Seewölfe Paket 28. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954399963
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Schachnam begriff, daß es so nicht weiterging. Er blieb abrupt stehen. Güner prallte um ein Haar gegen seinen Rücken.

      „Die Pferde“, sagte Ebel. „Wir brauchen die Pferde. Holt sie.“ Beim Scheitan, warum hatte er nicht gleich daran gedacht?

      Ein paar Kerle, unter ihnen Haschira, eilten zum Lager zurück. So schnell es ging, wurden die Pferde von ihren Pflöcken losgebunden und in den Dattelwald geführt. Nun saßen die Räuber auf und jagten den Flüchtlingen nach.

      Nach Südwesten – dort, so meinte Ebel Schachnam, mußten sie irgendwo stecken. Er würde sie schon packen! Und dann gab es keine Gnade mehr! Wer immer sie waren und so sehr sie auch jammerten, er würde ihnen eigenhändig die Haut über die Ohren ziehen.

      So erbärmlich das knochige Pferd des Ritters auch wirkte, es konnte erstaunlich schnell laufen. Das Mädchen saß hinter dem Mann im Sattel und klammerte sich an der Rüstung fest.

      Der Riese indessen lief – so schnell, wie man es keinem normal beschaffenen Menschen zugetraut hätte – hinter dem Reiter her. Er sah die Hinterbacken des Tieres vor sich, sie dienten ihm als Orientierungshilfe. Das Pferd hingegen wußte instinktiv, in welche Richtung es sich zu wenden hatte, um tückischen Sümpfen, Wasserlöchern und Morast zu entgehen.

      Sie bewegten sich in südöstliche Richtung. Bald gelangten sie auf eine sanfte Anhöhe. Hier legten sie eine Verschnaufpause ein.

      Der Ritter saß ab. Seine Rüstung klapperte, das Visier fiel zu. Er öffnete es wieder und sah das Mädchen streng an. Sie hockte wie ein Häufchen Elend auf dem Tierrücken und kaute an ihren Fingernägeln.

      „Wie oft soll ich es dir noch sagen, Ludmilla?“ tadelte der Rittersmann mit blecherner Stimme. „Es hat keinen Sinn, daß du uns wegläufst. Du handelt dir nur Ärger ein.“ Wieder sprach er Holländisch.

      „Ich will nach Hause“, erwiderte sie weinerlich.

      „Wir werden alle drei nach Hause zurückkehren.“

      „Ich will keine Datteln, ich will Milch und Käse“, sagte sie trotzig.

      „Und Ton de Wit will Bier“, sagte der Riese mit grollender Stimme. „Jeder muß was entbehren.“

      „Das hast du gut gesagt, mein starker Freund“, erklärte der Ritter. „Ich, Branco Fernan, der Kämpfer für die gute Sache, werde dir nie vergessen, was du alles für uns beide getan hast. Schon viermal hast du mir das Leben gerettet. Sechsmal hast du Ludmilla aus der Patsche geholfen.“

      Es war zu dunkel. Anderenfalls hätte man jetzt sehen können, wie der Riese rot im Gesicht wurde.

      „Das ist doch nichts Besonderes“, brummte er.

      „Ludmilla“, sagte Branco Fernan zu dem schluchzenden Mädchen. „Wir kehren nur wieder nach Holland zu den Windmühlen und den Deichen zurück, wenn wir fest zusammenhalten. Begreifst du das?“

      „Na klar.“

      „Weißt du, wer diese Kerle sind, die dich verschleppt haben?“

      „Piraten.“

      „Weißt du auch, was sie mit dir vorgehabt haben?“ fragte Ton de Wit mit finsterer Miene.

      Ludmilla antwortete, und die beiden Männer nickten ernst.

      „Genau das“, entgegnete Branco Fernan, der mit bürgerlichem Namen eigentlich Willem Smitt hieß. Da Branco Fernan aber viel besser klang, und es obendrein eines jeden Ritters Würde verlangte, daß er sich einen Kriegsnamen zulegte, hatte sich Willem dieses Pseudonym ausgedacht.

      „Sie werden uns verfolgen“, sagte Ton de Wit.

