Seewölfe Paket 9. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954394982
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und hatte die Muskete angelegt. „Sie sind schon auf Schußweite heran. Wir können sie mühelos aus dem Kahn herausputzen.“

      „Ich will, daß sie aussteigen“, murmelte Barbante. „Ich will, daß sie alle sterben. Alle.“

      „Und was, wenn sie vorher unsere Schaluppe entdecken?“

      Die einmastige Schaluppe – das dritte Boot in Barbantes winziger Flotte – lag etwas weiter nördlich auf dem Sandstrand. Zwei Mann waren als Bewacher dort geblieben, nachdem die Piraten sich getrennt hatten. Sobald Barbante sein erstes heimtückisches Überfallunternehmen abgewickelt hatte, wollte er mit seinem neunköpfigen Trupp aus dem Dickicht zur Schaluppe stürmen, sie ins Wasser schieben und zum eigentlichen Enterangriff auf die Galeone ansetzen.

      El Grullo, Josefe und vier andere waren mit der zweiten Schaluppe zum Westufer aufgebrochen, um einen Bogen zu fahren und dann kreuzend oder hoch am Wind liegend der Galeone in die Seite zu fallen. Corona und fünf seiner Begleiter mußten die Pinasse, die sie zum Südufer gebracht hatte, längst verlassen haben. Sie sollten das Mädchen ins Lager bringen, damit sie ja nicht verletzt wurde. Das geschah nicht aus Menschlichkeit oder Mitgefühl, sondern deshalb, weil Barbante „noch etwas mit ihr vorhatte, zu dem sie im verwundeten Zustand nicht mehr fähig war“. Corona und seine Männer sollten obendrein die Serpentinen bedienen, die beim Überfall auf die „Gran Duque“ mit eingesetzt werden sollten.

      Anselmo und ein zweiter Pirat kreuzten mit der Pinasse zurück zur Galeone, um sie ebenfalls unter Beschuß zu nehmen.

      So einfach war das Ganze – und doch hatte sich Barbante, der Glücksritter und Pirat, gründlich verrechnet.

      Plötzlich zerriß der erste Kanonenschuß die Stille. Irgendwo weiter südlich klatschte die Kugel ins Wasser, und Barbante und seine Kerle wie auch die Männer der spanischen Galeone konnten Anselmo und den anderen Mann aus der Pinasse aufschreien hören.

      „Verdammt, was ist denn jetzt los?“ stieß Barbante entgeistert aus.

      Die Männer in der Jolle, die von dem ersten Offizier der „Gran Duque“ geführt wurden, hörten auf zu pullen. Auf einen Zuruf ihres Kapitäns hin begannen sie, die Lichter zu löschen und ein Wendemanöver auszuführen.

      „Verdammt, die hauen wieder ab!“ zischte der Musketenschütze neben Barbante. „Wir dürfen sie nicht entwischen lassen.“

      In diesem Augenblick heulte die zweite Vierpfünder-Kugel los. Die Piraten konnten sie beinah direkt über sich hinwegorgeln hören. Instinktiv zogen sie die Köpfe ein. Erst als die Kugel mit dumpfem Schlag irgendwo im Busch gelandet war, standen sie wieder auf und fingen an, auf die Besatzung der Jolle zu feuern.

      Die Männer der Galeone schossen zurück. Sie waren alarmiert worden und reagierten nun sofort. Das Überraschungsmoment konnte von Barbantes Leuten nicht mehr ausgenutzt werden.

      Ein Seemann brach in der Jolle zusammen und kippte über das Dollbord ins Wasser, ein anderer wurde an der Schulter verletzt. Er krümmte sich stöhnend auf seiner Ducht.

      Barbante wollte mit seiner Meute auf den Strand stürmen, aber er beließ es bei dem Versuch, als er zwei, drei Kerle an seiner Seite stürzen sah.

      „Zur Schaluppe!“ schrie er.

      Er brach aus dem Dickicht hervor und stürmte über den weißen, körnigen Sand. Hinter sich hörte er noch einen Piraten mit gurgelndem Laut zusammenbrechen. Barbante feuerte seine Pistole auf die Jolle ab, schleuderte die Waffe wütend von sich, als er nicht traf, hetzte weiter und sah die einmastige Schaluppe vor sich liegen.

      „Los, wir unternehmen den Angriff auf die Galeone trotzdem!“ rief er den beiden Wachtposten zu. Sie hatten sich hinter dem Rumpf verschanzt und zeigten ratlose, verstörte Mienen.

      Die Überlebenden des Schußwechsels trafen jetzt ebenfalls ein. Gemeinsam schoben die Piraten die Schaluppe ins Wasser der Bucht.

