Er richtete sein Ortungsgerät auf eines dieser Löcher und ließ sich die Daten auf dem Brillendisplay anzeigen.
„Da ist irgend etwas!“, stellte er fest. „Das müssen diese sich bewegenden Objekte sein, von denen der Pilot sprach!“
Bras–Kon wandte sich herum. „Spezifizieren!“
Nirat-Son konnte lediglich verfolgen, wie sich ein bewegendes, quasi lebendiges Objekt etwa zwei Meter unter der Oberfläche seine Bahn durch das Eis bohrte – und das mit einer Geschwindigkeit, die frappierend war.
„Ich messe starke elektrische Entladungen“, stellte Nirat-Son fest. „Sie erzeugen mit Hilfe von Elektrizität Hitze und schmelzen das Eis in ihrer unmittelbaren Umgebung!“
„Objekt nähert sich der Oberfläche!“, stellte einer der anderen Tanjaj fest.
Das fiel auch Nirat-Son auf.
Das Ding hatte plötzlich die Bewegungsrichtung radikal geändert und strebte nun an die Oberfläche.
Bras–Kon zog seinen Handlaser.
„Achtung! Bereit machen zur Verteidigung!“
Mit einem knarzenden Geräusch entstand plötzlich ein Loch im Eis. Etwas zischte. Funken sprühten. Ein augenloses, aber dafür mit zahllosen Extremitäten ausgestattetes Wesen von der Größe einer Qriid-Kralle sprang empor. Der eigentliche Körper war wie ein Ellipsoid geformt. Es gab mehrere Öffnungen mit Beißwerkzeugen. Ein optisches Orientierungsorgan war nicht zu erkennen, für eine Spezies, deren Angehörige sich die meiste Zeit über jedoch unter der Eisoberfläche in lichtlosen Räumen aufhielten, war das sicher kein Mangel.
Das Wesen landete auf einem Teil seiner sowohl zum Laufen als auch zum Greifen geeigneten Extremitäten.
An der größeren der zwei Mundöffnungen waren Beißwerkzeuge zu finden. Außerdem Antennen artige Fortsätze, zwischen denen immer wieder Funken sprühten.
Das Wesen sprang auf Bras–Kon zu.
Dieser reagierte sofort und feuerte seinen Hand-Traser ab.
Der blassgrüne Strahl erfasste das Wesen sofort.
Es taumelte zu Boden. Seine Oberfläche wirkte verkohlt, noch regte sich leicht. Sein Überlebenswille schien noch nicht gebrochen zu sein, aber es konnte sich jetzt nur noch kriechend und außerdem sehr langsam fortschleppen.
Bras–Kon machte dem ein Ende.
Er schaltete seinen Traser auf eine höhere Intensitätsstufe und im nächsten Augenblick war das Wesen nur noch ein Haufen verkohlter Asche, die der stete Wind mit sich nahm.
Anschließend deutete Bras–Kon auf das inzwischen ja frei gelegte Außenschott des Beiboots.
„Nirat-Son?“
„Ja, Kommandant?“
„Du kennst dich doch mit Schlössern aus!“
„Ich bin mit der Programmierung der internen Rechner einigermaßen vertraut“, sagte er.
„Dann versuch das hier bitte zu öffnen. Ich will wissen, was aus unseren Tanjaj-Brüdern geworden ist.“
Nirat-Son ließ sich das nicht zweimal sagen.
Er setzte ein Modul, das zu seiner Ausrüstung gehörte, an das Außenschott des Raumboots an und versuchte anschließend einen Zugang zum internen Rechnersystem zu bekommen, das der Steuerung des Schotts diente. Dann nahm er ein paar Schaltungen vor. „Vollkommene Fehlfunktion des internen Rechners“, kommentierte Nirat-Son das, was ihm über das Brillendisplay angezeigt wurde.
„Sind elektrische Entladungen eine mögliche Ursache?“, fragte Bras–Kon.
„Durchaus.“
„Aber das würde bedeuten, dass diese Wesen auf irgendeine Weise nach innen gelangt sind, denn von außen ist das Schott gegen elektrische Impulse abgeschirmt“, gab Nirat-Son zu bedenken.
Wenig später gelang es ihm, das Schott zu öffnen.
