Seewölfe Paket 9. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954394982
Скачать книгу
oder freiwillig gesprungen. Ja, de Mendozas vagen Berechnungen zufolge mußten sie sich in der Nähe des Festlandes befinden. Sie hatten am Vortag beim kurzen Aufklaren des Wetters ja die Ausmaße der Bucht gesehen. Viele seiner Männer mußten sich an die Möglichkeit geklammert haben, schwimmend ans Ufer der Clew Bay zu gelangen.

      Die Lage auf dem Schiff war hoffnungslos. Wie lange der Rumpf noch hielt, war fraglich. Rundum kochte die See, und der Versuch, an Planken oder anderen Trümmern festgekrallt das Festland zu erreichen, war nach de Mendozas Meinung glatter Selbstmord.

      Erst im Laufe des Vormittags beruhigte sich der Sturm allmählich.

      Apathisch hockten die letzten Männer der „Gran Grin“ auf dem zerborstenen Oberdeck. Fiebriger Glanz war in ihren Augen. Sie spähten müde zum Ufer, das sie im Osten ahnen konnten. Ein zerschlagener Haufen, unfähig zur Aktion, selbst Pedro de Mendoza war am Ende seiner Energien angelangt.

      „Wir könnten es jetzt wagen“, sagte er mit brüchiger Stimme zum Feldscher.

      „Wir könnten was wagen?“

      „Uns an Rettungsmittel zu klammern.“

      „Um uns zum Land treiben zu lassen?“

      „Ja.“

      „Ich fühle mich zu schwach dazu, Senor Capitán.“

      „Wir verlassen das Schiff. Das ist ein Befehl“, sagte de Mendoza.

      „Senor“, erwiderte einer, der auf der untersten Stufe des Backbordniedergangs zum Vorkastell hockte. „Ich sterbe lieber hier.“

      De Mendoza schaffte es nicht, die Leute aus ihrer Lethargie hochzureißen, jeder Versuch war sinnlos. Sie wollten in den letzten, langen Schlaf hinüberdämmern. Alles war ihnen gleichgültig. Die Grenzen ihres Leistungsvermögens waren schon seit einiger Zeit überschritten.

      Die Räume unter Deck standen jetzt fast bis zu den Deckenbalken voll Wasser. Die Proviantlast war abgesoffen, die letzten Trinkwasserfässer mit halb fauligem Naß zerschlagen.

      Es war das Ende.

      9.

      Als der Lieutenant in die Amtsstuben der Stadtkommandantur trat, hörte Sir Richard Bingham damit auf, sich über den Seewolf und dessen Kameraden zu ärgern.

      Killigrews und Ribaults Zögern, bei dem nachlassenden Sturm auszulaufen, dieses fortwährende Hinhalten – es war Bingham mittlerweile verdächtig geworden. War ihnen am Ende gar nicht daran gelegen, die „Gran Grin“ zu entern?

      Nun, wenn das der Fall war, dann würde er, Bingham, sich den Proviant schon irgendwie wiederholen, den er ihnen in seiner „grenzenlosen Großzügigkeit“ geschenkt hatte.

      „Sir“, sagte der Lieutenant. „Eine Reiterpatrouille hat zwischen den Klippen vor der Küste eine Galeone gesichtet. Zweifellos handelt es sich um einen Spanier.“

      „Etwa gar um die ‚Gran Grin‘?“

      „Sir, das wissen wir nicht. Es gibt keine Flagge, keine Schriftzeichen auf dem Rumpf, denen man auf die Distanz von zweihundert Yards entnehmen könnte, wie der Name des Schiffes sein könnte.“

      „Egal. Die Hauptsache ist, daß der Kahn nicht vom Fleck fortkommt, Lieutenant, und daß wir die Gewißheit haben, an Bord keine gut bewaffneten, schlagkräftigen Philipps anzutreffen.“

      Der Lieutenant lachte auf. „Das ist ausgeschlossen, Sir – so, wie das Schiff aussieht. Es sitzt hoffnungslos fest, ich schwöre es Ihnen.“

      In Bingham war für einen Moment der Verdacht aufgekeimt, bei der Galeone könnte es sich um ein intaktes Schiff der Armada handeln, dessen Besatzung eine Fahrrinne zwischen den Klippen hindurch entdeckt hatte. Es war eine Art fixe Idee der englischen Besatzer in Irland, spanische Truppen könnten von den Schiffen der Armada irgendwann gelandet werden, dort einen Brükkenkopf bilden und dann damit beginnen, die Insel „aufzurollen“.