      „Corona muß sich völlig verschätzt haben, daß er wie ein Wilder mit den Serpentinen durch die Gegend feuert“, keuchte Barbante. „Oder er ist wahnsinnig geworden. Dafür wird er noch bezahlen, das schwöre ich euch, das büßt er mir, der Hund.“

      Sie kletterten in die Schaluppe, setzten die Segel und nahmen Kurs auf die „Gran Duque de Almeria“. Barbante arbeitete sich bis zu der Drehbasse im Bug vor. Geladen war die Kanone, und auch ein kleines Becken mit glimmender Holzkohle stand bereit. Es gab genug Pulver und Munition an Bord.

      Die Männer der Jolle hatten jetzt sämtliche Laternen gelöscht, aber Barbante konnte das Boot trotzdem noch erkennen, wie es die Wende vollzog und dann schneller werdend zum Schiff zurückglitt. Der erste Schuß der Drehbasse, so nahm er sich vor, sollte dieser verdammten Jolle gelten.

      Mit grimmiger Miene richtete er das Geschütz auf das Boot.

      10.

      Mit Drehbassen wußten auch die Seewölfe umzugehen. Al Conroy, Hasards Waffenexperte, stand bereits seit dem Einlaufen in den natürlichen Kanal hinter den beiden Hinterladern der Back parat und spähte angestrengt in die Nacht.

      Carberry hatte sich neben ihm aufgebaut. Er hatte sich einen Vorrat an Höllenflaschen verschafft, die er den Piraten „unter ihre Affenärsche“ zu schleudern gedachte. Es gab zwar auch ein Katapult zum Verfeuern dieser Flaschenbomben, aber das war Ferris Tuckers Spezialität. Schließlich hatte er das Ding gebastelt – er konnte auch am besten damit umgehen. Der Profos verließ sich lieber auf seine Muskelkraft und sein Zielvermögen.

      Klar zum Gefecht segelte die „Isabella“ vor dem Nordwind in die Bucht – und jetzt blitzten drüben auf den Hügeln die Mündungsfeuer der Serpentinen auf. Gleich darauf krachten am Ostufer Musketen und Tromblons. Das Gefecht hatte begonnen.

      Ben Brighton hatte vorsichtshalber die Hecklaterne entfachen lassen. Er wußte zwar, daß er somit den Piraten eine Zielscheibe bot, aber er durfte auch nicht außer acht lassen, daß der Seewolf und sein Landtrupp die „Isabella“ ohne Licht in der stockfinsteren Nacht nicht sehen konnten.

      Plötzlich aber riß die Wolkendecke ein wenig auf, und ein bleicher Mond zeigte sein Antlitz. Gary Andrews und Bill, die nach wie vor auf ihren Ausguckposten hockten, konnten in diesem Moment mehr von ihrer Umgebung erkennen – und Gary war es, der als erster die einmastige Schaluppe an Backbord der „Isabella“ entdeckte.

      Sein Ruf schallte zum Deck hinunter.

      Barbante, der ganz auf sein Vorhaben konzentriert war, die Jolle in Stücke zu schießen, wandte erst jetzt, da hinter seinem Rücken auch die Piraten auf die heranrauschende Galeone aufmerksam wurden, den Kopf.

      „Streich die Flagge, Felipe!“ schrie Carberry ihm in seinem schauderhaftesten Spanisch zu. „Du hast keine Chance gegen uns!“

      Barbante schwenkte die Drehbasse mit einem mörderischen Fluch so weit herum, daß ihre Mündung auf die Bugpartie der „Isabella“ wies. Er zündete, der Schuß raste brüllend aus dem Lauf und stach auf die Galion der Galeone zu. Es krachte und knirschte, Splitter flogen. Barbante lud mit, fliegenden Fingern nach, während seine Kumpane das Musketenfeuer auf den Gegner eröffneten.

      Im selben Augenblick schleuderte Carberry mit einem Fluch, der noch viel übler ausfiel als der des Piratenführers, eine der Höllenflaschen. Die tanzte in wilder Flugbahn durch die Luft, senkte sich auf die Schaluppe und kollerte den Freibeutern zwischen die Füße.

      Al Conroy zündete die Drehbasse auf der Backbordseite. Das Geschütz und die Flaschenbombe gingen zur selben Zeit los. Ein gewaltiger Donner, der in erster Linie natürlich durch die detonierende Flasche hervorgerufen wurde, rollte über die Bucht. Die Schaluppe der Piraten wurde regelrecht zerfetzt, im Aufflammen der Explosion wirbelten Trümmerteile und Menschen durch die Luft.

      Barbante, der Glücksritter und Pirat, fühlte sich wie von einer unsichtbaren Macht angehoben. Er sah die Masten der „Gran Duque de Almeria“, des Schiffes, dessen Eroberung er schon so sicher gewesen war – es war die letzte Sinneswahrnehmung in seinem Leben, bevor die Dunkelheit