Seewölfe Paket 9. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954394982
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auszudenken, die das Mitgefühl erregte, einen Bericht beispielsweise, in dem sie sich als Schiffbrüchige schilderte und mit keinem Wort erwähnte, daß sie als blinder Passagier an Bord der „Gran Duque de Almeria“ gereist war – aber da richtete der Schwarzbärtige auch schon seine rauhe, unangenehme Stimme direkt an sie.

      „Helfen? Ja, helfen werden wir dir, Mädchen, aber merk dir das eine: wir sind keine barmherzigen Samariter. Bei uns sieht die Nächstenliebe und freundschaftliche Unterstützung etwas anders aus als bei weichherzigen Christennaturen, besonders, wenn’s um ein herzhaftes Stück Weiberfleisch wie dich geht.“

      Die anderen lachten begeistert und amüsiert.

      Florinda wußte jetzt, daß sie vom Regen in die Traufe geraten war. Sie drehte sich rasch um, um an der Schaluppe vorbei ins Wasser zu laufen. Sie wollte den See oder die Bucht oder die Lagune – was immer es war – schwimmend überqueren, um die zerlumpten, wilden Kerle abzuhängen. Aber da sprang der, der sich vorher unter den Duchten versteckt hatte, auch schon auf, jumpte über das Dollbord und stürzte sich auf sie.

      Er packte ihre Schultern und riß sie hart am Rand des Wassers mit sich zu Boden. Sie biß und kratzte, aber es nutzte ihr nichts, er hatte sie hart im Griff und lachte nur über ihre verzweifelten Verteidigungsversuche.

      „Das genügt, El Grullo“, sagte der Schwarzbart. „Stell sie jetzt wieder auf die Beine.“

      El Grullo richtete sich wieder auf und zerrte Florinda mit sich hoch. Er betrachtete sie mit unverhohlener Begierde von oben bis unten und sagte heiser: „Laß mich ihr die paar Fetzen herunterreißen, die sie auf dem Leib trägt, Jefe. Ich will mir anschauen, wie sie gebaut ist.“

      Der Mann mit dem schwarzen Bart und dem dunklen Tuch um den Kopf trat dicht vor sie beide hin. „Nein, das sparen wir uns für später auf, Amigo. Vergiß nicht, was wir uns in den Kopf gesetzt haben. Wir wollen die Galeone in die Bucht locken, und wenn wir nicht gleich damit anfangen, läuft sie uns noch davon. Das Mädchen hier läuft uns aber nicht mehr davon.“

      „Darauf achten wir schon!“ rief El Grullo. „Du hast recht, Barbante, das Schiff ist jetzt wichtiger als jeder Spaß, den wir uns mit dem Weibsbild machen können.“

      „Außerdem werdet ihr sie zunächst mir überlassen“, erklärte Barbante in einem Tonfall, als sei das Mädchen sein Eigentum. „Ich als euer Anführer habe das Recht, sie als erster in meine Hütte zu holen. Danach habt ihr immer noch genug Zeit, euch mit ihr zu vergnügen.“

      Florinda Martinez Barrero wand sich unter dem Griff des bärenstarken El Grullo. Ihr Blick huschte über die Gestalten der Kerle, die alle näherrückten und sie grinsend betrachteten.

      „Barbante“, sagte sie. „Töte mich. Du wirst es nie schaffen, das mit mir zu tun. Lieber bringe ich mich selbst um …“

      „Und ich lasse es nicht zu, du feurige Andalusierin.“ Er fixierte sie. Das hämische Lächeln, das er vorher aufgesetzt hatte, verschwand aus seinen Zügen. „Ich weiß, zu was du in deinem Stolz fähig wärst, denn ich stamme aus derselben Region wie du, wie du wohl auch an meiner Aussprache hörst.“

      „Ein echter Andalusier kann sich einer Mißgeburt wie dir nur schämen und dir ins Gesicht spucken!“ schrie sie.

      Er packte ihren Hals und drückte nur ein wenig zu. „Ich weiß, daß du von dem Schiff kommst, das dort draußen liegt. Der Kapitän sucht dich, nicht wahr? Du wirst mir erzählen, warum er hinter dir her ist. Alles über dein Schiff wirst du verraten, und dann wirst du schreien, um diesen Narren von einem Capitán mit seinem Schiff in diese Bucht zu locken, oder ich lasse meine Männer auf dich los, einen nach dem anderen.“

      „Das darfst du nicht. Das wagst du nicht“, keuchte sie.

      „Sieh mich an“, sagte er, ohne sie loszulassen. „Ich bin der Herr dieser Insel, ein König ganz besonderer Art. Es gibt nichts, vor dem ich zurückschrecke. Glaubst du mir etwa nicht? Muß ich es dir erst beweisen?“

      „Ich glaube es dir“, würgte sie hervor.

