Seewölfe Paket 28. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954399963
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für Reisen dieser Art.“

      „Na gut, na gut“, sagte Carberry einigermaßen beschwichtigt. „Wir können nicht immer nur die Dons überfallen und ihre Galeonen von den Masttoppen bis zum Kielschwein ausnehmen, das sehe ich ein. Wir können auch nicht immer nur andere Leute retten. Aber, zum Henker, wir können auch nicht monatelang nur öde Gegenden wie diese auskundschaften.“

      „Willst du meckern, Ed?“ fragte der Seewolf freundlich.

      Der Profos blickte seinen Kapitän entsetzt an. „Was? Ich doch nicht!“

      „Dann laßt uns das Thema wechseln“, sagte Hasard. „Wir können ja sehen, was der morgige Tag bringt. Ich schätze, daß wir Korna noch am Vormittag erreichen. Dann entscheiden wir, was wir weiter tun. Wie wäre es jetzt mit einem kleinen Umtrunk?“

      „Einverstanden, Sir“, antworteten die Männer.

      „Mac“, sagte der Seewolf. „Hiermit verordne ich als Seelenmedizin eine Extraration Brandy. Doppelt, verstanden?“

      „Aye, Sir.“ Mac war schon in der Kombüse verschwunden.

      „Das gleiche empfängt nachher noch mal die Wachablösung“, sagte der Seewolf.

      Er wußte, daß er seinen Mannen moralisch ein wenig auf die Beine helfen mußte. Die Schwemmlandebene wirkte sich in gewisser Weise deprimierend auf sie aus. Und nicht nur auf sie – ihm ging es, wenn er ganz ehrlich war, genauso.

      Es war ein seltsames, bedrückendes Land, feucht und schwül. Der Nacht fehlten die typischen Laute wie das Zirpen von Zikaden, das Quaken von Fröschen, das Kreischen der Nachtvögel. Gespenstische Stille herrschte. Alles schien tot oder verlassen zu sein.

      Es war nur gut, bald nach Korna zu gelangen. Vielleicht sah die Welt dort schon wieder etwas besser aus.

       2.

      Die Kerle wollten mit ihren Guffas umdrehen und den Schauplatz des Schreckens verlassen. Doch Ebel Schachnam, ihr couragierter Anführer, war damit absolut nicht einverstanden. Er griff nach dem Arm der Frau – richtiger, des Mädchens, denn sie erschien ihm immer jünger, trotz der scheußlichen Grimasse, die sie schnitt, als sie schrie.

      Das Frauenzimmer dachte auch jetzt nicht daran, seine Hilfe anzunehmen. Vielleicht ahnte sie, was ihr blühte, wenn sie diesen Halunken in die Hände fiel? Daß es besser war, in dem Morastloch zu ersaufen, als von diesen Galgenstricken verschleppt zu werden? Sicherlich sagte ihr der Verstand, daß sie nur vom Regen in die Traufe geriet, wenn sie sich diesen Strolchen anvertraute.

      Also riß das „Sumpfweib“, wie einige der Kerle sie schon insgeheim getauft hatten, ihren Arm mit einem gellenden Schrei zurück. Sie spuckte und zischte und bewegte sich heftig, schaffte es aber auch jetzt nicht, sich aus dem Loch zu befreien.

      Eine Teufelin – und eine Giaur, eine Ungläubige noch obendrein, wie ihre fremde Sprache bewies. Unmöglich konnte sie zu Allahs gläubigen Kindern gehören. Dazu war ihre Haut zu weiß und ihr Haar zu blond.

      Es war ein Rätsel, daß sie ausgerechnet hier, am Tigris, aufgetaucht war. Wer war sie, wie gelangte sie hierher? Nur die Mächte des Dunkeln, die in dieser wie in keiner anderen Nacht aktiv waren, konnten sie hierher befördert haben.

      Ebel, der Bärtige, wurde jetzt richtig wütend. Mit einem heiseren Aufschrei beugte er sich weit vor und griff mit beiden Händen nach der Widerspenstigen.

      Inzwischen hatten die Schnapphähne in dem Häuptlingsguffa jedoch begonnen, rückwärts zu paddeln. Die Distanz zwischen Ebel und der „blonden Hexe“ vergrößerte sich also zwangsläufig, was zur Folge hatte, daß Ebel nun tatsächlich aus seinem Ruderboot kippte. Er landete im flachen Wasser. Das Guffa schaukelte. Die Kerle fluchten und grölten. Die „Sumpfhexe“ kreischte ohrenbetäubend.

      Ebel Schachnam richtete sich wie ein zottiger Bär auf und war versucht, sich auf seine Besatzung zu stürzen, um einen nach dem anderen von den verdammten Idioten zu ersäufen. Doch die Verlockung, die von dem zappelnden Weib ausging, war zu groß. Mit zwei Schritten war er bei ihr und packte sie.

