Seewölfe Paket 9. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954394982
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unversehens die Hand.

      „Moment mal“, sagte er. „Das kann nur Dubhdara O’Malla mit seiner Bande gewesen sein. Hölle, wenn der auch auf das Schiff scharf ist, müssen wir uns beeilen. Dieser irische Hurensohn darf uns den dicken Brocken nicht wegschnappen, auf gar keinen Fall. Hölle und Teufel, ich habe schon immer gesagt, man müßte mit genügend Schiffen und Männern auf die Insel Clare übersetzen und es diesen Strandräubern gründlich besorgen. Hol’s der Henker.“

      „Sie sind sicher, daß es sich um die Insel Clare handelt, Sir?“ fragte Harris vorsichtig.

      „Kein Zweifel. Es kann keine andere sein. Nur auf Clare haust ein so tückisches Gesindel wie das, das unser Freund hier soeben beschrieben hat.“ Er musterte Juan Flores prüfend. Bisher hatte er nicht den Eindruck gehabt, daß der Bursche log. Die Angst vor der Folter schien ihm, dem Jüngsten der sieben, ja tief genug in den Knochen zu stecken.

      „Er soll jetzt schildern, was an möglichen Reichtümern auf der ‚Gran Grin‘ liegt“, sagte Bingham.

      Auf Harris’ Übersetzung hin haspelte Juan das, was er sich beim Essen ausgedacht hatte, herunter. „Keine zweihundert Mann Besatzung haben wir mehr an Bord, und die meisten sind völlig entkräftet und krank. Oh, es sieht furchtbar aus auf unserem Schiff, aber wenigstens die Kriegskasse des Geschwaders hat unser Kapitän durch alle Kämpfe, Stürme und Entbehrungen retten können: die Kriegskasse mit fünfzigtausend Goldmünzen und fünfzigtausend Silbermünzen darin, Dublonen, Dukaten, Piaster, Reales und Escudos, so wahr ich hier sitze und Juan Flores heiße. In der Kammer des Zahlmeisters Luis de Bobadilla steht die wertvolle Truhe, ich habe es von unserem zweiten Offizier vernommen, der jetzt nicht mehr lebt. Viele sind gestorben, keiner hat gezählt, wie viele Leichen wir der See übergeben haben, aber die ‚hohen Herren‘ sind noch am Leben, wie es ja meistens so ist.“

      Binghams Gesicht hatte einen verklärten Ausdruck angenommen, jetzt, da er von den insgesamt hunderttausend Münzen der Kriegskasse vernommen hatte. Er lauschte den Erläuterungen seines Dolmetschers hingebungsvoll, unterbrach dann aber wieder.

      „Hohe Herren? Was für hohe Herren meint der Bursche?“

      „Prinz Ascoli“, antwortete Juan auf Harris’ Frage hin wie aus der Pistole geschossen. „Das ist einer von ihnen. Ein Bastardsohn des spanischen Königs, ja, ja, ein Sproß von Philipp II. das können Sie mir glauben. Es wurde streng geheimgehalten, wer er ist, aber wir Decksleute haben es schließlich doch erfahren.“

      Tatsächlich gab es einen Prinzen von Ascoli, und er war auch der „Bastardsohn“ Philipps II. – und dieser Mann hatte die Armada auch wirklich bei der Überfahrt von Spanien nach England begleitet. Nur war er bereits nach dem englischen Branderangriff vor Calais mehr oder weniger zufällig zu dem Herzog von Parma gestoßen und hatte an dem weiteren Kampfgeschehen und der langen Fahrt um die Inseln herum keinen Anteil mehr.

      Was Juan Flores nicht einmal ahnte, was seine an den Haaren herbeigezogene Geschichte aber unverhofft zu bestätigen schien: Seit einiger Zeit hielt sich bei den Engländern in Irland hartnäckig das Gerücht, an Bord eines der spanischen Schiffe, die die Flucht um die Inseln herum angetreten hatten, segelte der Prinz von Ascoli mit.

      Juan trug noch dicker auf: „Und der zweite hohe Herr ist Medina Sidonia – der Herzog! Der General-Kapitän der Armada! In der Nordsee ist er extra deswegen auf unsere ‚Gran Grin“ umgestiegen, weil er persönlich auf das Wohlergehen des Prinzen achten wollte, denn unser König, Senor, Seine Allerkatholischste Majestät Philipp II., hat dies dem Herzog besonders ans Herz gelegt.“

      Bingham wurde es abwechselnd heiß und kalt. Das war ja geradezu ungeheuerlich. Die Kriegskasse, Ascoli, Medina Sidonia – einfach phänomenal! Er, Bingham, konnte nicht nur die Schatztruhe an sich reißen, er konnte auch die beiden Adligen gefangennehmen und für ihre Freilassung von den Spanieren ein dickes Lösegeld erpressen!

