Seewölfe Paket 9. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954394982
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der Galeone stehen und schwach gestikulieren. Sie hatten die Reiter gesichtet und hofften auf Hilfe.

      „Ich kann weder den Herzog noch den Prinzen entdecken“, sagte er wahrheitsgemäß.

      Bingham kaute ein wenig auf der Unterlippe herum, dann meinte er: „Egal. Vielleicht halten sie sich ja unter Deck auf. Für Medina Sidonia und den Prinzen Ascoli kriegen wir natürlich ein riesiges Lösegeld vom spanischen König. Aber für den Fall, daß sie tot sein sollten, bleibt uns immer noch die Kriegskasse des Biskaya-Geschwaders mit den hunderttausend Gold- und Silbermünzen.“

      „Was machen wir mit den Philipps?“ wollte der Hauptmann wissen – obwohl er die Antwort schon kannte.

      „Die servieren wir ab, außer Medina Sidonia und dem Prinzen Ascoli natürlich.“

      „Und die sieben Gefangenen in der Stadtkommandantur?“

      „Da fragen Sie noch?“

      „Sie werden standrechtlich erschossen?“

      „Standrechtlich, jawohl“, erwiderte der dicke Bingham grinsend. „Und jetzt lassen Sie uns zurück in den Hafen reiten. Dort setze ich Ihnen meinen strategisch perfekten Plan auseinander, und wir bemannen die Schaluppen und die Einmaster.“

      Er fühlte sich ganz als Feldherr.

      Wieder im Hafen von Westport angelangt, hievte Bingham seine schwere, ungefüge Gestalt zunächst aus dem Sattel des Wallachs, dann gab er seine Befehle. Juan Flores wurde in den Kerker zurückgebracht. Plötzlich begann sich der junge Mann zu sträuben, aber das nutzte ihm auch nichts mehr. Brutal zerrten zwei Gardisten ihn fort.

      Bingham stolzierte auf dem Kai auf und ab, ließ die Schaluppen und die Einmaster bemannen und mit genügend Munition und Waffen versehen. Dabei schwafelte er von seinem großen Einsatz.

      „Schneid und ein unbeugsamer Wille, Umsicht und Tatkraft stehen am Beginn eines jeden großen Gefechts“, teilte er dem Hauptmann mit, der jetzt schon langsam am Verstand seines Gouverneurs zu zweifeln begann.

      „Die Umzingelung des Feindes, das Einkesseln, das rasche Zupacken mit eiserner Hand verwandeln den rauhen Krieg in Kunst“, fuhr Sir Richard Bingham fort. „Eine Kunst, die nicht jeder versteht. Man muß dazu geboren sein. Habe ich recht, Hauptmann?“

      „Jawohl, Sir.“

      „Lieutenant, meinen Degen!“ rief Bingham. „Und holen Sie mir auch zwei geladene Pistolen, damit ich mich allen Erfordernissen der Schlacht wie ein Mann stellen kann. Lieutenant, nun laufen Sie schon!“

      Er wandte sich zu dem Hauptmann um, baute sich breitbeinig vor ihm auf und erklärte: „Die Kanonen der ‚Gran Grin‘ können nicht mehr feuern, mein Bester. Flores, dieser Dummkopf, hat mir auch das verraten: Es gibt keine Munition mehr an Bord der Galeone. Ist das nicht wunderbar? Und nun meine Strategie: Wir gehen mit den Schaluppen und den Einmastern auf Musketenschußentfernung an die Galeone der Spanier heran – von allen Seiten, versteht sich. Dann feuern wir.“

      Der Hauptmann hob die Augenbrauen. „Und Medina Sidonia und der Prinz?“

      „Die werden vorher selbstverständlich aufgefordert, das Schiff zu verlassen“, sagte Bingham, der sich bereits die Phase des Sieges bildhaft vorstellte. „Wenn sie dazu kein Beiboot mehr haben, stellen wir ihnen natürlich eins zu Verfügung, wir sind ja großzügig, was, Hauptmann?“ Er lachte.

      Der Hauptmann lachte mit, vor allen Dingen, weil er an die Dukaten, Dublonen und Piaster dachte, die in dieser sagenhaften Kriegskasse liegen sollten.

      „Und wenn wir die hochwohlgeborenen spanischen Bastarde erst haben, schießen wir den Rest der Philipps zusammen“, verkündete Bingham. Er sah sich nach allen Seiten um. Sie Menschen von Westport waren zusammengelaufen und wohnten diesem „grandiosen Schauspiel“ bei. Jawohl, sie huldigten ihm, dem Gouverneur Sir Richard Bingham, der das Zeug zum König hatte.

      „Ausrotten werden wir sie, und zwar im Handumdrehen!“ rief Bingham.