      Das Mädchen kratzte und biß, doch Ebel verpaßte ihr eine klatschende Maulschelle. Sie heulte auf, kriegte aber doch Angst. Er zerrte sie aus dem Wasserloch und schleppte sie zum Guffa.

      „Ich habe sie, ihr Drecksäcke!“ brüllte er. „Los, übernehmt sie, oder ich schneide euch die Zungen aus euren stinkenden Hälsen!“

      Zwar zögerten einige von den Piraten noch. Aber die meisten – allen voran natürlich Güner – hatten inzwischen begriffen, daß das Mädchen doch ein richtiger Mensch war. Ebel hatte mit seiner Ohrfeige bewiesen, daß man auch eine Besessene zur Räson bringen konnte.

      Güner packte zu und zog die Blondine ins Boot. Auch die anderen griffen jetzt mit zu. Und der Grinser konnte schon wieder kichern. Plötzlich bereitete es den Kerlen einen Riesenspaß, das nasse Mädchen bei sich im Guffa zu haben.

      Ebel Schachnam stieg zurück an Bord und brüllte: „Los jetzt! Zurück zum Lager! Wird’s bald, ihr Kamele?“ Um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, bückte er sich und kramte eine zusammengerollte Peitsche unter dem Stroh hervor.

      Die Peitsche bestand aus roh gegerbtem Büffelleder, das am dünneren, also vorderen Ende geflochten war. Dieser Zopf verursachte besonders große Schmerzen, wenn er auf nackte Haut traf. Ebel ließ die Peitsche einmal durch die Luft pfeifen und knallen, und schon duckten sich die Kerle. Auch die „Sumpfhexe“ kauerte sich auf dem Bootsboden zusammen und deckte ihren Kopf schützend mit den Händen ab.

      Die Flußräuber paddelten, als säßen ihnen sämtliche Dämonen der Hölle im Nacken. Bald war das Lager erreicht. Das Mädchen richtete sich plötzlich auf und wollte fliehen. Aber Güner bemerkte es rechtzeitig. Er packte ihre Schultern und drückte sie auf den Boden zurück.

      „Du bleibst hier“, sagte er rauh.

      „Gut gemacht, Güner“, lobte Ebel seinen Unterführer.

      Der Kurde äußerte nichts weiter. Er spürte den warmen, weichen Körper des Mädchens unter sich. Heißes Verlangen stieg in ihm auf. Wenn Ebel Schachnam dieses Weib besessen hatte, gehörte sie ihm – für den Rest der Nacht.

      Die Flußräuber legten im Ufergestrüpp an, stiegen aus und zogen die Guffas zum Trocknen an Land. Diejenigen, die als Wachtposten im Versteck geblieben waren, eilten herbei. Sie staunten nicht schlecht, als sie sahen, wie Ebel und Güner das Mädchen herbeischleppten.

      Sie zappelte wieder und stieß kleine, spitze Schreie aus. Die Pferde wieherten und stampften mit den Vorderhufen. Die Kerle lachten roh. Es herrschte Aufruhr im Schlupfwinkel. Die Schnapphähne rannten sich vor lauter Vorfreude beinah selbst über den Haufen.

      Einer der Flußräuber stolperte und stürzte ins Feuer. Er überrollte sich und heulte vor Schmerz. Die anderen grölten vor Begeisterung. Ebel Schachnam selbst konnte sich ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen.

      Die Hütten, in denen die Kerle hausten, duckten sich jenseits des Lagerfeuers, etwa dreißig Schritte vom Ufer entfernt, unter den Wipfeln von mächtigen Dattelpalmen. Ganze Wälder solcher Palmen gab es in dieser Gegend.

      Die Hütten waren grob zusammengezimmert. Viel Sorgfalt hatten die Piraten nicht aufgebracht, die Behausungen wirkten alles andere als solide und wetterfest. Doch innen waren sie mit Stroh ausgelegt. Die Dächer bestanden aus Matten und getrocknetem Pferdemist.

      Ebel und Güner schleiften das fremde Mädchen in die Häuptlingshütte und stießen sie auf den Boden. Das Mädchen versuchte, zwischen den Beinen des Anführers hindurchzukriechen und die Tür zu erreichen, aber Ebel Schachnam versetzte ihr einen Tritt, der sie gegen die Wand beförderte.

      Wimmernd blieb das Mädchen liegen. Ebel wollte sich schon auf sie werfen, doch ihm fiel noch etwas ein.

      „Hol Wein!“ fuhr er seinen Unterführer an. „Du weißt, wo ich ihn versteckt habe!“

      „Sollen