Seewölfe Paket 9. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954394982
Скачать книгу
Andrés Nortes de Checa zu sich in die Kapitänskammer des Achterkastells zu holen.

      Der erste und der zweite Offizier der „Gran Duque de Almeria“, der Bootsmann, der Profos und der Waffenmeister Luis Benavente waren mit dabei, als der Gefangene seinem Kapitän von zwei starken Decksleuten vorgeführt wurde.

      Don José, vor Zorn weiß im Gesicht, saß hinter seinem Pult und fixierte den Delinquenten.

      „De Checa“, begann er. „Versuche gar nicht erst, dich herauszureden. Du hast dies alles angezettelt.“

      Andrés sah Don José an und hielt dessen Blick stand. Ihm war aus Sorge um Florinda entsetzlich elend zumute, aber so weit, daß er den Kopf hängen ließ und völlig resignierte, war es mit ihm doch noch nicht.

      „Senor Capitán“, sagte er. „Ich gestehe meine Schuld voll ein. Ich habe meine Geliebte, die ich mit in die Neue Welt nehmen wollte, in Cadiz an Bord dieses Schiffes geschmuggelt und im Kabelgatt versteckt. Ich habe das in einem Moment getan, in dem die Ankerwache gerade mit zwei Seeleuten zu tun hatte, die volltrunken an Bord zurückkehrten – und ich glaubte wirklich, kein Mensch hätte Florinda gesehen, keiner würde sie je finden. Daß ich ein riesengroßer Narr gewesen bin, sehe ich jetzt ein. Ich weiß, daß es keinen Sinn hat, Sie um Verzeihung zu bitten, Senor. Auf Gnade habe ich kein Anrecht. Ich trage alle Konsequenzen. Nur um eins flehe ich Sie an: Holen Sie Florinda auf dieses Schiff zurück, schützen Sie sie.“

      „Wir haben inzwischen bemerkt, daß wir vor der Insel Sao Miguel liegen“, entgegnete Don José. „Dorthin ist dein Mädchen allem Anschein nach geschwommen.“

      „Sie wird dort umkommen …“

      Der Kapitän schlug mit der Faust auf sein Pult. „Das geschieht dir recht! Sie wollte unser Schiff in Brand stecken!“

      „Das ist nicht wahr …“

      „Und gestehe auch, daß sich auf der verfluchten Galeone, die unser Beiboot angriff, eure Komplicen befinden. Was hattet ihr überhaupt vor? Wolltet ihr durch ein raffiniertes Komplott bei Nacht diese Galeone kapern?“

      „Komplicen? Komplott? Wovon reden Sie überhaupt?“ rief Andrés entsetzt aus.

      „Du weißt es!“ brüllte nun Luis Benavente los. „Spiel nur nicht den Ahnungslosen. Wir wissen jetzt, was für ein dreckiger Lump du bist!“

      „Benavente!“ schrie Don José Manuel Ramos. „Ich verbiete Ihnen, in solch einem Ton …“

      „Und du?“ fuhr Andrés den Waffenmeister an. „Wer hat mich denn heute abend mit Rioja betrunken gemacht? Was hattest du wirklich vor, nachdem du Florinda im Kabelgatt entdeckt hattest?“

      „Ich habe keine Ahnung, von was du sprichst, du Bastard“, gab Benavente in derselben Lautstärke wie vorher zurück. „Versuche bloß nicht, uns abzulenken. Du bist ein ausgekochter Freibeuter, der sich hier an Bord geschlichen hat, und was deine Freundin betrifft, dieses Hurenstück, so übertrumpft sie dich sogar noch …“

      Andrés wollte sich auf Benavente stürzen. Er holte mit den Ketten, die seine Hände fesselten, aus, um den Mann niederzuschlagen. Der erste und der zweite Offizier gingen jedoch dazwischen, und die Decksleute hielten Andrés an den Schultern und Armen zurück. Don José fuhr von seinem Platz hoch, als Benavente nun seinerseits Anstalten traf, mit den Fäusten auf den Gefangenen einzudreschen.

      „Aufhören!“ herrschte er den Waffenmeister an. „Was fällt Ihnen ein, sich hier so aufzuführen, Benavente? Es ist eine Unverschämtheit von Ihnen, einfach in die Vernehmung einzugreifen.“

      „Senor, ich …“

      „Und überhaupt, ich möchte jetzt wissen, was es mit dem Rioja auf sich hat, vom dem de Checa eben gesprochen hat.“

      Benavente ließ die Arme baumeln und holte tief Luft. Er wollte zu einer Rechtfertigung und Ausrede ansetzen, kam aber nicht mehr dazu, weil jetzt die Schreie Florindas von der Insel herüberklangen – selbst gegen den Nordwind noch laut genug, um bis in die Kammer des Kapitäns zu dringen.