Knarrend schob es sich zu zwei Dritteln zur Seite, ehe es sich aus irgendeinem Grund verkantete. Aber die Öffnung reichte, um die Schleuse zu betreten.
Nirat-Son ging voran.
Dann folgte Bras-Kon, der Tanjaj-Nom dieser Mission.
Das innere Schleusenschott wies ein Loch auf, das von der Form her auf frappierende Weise den Schächten im Eis glich, die von den ellipsoiden Vielbeinern gezogen worden waren.
„Offenbar besitzen sie auch die Fähigkeit, Metall zu durchdringen“, stellte Nirat-Son fest.
Gran-Teron ging mit seinem Ortungsgerät näher an die Stelle heran. „Eine Kombination aus Säure und Elektrizität, würde ich sagen.“
„Die Temperatur liegt hier drinnen nur unwesentlich über dem Niveau der Oberfläche“, stelle Nirat-Son fest. „Auf jeden Fall wäre es unmöglich für einen Angehörigen des Gottesvolkes, hier zu überleben.“
„Öffne das Schott der Innenschleuse!“, befahl Bras–Kon an den Tanjaj-Rekruten gerichtet.
„Jawohl, ehrenwerter Tanjaj-Nom“, erwiderte dieser.
Wenig später hatte es Nirat-Son geschafft, auch das Innenschott zu öffnen.
Sie betraten die Passagierkabine. Es war ziemlich dunkel hier. Abgesehen von dem Licht, was durch die geöffnete Schleuse fiel, gab es hier ansonsten keinerlei Lichtquellen. Die Innenbeleuchtung war deaktiviert. Sämtliche Systeme schienen tot zu sein.
Nirat-Son verschlug es die Sprache. Der grauenvolle Anblick, der sich ihm und den anderen Qriid bot, ließ ihn unwillkürlich die Schnabelhälften gegeneinander reiben.
Auf den der Qriid-Anatomie perfekt angepassten Schalensitzen saßen fünf Qriid-Skelette. Die leeren Augenhöhlen schienen die Ankömmlinge vorwurfsvoll anzublicken.
„Mein Gott, in welche Heidenhölle sind wir hier geraten?“, wisperte Nirat-Son leise vor sich.
In diesem Augenblick krabbelte einer der ellipsoiden Vielbeiner aus einem Loch in der Wand, nur eine Kralle breit neben der Steuerkonsole. Das Wesen huschte mit einer beängstigenden Geschwindigkeit über den Boden.
Ehe einer der Qriid seinen Strahler benutzen konnte, hatte der Vielbeiner Gran-Teron erreicht. Mit einem Teil seiner offenbar auch zum greifen fähigen Extremitäten klammerte sich das ellipsoide Wesen an Gran-Terons rechtes Bein. Der Qriid schrie auf, als elektrische Funken sprühten und sich der Stoff des Thermoanzugs, der das nach hinten geknickte Qriid-Bein bedeckte, unter Einwirkung einer stark ätzenden Substanz aufzulösen begann.
Bras-Kon feuerte mit seinem Hand-Traser auf das Bein des Tanjaj. Er hatte die Waffe auf die höchste Intensitätsstufe gestellt. Der Strahl verschmorte sowohl das Bein Gran-Terons als auch den ellipsoiden Vielbeiner vollkommen. Schwer fiel Gran-Teron zu Boden.
Nirat-Son beugte sich über ihn und aktivierte die medizinische Diagnosefunktion seines Ortungsgerätes.
„Gran-Teron ist tot“, stellte er krächzend fest.
„Der Traser-Schuss kann dafür nicht verantwortlich sein“, erwiderte Bras-Kon.
„Es spricht alles dafür, dass es ein elektrischer Schlag war, der den ehrenwerten Tanjaj-Bruder außer Gefecht setzte“, erklärte Nirat-Son.
Bras–Kon trat etwas näher. „Dann wissen wir jetzt immerhin, was unseren Tanjaj Brüdern zugestoßen ist“, erklärte er. Er aktivierte seinen Kommunikator. „Hier spricht Tanjaj-Nom Bras–Kon! Alle Abteilungen bitte umgehend melden! Höchste Alarmstufe! Ich wiederhole: Höchste Alarmstufe!“
„Hier Pilot Ruu-Di!“, kam es aus dem Kommunikator,