„Ach, das liegt alles nur an den Weibern“, klagte Eric. Er war gerade richtig in Fahrt und erzählte Luke freimütig, was sich an dem Tisch der Kneipe, an dem er gesessen hatte, abgespielt hatte.
„Sieh mich doch mal an“, sagte Luke. „Was soll ich denn erst sagen? Mich läßt vorläufig auch die allerletzte Hafenhure abblitzen. Aber ich mache mir einfach nichts daraus.
Nein, schön sah er nicht aus, das hatte Eric ja schon vom Hafenbekken aus deutlich zum Ausdruck gebracht. Lukes Gesicht war von Brandnarben verwüstet, denn bei dem Angriff der Brander auf die spanischen Schiffe vor Calais hatte er eins der Höllenschiffe gesteuert und war am schwersten verletzt worden.
Eric dachte darüber nach und befand, daß das Leben eigentlich doch noch seine schönen Seiten hatte, besonders nach einem morgendlichen Bad in der Clew Bay. Fast heiter erreichte er mit Carberry und Luke Morgan die Pier, an der die „Isabella VIII.“ und die „Vengeur“ fest vertäut lagen, und verfolgte halb belustigt, halb überrascht, wie die Kameraden Fässer und Kisten an Bord der Schiffe mannten.
Fast schlafwandlerisch sicher bewegten sich die Männer über die Gangways auf die schwankende Galeone und Karacke, und ein sehr dikker, sehr unsympathischer Mensch stand etwas abseits und taxierte die harten Kerle mit seinem Blick.
Der Seewolf, Jean Ribault und Karl von Hutten hielten sich in der Nähe des dicken Kerls auf. Sie schienen ziemlich vergnügt über irgend etwas mit ihm zu reden.
„Was geht hier denn vor?“ sagte Eric Winlow. „Was sind das für Fässer und Kisten?“ Von Fässern hatte er genug, aber seine Neugier war doch geweckt, wenn der Anblick des Dicken ihm auch Unbehagen bereitete.
Carberry war stehengeblieben. Er drehte sich zu Eric um und stemmte die Fäuste in die Seiten. „Noch mehr Fragen, Kombüsenhengst?“
„Ja. Wer ist der Fettwanst, und wieso glotzt er unsere Leute so dämlich an?“
Carberry tat einen Schritt, dann stand er ganz dicht vor Eric. Luke hatte sich unterdessen den anderen zugewandt und berichtete ihnen, daß er Eric aus dem Hafenbecken gezogen hätte, wobei er das Faß natürlich verschwieg. Die Seewölfe und die Männer der „Vengeur“ grinsten und blickten zu Carberry und Winlow, die sich wie feindselige Stiere gegenüberstanden.
Über ihren Köpfen flatterte Sir John, der karmesinrote Aracanga, im Sturmwind. Es war wirklich ein ergötzliches Bild.
Carberry blieb ganz ruhig. „Der Fettwanst ist Sir Richard Bingham, der sogenannte Stadtgouverneur in diesem elenden Nest. Hasard und Jean haben eine Flasche edlen irischen Whiskey mit ihm ausgesoffen, und dabei sind sie zum Schein auf einen miesen Kuhhandel eingegangen, den er ihnen vorgeschlagen hat. Dafür läßt der Hundesohn jetzt Proviant und Trinkwasser in rauhen Mengen springen, und außer dem Wasser auch noch ein paar andere Fässer, die ein Kombüsenhengst und Heringsbändiger wie du ganz besonders schätzen sollte.“
„Ach“, sagte Eric. Sonst fehlten ihm die Worte.
„Und jetzt schieb ab, Mister Winlow, und bereite deinen Männern ein ordentliches Frühstück, wie es sich für einen Kesselschwenker gehört. Ich weiß, ich habe dir eigentlich keine Befehle zu erteilen, Mister Winlow, aber ich rate dir trotzdem, so schnell wie möglich zum Dienst anzutreten, sonst rauht es im Schapp.“
Eric wußte, daß es gefährlich wurde, wenn Carberry jemand mit „Mister“ und mit seinem Nachnamen anredete, und er legte keinen Wert darauf, sich mit dem Profos der „Isabella“ zu streiten. Er hatte ohnehin ein schlechtes Gewissen – wegen der Sache mit dem Heringsfaß und seinem viel zu spätem Aufkreuzen.
Schleunigst setzte er sich wieder in Marsch. Er nahm Roger Lutz, diesem Weiberheld, ein dickbäuchiges Faß ab, schleppte es mühelos über die Pier, balancierte es vom Laufsteg an Bord der „Vengeur“ und transportierte es in die Kombüse, von der es auch in die Vorratsräume der Zweimast-Karacke hinunterging.