      Der Lieutenant kehrte zu ihm zurück und brachte ein Wehrgehänge mit einem verzierten Degen, das Bingham sich jetzt mit einiger Mühe um den dicken Bauch band. Anschließend schob er sich zwei Radschloßpistolen in den Gurt, deren Kolben Perlmuttereinlagen hatten.

      Die Schaluppen und die Einmaster waren jetzt so gut wie gefechtsbereit und klar zum Auslaufen. Bingham und sein Trupp schickten sich an, an Bord zu gehen.

      Ein niederträchtiger, gemeiner Plan war das Vorhaben des Gouverneurs – bar jeder Menschlichkeit. Aber Menschlichkeit, Ritterlichkeit, Fairneß waren Begriffe, die er nicht kannte, wie er schon Doctor Wheeler zu verstehen gegeben hatte, dem Arzt, der jetzt in der Menge stand und mit aufsteigender Wut verfolgte, was der fette Mann unternahm.

      Selbstverständlich dachte der sehr ehrenwerte Sir Richard nicht im Traum daran, sich aktiv am Kampfgeschehen zu beteiligen. Das alles überließ er lieber dem Hauptmann, dem Lieutenant und den Soldaten, die jetzt in die Schaluppen und Einmaster kletterten. O nein, Bingham gedachte nicht, seine wertvolle Haut auch nur ansatzweise zu Markte zu tragen. Nicht einen Kratzer wollte er kriegen, falls gekämpft wurde. Er würde sich brav im Hintergrund halten und „die Schlacht“ leiten, wie sich das für einen genialen Feldherrn gehörte.

      Er war derart mit seinen Vorbereitungen beschäftigt, daß er nicht mehr verfolgte, was an Bord der „Isabella VIII.“ und der „Le Vengeur“ geschah.

      Er hätte besser daran getan, ein waches Auge auf die Schiffe zu werfen, denn die Seewölfe und die Männer der „Vengeur“ waren dabei, ihm einen dicken Strich durch die Rechnung zu ziehen.

      Längst hatten Hasard, Jean Ribault und die anderen erkannt, was Bingham plante und in die Tat umzusetzen gedachte. Die letzte Bestätigung hatten sie ja jetzt von Bingham höchstpersönlich erhalten. Sie konnten von Bord ihrer Schiffe aus verfolgen, wie er auf dem Kai auf- und abstolzierte und seine großspurigen Reden schwang.

      „Sir“, sagte Carberry. „Ich bitte dich hiermit um die Genehmigung, den Hundesohn ungespitzt in die Pier rammen zu dürfen, an denen die Schaluppen und die anderen Scheißkähne liegen.“

      „Abgelehnt, Ed“, erwiderte Hasard.

      „Himmel, warum dürfen wir denn nicht loslegen?“ fragte der Profos, der in diesem Augenblick die Welt nicht mehr verstand. „Was hält uns denn noch? Der Fettsack hat eine Lektion verdient, denn er ist ein Plünderer und Leuteschinder. Wenn die Lissy das wüßte, würde sie ihn köpfen lassen.“

      „Ja.“ Hasard blickte zu Jean Ribault und Karl von Hutten hinüber, und die beiden grinsten ihm zu. „Ed“, fuhr der Seewolf fort. „Das ist alles völlig klar. Aber vergiß nicht die fünfzig Soldaten.“

      „Ach, die. Die brauchen wir doch nur mal scharf anzugucken, dann kippen sie von selbst ins Hafenbekken.“

      „Ich will kein Blutvergießen. Außerdem darf unser vierköpfiger Trupp, der die sieben spanischen Gefangenen aus dem Kerker befreien soll, durch eine impulsive, unbedachte Handlung nicht gefährdet werden.“

      „Aye, Sir“, sagte Carberry. Dann wandte er sich Old O’Flynn zu und fragte gedämpft: „Impulsiv, was ist das?“

      „Das ist, wenn du vor Wut in den Teppich beißt, aus der Haut fährst oder den Großmast aus dem Kielschwein rupfst“, entgegnete der Alte grinsend.

      Hasard verließ die Kuhl und schritt über die Gangway auf die Pier, an der die beiden Schiffe fest vertäut lagen. Jean Ribault hatte sich gleichfalls in Bewegung gesetzt. Sie trafen sich auf der Mitte der Pier und marschierten über das Kopfsteinpflaster an der Hafenmauer direkt auf Sir Richard Bingham zu.

      „Mein lieber Richard“, sagte Hasard. „Wie ich sehe, scheinen Sie Großes vorzuhaben. Was ist geschehen? Haben die Spanier Irland überfallen?“

      Bingham musterte den Seewolf in einer Mischung aus Hochmut und Geringschätzigkeit. Dies war gar nicht so einfach, denn er mußte zu Hasard aufschauen, weil er gut einen Kopf kleiner war.

      „Während