      „Und du wirst keine Beleidigung mehr sprechen?“

      „Nein, ich werde es nicht mehr tun …“

      Er ließ sie los. „Rede jetzt. Wie heißt das Schiff, woher kommt es, was ist sein Ziel? Wie viele Männer befinden sich an Bord, wie sieht es mit der Armierung aus, welche Ladung führt der elende Zuber? Nun sprich schon.“

      Und Florinda begann zu reden. Sie gab unter der Drohung, die wie ein unsichtbares Schwert über ihr schwebte, alles preis, was sie über die „Gran Duque“ wußte. Anschließend schilderte sie, wie sie an Bord der Galeone gelangt war.

      Weder Barbante noch einer seiner Spießgesellen unterbrach sie auch nur einmal. Als sie am Ende angelangt war, nickte Barbante nur und sagte: „Gut. Ganz ausgezeichnet sogar.“

      Er zückte plötzlich sein Messer und drückte es ihr gegen die Kehle, während El Grullo sie unverändert in seinem Klammergriff hielt. Florinda stöhnte auf, als sie das kalte Eisen der scharf geschliffenen Waffe an ihrem Hals spürte.

      „Schrei!“ fuhr Barbante sie an. „Schrei, so laut du kannst, dann bleibst du unversehrt, Mädchen!“

      Florinda begann zu schreien.

      Die „Isabella“ war ziemlich nah an der kanalähnlichen Zufahrt zur Bucht vorbeigesegelt. Den scharfen Augen von Dan O’Flynn war die Passage nicht entgangen. Er war aufs Achterdeck zurückgekehrt, um Hasard seine Entdekkung zu melden.

      Der Seewolf hatte daraufhin gesagt: „Eine Flußmündung oder die Durchfahrt in eine Bucht oder Lagune. Auf den Azoren-Inseln gibt es schöne große Buchten, ich könnte mir gut vorstellen, daß wir da die Öffnung eines natürlichen Hafens vor uns gehabt haben.“

      „Wir könnten versuchen, hindurchzumanövrieren“, hatte Dan vorgeschlagen. „Wir täten ein gutes Werk, wenn wir das Mädchen suchen würden.“

      „In der Bucht oder Flußmündung säßen wir aber in der Falle“, hatte der Seewolf ihm darauf geantwortet. „Vergiß nicht die Galeone der Dons. Ihr Kapitän würde uns liebend gern an die Gurgel gehen. Ich wette, er tastet sich an Sao Miguel heran und sucht die ganze Nacht über weiter – nach dem Mädchen und nach uns.“

      Dan kratzte sich am Hinterkopf. „Verdammt, die Dons hatte ich eben total vergessen. Ja, was tun wir denn da?“

      „Es ist überhaupt die Frage, wie wir uns verhalten, wenn wir das Mädchen tatsächlich noch finden“, sagte nun Ben Brighton. „Wir können sie doch schlecht zu uns an Bord nehmen.“

      Dan grinste. „Vielleicht ist sie ja gar kein Mädchen, sondern eine häßliche alte Frau mit Falten und Warzen im Gesicht. Die würde doch keine Gefahr darstellen, oder?“

      „Hör auf, so idiotischen Kram zu reden!“ rief sein Vater aus dem Ruderhaus. „Ich finde das ganz und gar nicht angebracht. Außerdem soll man das Alter ehren.“

      „Alle mal herhören“, sagte Hasard. „Natürlich bin ich bereit, etwas für die mysteriöse Frau zu tun, ihr zumindest Proviant und Trinkwasser dazulassen oder ihr einen Schlupfwinkel auf der Insel einzurichten. Andererseits reicht es mir aber schon, daß Pete die Musketenkugel abgekriegt hat. Ich will jetzt keine weiteren Risiken wegen dieser undurchsichtigen Geschichte eingehen. Das Beste wäre es, nicht noch einmal mit den Dons zusammenzustoßen.“

      „He!“ erwiderte Ferris Tucker verblüfft. „Sag bloß, du willst denen gegenüber einen Rückzieher machen?“

      „Ich will mich nicht völlig grundlos mit ihnen auf ein Gefecht einlassen, das ist alles. Ihren Denkzettel wegen der Sache mit Pete haben sie ja erhalten.“

      „Und was tun wir nun?“ erkundigte sich Big Old Shane. „Hölle, wir können dieses Mädchen – diese Frau doch nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Das wäre ganz gegen unsere Art.

      „Eine verzwickte Situation“, sagte der Seewolf. „Vielleicht ist es ratsam, erst mal die Insel zu runden und …“