      „Mein Gott“, stieß Andrés hervor. „Sie ist in Gefahr! Das ist das Ende! Laßt mich zu ihr, laßt mich frei, ich will mit ihr sterben!“

      Er trat einem seiner Bewacher gegen das Schienbein, versuchte sich loszureißen und kämpfte derart wild, daß es ihm auch fast gelang. Der zweite Offizier trat auf einen Wink des Kapitäns hin jedoch vor und rammte ihm die Faust unters Kinn. Sofort brach Andrés zusammen.

      „Anders ging es nicht“, sagte Don José. „Sperrt ihn wieder in die Vorpiek.“

      „Si, Senor“, erwiderten die Decksleute.

      „Profos“, sagte Don José. „Alle Mann an Deck, wir setzen Großsegel, Fock und Blinde und laufen die Insel an. Wir machen gefechtsklar und stoßen so weit wie möglich vor.“ Er lauschte kurz den Schreien, die immer noch andauerten, dann fügte er hinzu: „Trotz der Gefahren, die sich uns bieten, werden wir versuchen, zu landen. Ich kann es nicht verantworten, daß diesem Mädchen ein Unheil geschieht. Ja, es ist sogar meine Pflicht, sie zu retten und zurück nach Cadiz zu bringen, denn sie ist immerhin eine spanische Bürgerin – ganz gleich, ob sie irgendwie schuldig geworden ist.“

      Der Zuchtmeister zeigte klar und ging, die Offiziere schlossen sich ihm an. Don José entließ auch Luis Benavente mit den Worten: „Wir sprechen uns später noch, Benavente. Überlegen Sie sich ganz genau, was Sie mir dann antworten. Ich will die Wahrheit hören und endlich Klarheit in diese Angelegenheit bringen.“

      „Si, Senor“, erwiderte der Waffenmeister untertänigst. Damit verschwand er aus der Kammer.

      Wenig später hatte die Galeone den Weg durch die Passage gefunden und lief, den Schreien des Mädchens folgend, in die Bucht der Insel ein. Don José hatte die Hecklaterne löschen lassen, und die Dunkelheit umhüllte die „Gran Duque de Almeria“ wie ein schützender Mantel.

      Don José hatte sich auf das Vordeck begeben und seinen Männern befohlen, sich still zu verhalten. Er selbst stand schweigend und mit aufgestützten Händen an der vorderen Schmuckbalustrade der Back und hörte zu, wie der Mann mit dem Senkblei gedämpft immer wieder die Wassertiefe bekanntgab.

      Eine geräumige Bucht war es, in die sie eingedrungen waren. Es schien keine Untiefen zu geben. In diesem Punkt fühlte Don José Manuel Ramos sich ziemlich beruhigt, doch es gab etwas anderes, das ihm – außer dem Geschrei des Mädchens – Sorgen bereitete.

      Die fremde Galeone, die das Beiboot der „Gran Duque“ überfallen hatte – wo steckte sie?

      Hatte sie etwa auch in diese Bucht verholt?

      Konnte man nicht jeden Augenblick mit ihr zusammentreffen?

      Don José spürte, wie sich sein Herzschlag bei diesem Gedanken beschleunigte. Im nächsten Moment wurde seine Aufmerksamkeit jedoch ganz durch das Schreien von Florinda Martinez Barrero in Anspruch genommen. Es hatte kurz aufgehört und setzte jetzt wieder ein.

      „Wir befinden uns auf einer Höhe mit ihr“, murmelte der Kapitän.

      „Wir brauchen nur nach Backbord zu drehen und laufen genau auf sie zu“, sagte der erste Offizier, der zu ihm auf die Back gestiegen war.

      „Anluven“, befahl Don José. „Wir nehmen östlichen Kurs und tasten uns an das Ufer der Bucht.“

      Kurz darauf lag die Galeone mit Backbordhalsen am Nordwind und glitt über Steuerbordbug segelnd mit vorsichtiger Fahrt auf das Buchtufer zu.

      Es ist eine Falle, Hölle, eine verfluchte Falle, dachte Luis Benavente, der auf der Kuhl das Laden und Ausrennen der Geschütze leitete. Er hütete sich aber, den Kapitän zu warnen, denn nach seinem unbeherrschten Auftreten in der Achterdeckskammer und den Worten von Andrés war er in der Gunst seines Kapitäns erheblich gesunken.

      Wie recht Benavente indes mit seinem Verdacht hatte, ahnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

      8.