Er bugsierte das Faß in einen Vorratsraum und begegnete Jan Ranse und Piet Straaten, den beiden Holländern, die auch mit zugepackt hatten und gerade zwei Kisten auf die Planken stellten. Eric setzte sein Faß ab. Er brauchte nur daran zu schnuppern, um zu wissen, was darin schwappte: echter irischer Whiskey – W-h-i-s-k-e-y. Plötzlich war seine Abneigung gegen Fässer dahin, und er dachte daran, daß man nach einer durchzechten Nacht wieder mit dem anfangen sollte, mit dem man aufgehört hatte.
„Es ist auch Bier da“, meldete Jan Ranse, der Steuermann der „Vengeur“.
„Und Wein“, ergänzte Piet Straaten, der Rudergänger. „Außerdem haben wir Schinken, Dauerwurst, Speckseiten, Fässer mit Mehl, Zucker und Salz, Eier, Brot, Frischgemüse, Weinkraut, Gänse, Hühner und Kaninchen.“
„Tot?“ fragte Eric.
„Wer soll tot sein?“ stieß Jan Ranse verdutzt aus.
„Die Gänse, Hühner und Kaninchen natürlich“, sagte der Glatzkopf. „Wer denn sonst?“
Die Holländer deuteten schweigend auf ein paar fix und fertig ausgenommene und gerupfte Tiere, die an einem der Deckenbalken aufgehängt worden waren. Piet und Jan grinsten, weil Eric sich darüber ärgerte, daß er die Biester nicht gleich entdeckt hatte. Dann grinste auch Eric, denn er vernahm aus dem Nebenraum deutliches Gegacker.
„Tolle Vorräte“, sagte er. „Und auf der ‚Isabella‘ stopfen sie die Vorratskammern mit dem gleichen Zeug voll?“
„Darauf kannst du Gift nehmen, Eric“, sagte Roger Lutz, der soeben mit einem dicken Packen auf der Schulter den Raum betreten hatte.
„So“, meinte Winlow, indem er sich umdrehte. „Aber ich nehme lieber einen anständigen Whiskey zur Brust, wenn du’s wissen willst. Und jetzt heize ich die Kombüsenfeuer an und bereite euch Kakerlaken ein Frühstück, von dem ihr schon lange träumt.“ Er sah, wie Lutz, der Franzose, unter der Last schnaufte, und fügte hinzu: „Du scheinst es ja besonders nötig zu haben, dich zu stärken, Roger. Ist ja auch klar, bei dem Energieverlust von heute nacht.“
Eric hatte die Lacher auf seiner Seite.
Natürlich war etwas faul mit Luis de Bobadilla. Kapitän Pedro de Mendoza litt keineswegs unter Einbildungen. Aber noch lag de Mendoza in seiner Koje und holte nach, was er seit vier Tagen versäumt und eigentlich seit den Vorfällen vor Calais schon nicht mehr richtig getan hatte: Er schlief ein paar Stunden fest durch.
De Bobadilla indessen war schon wieder auf den Beinen, ausgeruht, ziemlich munter und guter Dinge. Er war froh darüber, daß de Mendoza bisher keine Gelegenheit gefunden hatte, ihn genauer zu befragen. Aber er hatte auch keinerlei Zweifel, daß der Kapitän in Kürze entweder in seiner Kammer auftauchen oder ihn zu sich rufen würde, um ihm auf den Zahn zu fühlen und kräftig auf die Finger zu klopfen. Denn wenn erst genaue Recherchen angestellt wurden, konnte er, de Bobadilla, nicht mehr geheimhalten, was er in den vergangenen Wochen immer wieder getan hatte.
Kräftig in die Kriegskasse des Biskaya-Geschwaders hatte er gelangt. Mit dem Proviantmeister Alvarez – nicht mit dem Koch Francisco Sampedro – hatte er ein Abkommen getroffen. Sie betrieben einen schwunghaften Handel mit Gütern, auf die sie beide eigentlich keinen Anspruch hatten. De Bobadilla schleppte Piaster und Reales zu Alvarez, Alvarez händigte ihm dafür Proviant aus, den er heimlich beiseite schaffte. Sie brauchten immer nur einen Zeitpunkt abzuwarten, in dem der Koch sie nicht beobachten konnte, denn der war ein aufrichtiger, ehrlicher Bursche, der alles für seine Kameraden tat und schmutzige Geschäfte haßte.
De Bobadilla grinste.
Sampedro, du Narr, dachte er. Wie konnte ein Mann so idiotisch sein und außer an seinen eigenen Vorteil auch noch an die Interessen der anderen denken! Man sah ja, wohin das führte – nach und nach würden alle krepieren, denn es gab keine Hoffnung auf Hilfe, auf Proviant, Trinkwasser, Medikamente – das alles war ein bloßer Traum.
Selber essen macht fett,