Seewölfe Paket 10. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954394999
Скачать книгу

      „Was vermutest du?“ fragte Siri-Tong.

      Hasard zog die Schultern hoch. Auch er hatte mittlerweile sein Hemd abgestreift und ließ seinen muskulösen Oberkörper von der Sonne umschmeicheln.

      „Ich bin mir nicht sicher. Möglich, daß dieses Ritual mit Menschenopfern zu tun hat. Auf irgendwelchen Südseeinseln soll es vorkommen, daß sie Menschen in die brodelnden Krater von Vulkanen stoßen. Dadurch sollen die Götter besänftigt werden.“

      „Welches Interesse sollte der Inder an solchen Opfern haben?“

      „Eben. Das ist es, was mir nicht klar ist. Weshalb brauchen sie ausgerechnet besonders hübsche Mädchen für ein solches Ritual?“

      Siri-Tong nickte bedächtig und versank in nachdenkliches Schweigen. Auch der Seewolf hing seinen Gedanken nach. Sinnierend blickte er Dan O’Flynn nach, der das kleine Kanu mit kräftigen Paddelschlägen auf die Lagune hinaustrieb, den Auslegerbooten folgend.

      Was Hasard als ein „Gottesurteil“ geplant hatte, war reibungslos abgelaufen. Charangu hatte eine kurze Ansprache an die Polynesier gehalten, nachdem Moana auf die Insel zurückgekehrt war.

      Aber was hatte der Inder wirklich gesagt?

      Nur Dan O’Flynn konnte das herauskriegen, indem er das Mädchen per Zeichensprache ausfragte.

      Von den französischen Freibeutern hatte offenbar keiner einen Fuß auf diese Insel gesetzt. Soviel schien inzwischen festzustehen. Denn alles sah danach aus, daß Charangu der erste Fremde gewesen sein mußte, der jemals auf Kahoolawe aufgetaucht war.

      In erster Linie ging es darum, Moanas Leben zu schützen. Das betrachtete Hasard als seine Pflicht, nachdem er sie gerettet hatte. Denn letzteres war nicht geschehen, um sie jetzt einem skrupellosen Ritualmord auszusetzen – falls es sich wirklich darum handelte.

      Zum anderen war Hasard mittlerweile versessen darauf, das Rätsel zu lösen, das auf Kahoolawe lastete. Die Menschen lebten hier unter einer ständigen Bedrohung. Und Hasard wurde das Gefühl nicht los, daß diese Bedrohung von niemandem anders als Charangu aufgebaut worden war.

      Er würde den Inder aus der Reserve locken. Charangu war nervös geworden. Hasard spürte es.

      Mit Siri-Tong und Dan O’Flynn waren Batuti, der Kutscher, Gary Andrews, Matt Davies, der alte O’Flynn, Jeff Bowie, Will Thorne, Big Old Shane und Moses Bill auf der Insel eingetroffen. Die anderen waren auf die Galeone zurückgekehrt, wo Ben Brighton nach wie vor das Kommando führte.

      Es hatte erhebliche Mühe gekostet, die Zwillinge ebenfalls an Bord zu halten. Aber Siri-Tong hatte ihren Entschluß schließlich durchgesetzt, und die Söhne des Seewolfs hatten sich beleidigt ins Mannschaftslogis verkrochen. Hasard gab der Roten Korsarin indessen recht. Bei der Ungewißheit darüber, was sich zusammenbrauen konnte, war es zu riskant, wenn sie sich auch noch um die Sicherheit der beiden Jungen kümmern mußten.

      In der Beziehung hatten sie mit den eigenwilligen kleinen Burschen zu viele schlechte Erfahrungen hinter sich.

      6.

      Der Wind hatte merklich nachgelassen. Nur noch mit verhaltener Kraft rollte die Brandung gegen das Korallenriff. Unbewegt und majestätisch lag die „Isabella“ weit draußen vor Anker.

      Dan O’Flynn saß auf einer der Bänke des Riffs, die nur knapp über die Wasseroberfläche ragten. Gischtende kleine Wellen umspielten seine Füße, und er genoß die Abkühlung, die dies brachte. Er hatte das Kanu ebenfalls heraufgezogen, damit der empfindliche Rumpf aus Baumrinde nicht im Wellengang beschädigt wurde.

      Die Mädchen waren nur einen Steinwurf weit entfernt. Ihre Auslegerboote dümpelten geschützt auf der Innenseite des Riffs, und dort tauchten Moana und ihre Gefährtinnen immer wieder hinunter zu den Muschelbänken. Ein unermeßlicher Reichtum mußte dort in der geringen Tiefe der Lagune ruhen, denn die Körbe der Mädchen füllten sich rasch mit jenen dunklen Muscheln, die die begehrten Perlen in sich bargen.