      Nur war da als Gegenspieler dieser verdammte O’Malla. Man mußte ihm zuvorkommen.

      Bingham wollte neue Fragen an Juan stellen, aber in diesem Moment wurde an die Tür des Raumes geklopft.

      Auf Binghams unfreundliche Aufforderung hin trat der Lieutenant der Stadtgarde ein.

      „Sir“, sagte er. „Wir haben einen neuen Erkundungsritt unternommen, wie Sie es uns befohlen haben. Wir haben dabei zwar kein spanisches Schiff gesichtet, aber wir haben …“

      „Unwichtig. Ich weiß schon, wo das Schiff liegt“, fiel der Dicke ihm ins Wort.

      „Sir, wir haben aber eine männliche Leiche geborgen, die Sie sich unbedingt einmal anschauen sollten“, fuhr der Lieutenant fort. „Ich bitte Sie darum. Es handelt sich um einen Spanier, dessen Kleidung erstaunlich schwer ist. Er muß wie ein Stein gesunken sein, und es ist schon ein kleines Wunder, daß er nicht auf dem Grund der Bucht liegengeblieben ist, sondern nördlich der Stadt angeschwemmt wurde.“

      Bingham horchte auf. Er erhob sich schwerfällig, winkte seinen Gardisten zu und erteilte auch Harris und Juan Flores die Order, ihn zu begleiten.

      Auf dem Hof war die Leiche behelfsmäig aufgebahrt worden. Juan Flores brauchte nicht zweimal hinzusehen, um sie zu identifizieren.

      „Das ist Luis de Bobadilla, unser Zahlmeister“, erklärte er. „Er hat in der Nacht heimlich das Schiff verlassen und wollte sich wohl an Land retten, aber es ist ihm mißlungen.“

      „Zahlmeister“, wiederholte Bingham murmelnd auf Harris’ Übersetzung hin. „Und er ist ihnen von der Fahne gegangen. Los, Lieutenant, rasch ein Messer her.“

      Mit dem scharfen Messer des Lieutenants schlitzte Sir Richard Bingham die Kleidung des toten Mannes auf – und siehe da, Gold- und Silbermünzen fielen klirrend auf das Pflaster des Hofes.

      Das war der Beweis – Juan Flores hatte nicht gelogen, es gab diese Kriegskasse, de Babadilla hatte selbst kräftig hineingelangt, um dann zu türmen. Auch der Rest der Erzählung dieses Burschen stimmt, folgerte Bingham daraus – und er taumelte fast, als er an die Pfründe dachte, die da winkten, an all den künftigen Reichtum.

      „Die Münzen aufsammeln“, ordnete er an. „Daß mir ja keiner was in die eigenen Taschen steckt. Lieutenant, Sie sind mir für die Vollständigkeit dieses bescheidenen kleinen Schatzes verantwortlich.“

      „Ja, Sir. Zu Befehl, Sir.“

      „Senor“, sagte Juan Flores. „Ich kann Sie zu unserem Schiff führen, ich habe mir die Stelle, an der es liegt, genau gemerkt.“ Harris übersetzte es sofort, und Juan wartete gespannt auf die Reaktion des Dicken. Alles hing davon ab, denn Juan wollte, wenn er als Lotse im Schiff des Gouverneurs fungierte, mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, dafür sorgen, daß dieses Schiff in der Bucht sank, daß keiner der Insassen jemals die „Gran Grin“ erreichte.

      Aber Bingham schüttelte den Kopf.

      „Nicht nötig“, sagte er. „Ich weiß ja, daß die Dons vor der Insel Clare vor Anker gegangen sind, und sie werden wohl die Leeküste gewählt haben – bei dem Sturm, der in der Nacht aus Südwest heranfegte. Nein, wir brauchen keinen Führer. Ich halte es außerdem für ein Risiko, den Burschen mitzunehmen. Er könnte seine Kameraden doch noch warnen.“ Er winkte zwei Gardisten zu. „Führt ihn ab. Steckt ihn zu den anderen in den Kerker. Wir brauchen ihn nicht mehr. Ich überlege mir noch, was ich mit den sieben Hunden anfange. Jetzt habe ich weitaus Wichtigeres zu tun.“

      8.

      Sir Richard Bingham suchte seine Amtsstube im vorderen Gebäudeteil auf, gefolgt vom Lieutenant, von Harris und vier Männern der Stadtgarde. Er wollte dem Lieutenant gerade die Anweisung geben, Killigrew und Ribault zu, sich zu rufen, da sah er durch die Bleiglasfenster, wie der Seewolf und der Franzose an der Spitze einer starken Delegation auf die Kommandantur zumarschierten.

      „Was wollen die denn?“ fragte er sich verblüfft. „Na, ist ja egal. Es trifft sich sogar gut, daß sie schon da sind. Wir sparen Zeit.“

      Er ließ sie eintreten und breitete,