Seewölfe Paket 17. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397754
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Hafenanlagen, vor den entfesselten Naturgewalten der See hervorragend geschützt, beherbergten einen Mastenwald von beträchtlichen Ausmaßen. Die Frachtsegler, die an Piers und Duckdalben vertäut hatten, stammten überwiegend aus den Ländern rings um die Ostsee. Neben den Skandinaviern gab es etliche polnische und auch holländische Schiffe. Von den letzteren wußte der Seewolf, daß sie in jüngster Zeit mit ziemlichen Anstrengungen in den Tuchhandel eingestiegen waren. In der Mehrzahl waren hier in Kolberg naturgemäß die deutschen Schiffe vertreten, wobei dies wiederum für die meisten von ihnen der Heimathafen war.

      Neugierige scharten sich vor den Lagerhäusern und Kontoren am Kai zusammen, nachdem der „Isabella“ und der „Wappen von Kolberg“ ihre Liegeplätze zugewiesen worden waren. Aber auch von den anderen Schiffen waren interessierte Blicke festzustellen, zum Teil nicht ohne einen gewissen Neid. Denn die schlanke englische Galeone war schon allein von ihrem äußeren Bild her ungewöhnlich. Den fast ausnahmslos fachmännischen Blicken blieb nicht verborgen, daß dieser Segler aus dem fernen Britannien über Eigenschaften verfügen mußte, die man nur ahnen konnte. Denn soviel stand fest: einen Dreimaster von dieser neuzeitlichen Bauart hatte man hier in Kolberg noch nicht gesehen.

      Eindeutig auch, daß die „Isabella“ nicht allein für friedliche kaufmännische Zwecke gebaut worden war. Bei einem Registergewicht von runden 550 tons und einer Länge von 52 Yards verfügte die Galeone über eine beachtenswerte Armierung. Hinter den jetzt geschlossenen Stückpforten verbargen sich drei 25-Pfünder auf beiden Seiten des Quarterdecks, drei 17-Pfünder je Seite auf dem darunterliegenden Deck, vier 25-Pfünder auf beiden Seiten der Kuhl und drei weitere 17-Pfünder pro Seite unter der Back. Außerdem gab es je zwei Drehbassen auf der Back und auf dem Achterdeck.

      Nachdem die Segel aufgetucht und die „Isabella“ und die „Wappen von Kolberg“ vertäut worden waren, hatten die Männer an Deck Gelegenheit, sich in der näheren Umgebung umzusehen.

      Auf der Kuhl der englischen Galeone wandten sich unvermittelt alle Augenpaare nach Backbord, als die Zwillinge lebhaft zu gestikulieren begannen.

      „Schon wieder so ein lausiger Don!“ rief Hasard junior, der seine Zunge nicht im Zaum halten konnte.

      „Jetzt treiben sie sich sogar hier schon herum!“ fügte Philip junior prompt hinzu.

      Auf dem Achterdeck griffen der Seewolf und Ben Brighton zu den Spektiven. Hasard beschloß, sich seine beiden Söhne später vorzuknöpfen. Die beiden gerieten in jene Jahre, die man auch als „Flegelalter“ bezeichnete. Hinzu gesellte sich ihr Temperament, und so fiel es ihnen manchmal höllisch schwer, gründlich über das nachzudenken, was sie von sich gaben. Wie oft hatte er ihnen bereits eingebleut, daß man auch einem Gegner gegenüber Fairneß zu üben hatte – in Taten und in Worten. Sie wußten das verdammt genau. Er würde sie gehörig daran erinnern müssen.

      Auf dem Hauptdeck stemmte Ed Carberry die Fäuste in die Hüften, schob das Rammkinn vor und starrte der Crew nach, die sich samt und sonders der Neugier hingab.

      „Welcher Wurm ist euch ins Hirn gekrochen?“ brüllte er. „Ihr glaubt wohl, ihr seid schon fertig mit dem Aufklaren, was, wie? Wenn ihr nicht auf der Stelle …“

      Smoky, der breitschultrige Decksälteste, drehte sich um und unterbrach ihn mit einem Grinsen.

      „Sei nicht so pingelig, Mister Carberry. Hier liegt was in der Luft, sage ich dir. Da wird man doch mal einen Blick riskieren dürfen.“

      Der Profos der „Isabella“ kratzte sich am Hinterkopf. Seine Haarpracht, die er in Wiborg nach einer Wette mit Luke Morgan verloren hatte, begann neu zu sprießen. Dichte Stoppeln bedeckten bereits seinen Schädel, und er verzichtete deshalb seit ein paar Tagen auf die Pelzmütze, die er bisher zur Tarnung getragen hatte.

      Smokys Wort hatte Gewicht. Also schluckte Edwin Carberry seinen Groll hinunter, bevor er sich richtig entwickeln konnte. Er schnaufte, gab sich einen Ruck und wandte sich ebenfalls nach Backbord.