      Dan stützte die Ellenbogen auf die Knie und das Kinn in beide Hände. Versonnen schaute er den Mädchen bei ihrer Arbeit zu. Es war ein faszinierendes Schauspiel, das sie boten. Mit ihren gertenschlanken Körpern verfügten sie über beträchtliche Ausdauer. Neidlos mußte Dan anerkennen, daß er selbst kaum in der Lage war, sie zu übertreffen. Wahrscheinlich hatten sie das Tauchen schon von Kindheit an geübt. Immer wieder zählte er in Gedanken mit, wenn Moana auftauchte, eine Handvoll Muscheln in den Korb in ihrem Boot warf, Luft holte und wieder wegtauchte.

      Die Sekunden dehnten sich endlos. Dan schüttelte ungläubig den Kopf. Nur ständige Übung konnte zu solchen Leistungen führen. Und bei den gewandten Bewegungen der Mädchen tauchte in seinen Gedanken der Vergleich mit jenen Meeresbewohnern auf, die die nördlichsten Breiten der Erde bevölkerten. Wie phantastisch war es gewesen, diese unnachahmlich gleitenden und elastischen Bewegungen jener Seehunde und Robben zu beobachten, die eins waren mit dem nassen Element. Diese jungen Polynesierinnen bewiesen, daß auch Menschen sich diesem Element in hohem Maße anzupassen vermochten.

      Immer wenn sie auftauchten, waren ihre glockenklaren Stimmen zu hören – fröhlich und ausgelassen. Dabei war es harte Arbeit, die sie leisteten. Dan gelangte zu der Überzeugung, daß ein so heiterer und stets freundlicher Menschenschlag wie hier in der Südsee äußerst selten war.

      Aber für was leisteten sie überhaupt diese Arbeit? Weshalb bürdeten sie sich solche Mühe auf? Wenn es stimmte, daß die Bevölkerung dieser Insel noch niemals mit der Außenwelt Verbindung gehabt hatte – zu was brauchten sie dann die Perlen? War es nur, weil sie selbst Gefallen daran gefunden hatten? Wenn ja, dann mußten sie die Perlen irgendwo auf der Insel horten.

      Dieser Gesichtspunkt stimmte Dan nachdenklich. Er beschloß, der Frage bei nächster Gelegenheit auf den Grund zu gehen.

      Ein Impuls drang plötzlich in sein Bewußtsein vor. Es war eine Bewegung, die er anfangs nur aus den Augenwinkeln heraus wahrnahm. Und dennoch schlugen seine Sinne jäh Alarm.

      Dans Kopf ruckte nach links.

      Im selben Atemzug erstarrte er. Ihm war, als gefriere das Blut in seinen Adern.

      Eine Dreiecksflosse.

      Dunkelgrau und drohend schnitt sie durch die leuchtendgrünen Fluten – weniger als eine Kabellänge entfernt.

      Dan wollte einen Warnschrei ausstoßen. Doch sein Blick wurde weiter nach links gelenkt.

      Drei, vier, nein fünf weitere solcher Flossen, die tödliche Gefahr signalisierten. Ein ganzes Rudel von Haien war durch die Öffnung im Riff in die Lagune eingedrungen.

      Dan sprang auf.

      „Achtung!“ brüllte er. „Haie!“

      Die Mädchen, die gerade aufgetaucht waren und sich an den Booten festhielten, lachten, winkten ihm zu. Sie verstanden ihn nicht. Er selbst war es, der ihre Aufmerksamkeit ablenkte. Und sie begriffen nichts von der mörderischen Gefahr, die ihnen nahte.

      „In die Boote!“ versuchte Dan es noch einmal. Dazu gestikulierte er. Vielleicht zu hastig, denn sie reagierten noch immer nicht. Er erreichte nur, daß sie ihr Lachen und Winken abbrachen und verwundert zu ihm schauten.

      Dan stieß einen Fluch aus. Sein Blick suchte Moana, doch er konnte sie nicht entdecken. Sie mußte sich noch unter Wasser befinden.

      Er spannte die Muskeln. Wieder spähte er in die Richtung, in der er die Haie gesehen hatte.

      Der vorderste hatte sich bereits auf eine halbe Kabellänge genähert. Fast hatte es den Anschein, als sondiere er die Lage für seine räuberischen Gefährten. Plötzlich, bevor Dan den Gedanken zu Ende führen konnte, schoß die Dreiecksflosse vorwärts und jagte mit rasch zunehmender Geschwindigkeit auf die Auslegerboote zu.

      Das Rudel verharrte weiter entfernt.

      Dan O’Flynn überlegte nicht mehr. Er stieß sich ab und schnellte mit kraftvollem Kopfsprung in die schimmernden Fluten.

      Zwei