      Die alte Furcht, Irland könne spanisch und damit eine ständige Bedrohung Englands werden – Sir William Fitzwilliam hatte sie Bingham wie allen anderen Gouverneuren und sonstigen Untergebenen ausreichend eingetrichtert. Immer wieder tauchte auch vor Binghams geistigem Auge das Gespenst apokalyptischer spanischer Reiter auf, die über Irlands Boden jagten.

      Er verscheuchte dieses Bild aus seinen Gedanken. Viel lieber konzentrierte er sich auf das, was der Lieutenant ihm soeben gemeldet hatte.

      „Unsere Leute sagen, sie hätten an Land Leichen gefunden“, fuhr der Lieutenant jetzt in seinem Bericht fort. „Außerdem Trümmer von Planken, Spieren, Rahen, Segelfetzen – das sagt doch genug aus, nicht wahr, Sir?“

      Bingham rieb sich die Hände. „Allerdings. Wir brauchen nicht einmal mehr die ‚Isabella‘ und die ‚Vengeur‘, um uns diesen spanischen Segler einzuverleiben, Lieutenant. Wissen Sie schon, auf was ich hinauswill?“

      „Ja, Sir. Wir bemannen unsere zwei Schaluppen und die kleinen Einmaster, die uns zur Verfügung stehen, segeln durch die Bucht und entern die Galeone.“ Seine Miene wurde plötzlich ernst. „Aber es befinden sich immer noch einige Dons an Bord des Schiffes, Sir, das dürfen wir nicht vergessen.“

      „Himmel, Lieutenant, wir haben fünfzig gut bewaffnete Gardisten – die dürften doch wohl ausreichen, um diese elenden schiffbrüchigen Hidalgos über die Klinge springen zu lassen.“

      „Gewiß, Sir. Soll ich auch den Hauptmann verständigen?“

      Bingham hatte sich erhoben. „Sicher sollen Sie das, Sie Armleuchter. Liebe Güte, haben Sie etwa Angst vor dem bevorstehenden Einsatz, Mann? Ich will Ihnen was sagen: Wir werden einen strategischen Plan entwickeln – der Hauptmann und ich. Wir werden kämpfen, ohne Verluste zu haben. Was sagen Sie dazu?“

      „Großartig“, entgegnete der Lieutenant ohne rechte Überzeugung.

      „Fein. Und nun schieben Sie erst mal ab und holen mir diesen spanischen Jüngling aus der Kerkerzelle – diesen Juan Flores. Ich nehme von Land aus eine Ortsbesichtigung vor und will den Burschen dabeihaben, um ’rauszukriegen, ob das wirklich die ‚Gran Grin‘ ist.“

      Juan Flores’ Hoffnungen wurden zerstört. Er saß mit gebundenen Händen auf dem Sattel eines Pferdes und war in die Mitte eines zwanzigköpfigen Trupps genommen worden, an deren Spitze Bingham und der Hauptmann ritten.

      Der grobknochige Wallach, den man für Sir Richard Bingham gesattelt und gezäumt hatte, drohte unter der Last des Dicken fast zusammenzubrechen. Angesichts der grandiosen Reitkünste ihres Gouverneurs konnten sich die Soldaten das Lachen kaum verkneifen.

      Aber es war eine Illusion zu glauben, daß ihre Aufmerksamkeit deswegen nachließ. Die Gardisten behielten Juan scharf im Auge. Er hatte keine Chance, etwas zu unternehmen. Er konnte weder fliehen noch irgendeine Kriegslist durchführen, die dem Reiterpulk Schaden zufügte.

      Ganz anders wäre es gewesen, wenn sie schon jetzt mit den Schaluppen und Einmastern zu den Klippen im Norden der Bucht aufgebrochen wären – da hätte Juan Flores gewußt, wie er Verwirrung hätte stiften können.

      Der Sturm lag in seinen letzten heftigen Zügen. Schon riß der Wolkenverhang auf, und hier und da drang streifiges Sonnenlicht durch.

      Am Strand vor den Klippen verhielt der Pulk, und Bingham ließ Juan Flores zu sich herüberdirigieren. Harris, der Dolmetscher, war auch wieder zugegen, er übersetzte Wort für Wort, was zwischen den beiden gesprochen wurde.

      „Das Wrack dort zwischen den Klippen – ist das die einst so stolze ‚Gran Grin‘?“ erkundigte sich der Gouverneur.

      Juan wußte, daß es keinen Zweck hatte, jetzt, da er schon so viel preisgegeben hatte, noch etwas zu leugnen.

      „Ja, das ist sie“, erwiderte er.

      „Ein paar Gestalten winken herüber“, sagte Bingham. „Sieh sie dir an. Ist der Herzog dabei? Der Prinz? Kannst du sie sehen?“

      Juan