      Etwa dreihundert Yards entfernt, an einer der Piers, lag eine spanische Galeone. Der Dreimaster, gedrungener und wesentlich massiger gebaut als die „Isabella“, hob sich in prunkvollster Weise von den anderen Schiffen ab. Vorn und achtern war der Spanier mit reichlich Schnitzwerk verziert. Auch die Armierung war allem Anschein nach recht beachtlich. Über der Heckgalerie prangte in riesigen goldenen Lettern der Name des Schiffes: „Santissima Madre“.

      „Heiligste Mutter“, übersetzte Ferris Tucker mit einem Seufzer, „das kann man wohl laut sagen.“

      Damit sprach er allen Arwenacks aus der Seele. Das alte Mißtrauen meldete sich bei ihnen mit schrillen Alarmtönen. Zwar wurde die Ostsee wahrhaft nicht von den Spaniern beherrscht, die Dons hatten hier eher kleine Brötchen zu backen. Aber der Zwischenfall mit dem spanischen Kapitän Juan de Gravina in Wisby auf Gotland steckte den Männern unter dem Kommando von Hasard und Arne noch mächtig in den Knochen.

      Dort auf Gotland hatte der Seewolf seinen Vetter kennengelernt – ausgerechnet in jenem Moment, als sie die Leiche des Kaufmanns Jens Johansen entdeckten. Johansen hatte mit Bernstein gehandelt, was er als sein gutes Recht betrachtete. Doch König Sigismund von Polen beanspruchte dieses Recht für sich allein, und er hatte seine Schergen überall. De Gravina war einer von ihnen gewesen, bis Hasard ihn des Mordes an Johansen überführt hatte.

      Ähnlich hatte er sich mit dem dänischen Kaufmann Thorsten Tyndall in Hapsal verhalten. Auch dieser war wegen des Bernsteinhandels umgebracht worden. Dafür hatten Hasard und Arne den polnischen Generalkapitän Witold Woyda als Täter entlarvt, der jetzt in der Vorpiek der „Isabella“ als Gefangener eingesperrt war und den dänischen Behörden zur Verurteilung übergeben werden sollte.

      So wurden sie allesamt von bösen Vorahnungen beschlichen, als sie die spanische Galeone erblickten – ausgerechnet hier, im Hafen von Kolberg.

      Die Söhne des Seewolfs sonnten sich unterdessen in dem Gefühl, den Spanier im Hafengewirr entdeckt zu haben. Mit stolzem Lächeln verfolgten sie die Bemerkungen der Männer, die nun begannen, sich in düstere Ahnungen zu ergehen. Und noch mehr Stolz erfüllte die Jungen angesichts der Tatsache, daß sie ihren Vater und Ben Brighton immerhin veranlaßt hatten, zum Spektiv zu greifen.

      Äußerlich ähnelten sich die beiden Jungen wie ein Ei dem anderen. Schlank und schwarzhaarig, hatten sie den unverwechselbar gleichen Gesichtsschnitt wie der Seewolf. In ihren Bewegungen waren sie geschmeidig wie Katzen. Und schon jetzt, in ihren jugendlichen Jahren, ließen sie erkennen, daß sie als erwachsene Männer einmal alle überragenden Eigenschaften und Fähigkeiten ihres Vaters haben würden.

      Ein heranhuschender grauer Schatten unterbrach die Männer in ihren Mutmaßungen. Plymmie, die Bordhündin, hatte ihren Freßplatz vor der Kombüse im Stich gelassen und eilte schwanzwedelnd auf die Zwillinge zu. Federnd richtete sie sich auf, legte ihre Vorderpfoten auf das Schanzkleid, und im selben Moment sträubten sich ihre Nackenhaare. Ein heiseres Knurren drang tief aus ihrer Kehle, und dieses Knurren ging sofort in ein rauhes, zorniges Bellen über.

      „Ruhig, Plymmie, ruhig!“ mahnte Hasard junior, und gemeinsam mit seinem Bruder streichelte er die Wolfshündin, die sich jedoch nur dazu bewegen ließ, das Bellen einzustellen. Ihr Knurren hielt an.

      „Als ob ich mir das nicht gedacht hätte“, brummte Ed Carberry kopfschüttelnd. „Wenn das Vieh nicht zu jeder Sache seinen Senf dazugeben kann, ist es nicht zufrieden.“

      „Sir, du tust ihr wieder mal unrecht“, sagte Philip junior empört. „Plymmie bellt den Spanier an. Sie merkt eben, daß da drüben an Bord unsympathische Leute sind.“

      „Womit sie den richtigen Riecher hat“, sagte Old Donegal Daniel O’Flynn. „Hunde haben in der Beziehung einen sehr feinen Instinkt. Da hat es schon Ereignisse gegeben, die hinterher kein Mensch für möglich gehalten hat. Ich erinnere mich an eine bestimmte Geschichte in …“

      „Schon gut, Donegal, schon gut“, fiel ihm Smoky eilig ins Wort, und die anderen nickten beifällig. Im Augenblick hatten sie keine Neigung, eine der endlosen Garne des alten O’Flynn anzuhören. Denn was die spanische Galeone dort drüben an der Pier betraf, war jeder mit seinen eigenen