothorax und deine Klinik keine Muttermilchzentrifuge bzw. steht die Entlassung nach Hause an, so kannst du die Muttermilch fettarm machen, indem du sie abpumpst und im Kühlschrank bei 4 °C drei Tage aufbewahrst. In dieser Zeit setzt sich das Fett aus der Milch als Rahm oben ab. Du kannst dann den wässrigen Teil der Milch mit einer Spritze und aufgesetzter Magensonde absaugen und diesen wie gewohnt erwärmen und verfüttern bzw. sondieren. Bitte besprich dieses Vorgehen zunächst mit der behandelnden Ärztin16! Die Ärztin wird deinem Kind mittelkettige und essenzielle Fettsäuren sowie fettlösliche Vitamine als Nahrungsergänzung verschreiben.
Je nach Gesundheitszustand deines Kindes kann es sein, dass sich das Pumpen der Muttermilch auf wenige Tage beschränkt. Leidet es aber an einem komplexen Herzfehler und/oder ist ein langwieriger stationärer Aufenthalt nötig, kann die Milchpumpe über einige Monate dein ständiger Begleiter werden. Bitte gib den Mut nicht auf! Auch ein Kind, das seit der Geburt über Monate vorwiegend abgepumpte Muttermilch aus der Flasche getrunken hat oder teilweise sondiert wurde, kann mit etwas Glück zum Vollstillen kommen – zum Beispiel, wenn es ihm nach einer Herzoperation wieder besser geht.
Besprich dich mit der Kinderärztin und dem Pflegepersonal, such‘ dir fachliche Unterstützung durch eine Hebamme oder Stillberaterin und versuche, wann immer es geht, dein Baby anzulegen. Ist dies nicht möglich, dann weißt du dennoch, dass jeder Tag, den dein Baby Muttermilch bekommt, für seine Entwicklung wertvoll ist. Du kannst stolz auf dich sein!
Hier erfährst du mehr über den richtigen Umgang mit einer elektrischen Milchpumpe, der Lagerung und Fütterung von Muttermilch sowie über Frauenmilchbanken (mehr dazu in Kapitel 4).
1.3 Der Partner als wichtiger Unterstützer
Bevor es mit dem Stillen losgeht, möchte ich dich als Vater direkt ansprechen: Stillen ist naturgemäß die Aufgabe der Mutter. Genauso wie nur eine Frau schwanger werden, ein Kind austragen und gebären kann, ist es auch die Frau, welche mit ihrer Brust das Kind in dessen ersten Lebensmonaten ernährt. Dennoch spielst du als Vater eine wichtige Rolle und musst dich nicht ausgeschlossen fühlen!
Damit eine Mutter die Ruhe und Kraft findet, um sich ihrem Baby liebevoll zuzuwenden und es zu stillen, braucht sie ein unterstützendes Umfeld. Indem du deiner Partnerin hilfst und sie bestärkst, indem du ihr Mut machst, leistest du einen wichtigen Beitrag zum Stillerfolg, sodass es Mutter und Kind gut geht. Gerade in den oft besonders anstrengenden ersten Tagen und Wochen entlastest du deine Partnerin, wenn du in den Stillpausen mit dem Baby schmust, es herumträgst oder mit ihm im Kinderwagen oder Tragetuch spazieren gehst. Du kannst für Ruhe sorgen, wenn allzu viele neugierige Besucher kommen, um das Neugeborene zu bestaunen, und die Mutter mit Essen und Getränken versorgen, wenn sie lange stillend auf dem Sofa sitzt. Du kannst ihr helfen, eine bequeme Stillposition zu finden und ihr in stressigen Phasen liebevollen