      „Und wir werden sie abhängen“, erklärte Branco Fernan mit stolzer Gebärde. Er ließ sein Pferd Jolante noch ein wenig grasen, dann saß er wieder auf und winkte Ton de Wit zu. „Auf zu neuen Taten! Keinem Muselmanen wird es gelingen, uns, die Recken des Herrn, zu umzingeln und niederzumetzeln! Wir sind die Heerscharen Gottes!“

      Die Heerschar setzte sich wieder in Marsch. Ludmilla berichtete leise, wie sie ausgekniffen und in dem Wasserloch gelandet war, wie die wüsten Kerle sie in ihr Guffa verfrachtet und entführt hatten. Branco Fernan und Ton de Wit, der Riese, lauschten ihren Worten.

      Im stillen schworen sie sich, furchtbare Rache zu üben. Vorerst aber war es besser, sich vor den Flußräubern zu verstecken. Die waren in der Überzahl und hatten auch Pferde.

      Außerdem hatten sie sich inzwischen von dem Schrecken erholt, der ihnen in die Knochen gefahren war. Sie waren jetzt wieder das, als was man sie einzuschätzen hatte: blutrünstige, grausame Galgenstricke und Halsabschneider, die schon so manchen harmlosen Reisenden auf dem Gewissen hatten.

       3.

      Hasard hatte sich im positiven Sinn verrechnet. Nach relativ kurzer Fahrt erreichte die „Santa Barbara“ schon am frühen Morgen dieses Apriltages Korna – wo Euphrat und Tigris sich vereinigten. Alle Mann waren an Deck, als das Schiff auf die weißen Häuser des Hafenstädtchens zuglitt.

      Dan O’Flynn befaßte sich noch einmal mit den Karten. Ben und Shane und ein paar andere schauten ihm dabei über die Schultern. Hasard brauchte nicht mehr auf das Kartenmaterial zu sehen, er kannte es inzwischen in- und auswendig.

      „Da wären wir also“, sagte Old O’Flynn sinnigerweise. „Und was jetzt?“

      „Wir haben die Wahl“, erklärte Don Juan de Alcazar. „Entweder segeln wir auf dem Euphrat oder auf dem Tigris weiter.“

      Old O’Flynn grinste wie der Teufel persönlich. „Was du nicht sagst.“

      „Nach Backbord in den Euphrat“, sagte der Profos. „Es ist doch letztlich egal, welchen Kurs wir wählen, was, wie? Oder ist jemand anderer Meinung? Oder hast du schon einen Plan, Sir?“

      „Ich bin für Steuerbord“, sagte der Kutscher.

      „Tigris?“ fragte Mac Pellew. „Warum das?“

      „Der Euphrat bringt nichts Gutes.“

      „Das finde ich auch“, pflichtete der alte O’Flynn dem Kutscher bei. „Wenn ich bloß an den Euphrat denke, juckt es bei mir im Beinstumpf. Das ist ein ganz schlechtes Zeichen.“

      Der Kutscher zog die Augenbrauen ein wenig hoch – kaum merklich. Dann erklärte er: „Tatsache ist, daß an den Ufern des Euphrats Babylon liegt.“

      „Babylon?“ wiederholte Batuti. „Davon habe ich schon mal irgendwo gehört.“

      Don Juan lachte. „Diejenigen von euch, die lesen können, sollten öfter mal einen Blick in die Bibel werfen.“

      „Warum haben wir Pater David nicht dabei?“ rief Smoky. „Der könnte uns weiterhelfen! Kutscher, spann uns nicht so auf die Folter!“

      „Ja, du Schlaukopf“, sagte auch Carberry grimmig und rückte dabei drohend auf den Kutscher zu. „Laß dir die Würmer nicht einzeln aus der Nase ziehen. Was ist los mit Babylon? Ist das Bagdad?“

      „Nein“, erwiderte der Kutscher mit weisem Gesicht. „Aber es ist die Mutter der Hurerei und aller Greuel auf Erden – jedenfalls nach der Offenbarung des Johannis.“

      Die Mienen der Männer waren verzückt. Palaver entstand. Alle riefen durcheinander. Die meisten hatten das Wort „Hurerei“ aufgeschnappt und drängten jetzt darauf, sofort nach Babylon zu segeln.

      „Na, so was!“ röhrte auch der Profos. „Sir, ich bin unbedingt dafür, diese Stätte zu besichtigen, wenn ich das mal so ausdrücken darf!“

      „Du darfst es“, sagte der Seewolf. „Aber …“

      „Vielleicht treffen wir dort auch auf diesen Johannis!“ rief Higgy. „He, das muß ein feiner Kerl sein, wenn er so was geschrieben hat!“

      „Der Johannis ist mir egal, mir geht’s um die Ladys!“