Seewölfe Paket 17. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397754
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diesem winzigen Wohnhaus erhob sich eine andere, eigentümlichere Konstruktion, wie er erst jetzt registrierte. Interessiert schlich er an der Rückwand der Steinhütte entlang darauf zu. Das Gebilde, das große Ähnlichkeit mit einem sich nach oben hin verjüngenden Turm aufwies, entpuppte sich als der Ofen eines Köhlers.

      Dann stieß er auch auf ein schlichtes Holzkreuz, das nah am Waldrand in den Boden gerammt war. Es trug keinerlei Aufschrift, doch für Erich von Saxingen war der Sachverhalt klar: Der Köhler, der hier gelebt hatte, war verstorben. Irgend jemand hatte ihn beerdigt. Wer? Seine Familie? Falls er Angehörige gehabt hatte, waren sie zweifellos weggezogen und hatten das bescheidene Anwesen dem Verfall überlassen.

      Er umrundete die Steinhütte, öffnete die Tür, die sich quietschend in rostigen Eisenangeln bewegte, und warf einen Blick ins Innere. Allmählich gewöhnten sich seine Augen an das Dunkel, das in dem einzigen Raum herrschte. Das Mondlicht fiel durch die quadratischen Fensterlöcher und ermöglichte es ihm, sich weiterzubewegen, ohne zu riskieren, irgendwo anzustoßen.

      So blieb er auch rechtzeitig genug stehen, nachdem er den Raum durchquert hatte. Er gewahrte eine Stiege, die in einen Kellerraum hinunterführte. Bei völliger Finsternis wäre er in das Kellerloch gestürzt und hätte sich wahrscheinlich einige Knochen im Leib gebrochen.

      Er grinste.

      »Na, das ist ja großartig«, sagte er mit etwas heiserer Stimme. »Hier können wir getrost unser Lager aufschlagen.«

      Er kehrte ins Freie zurück, ging zu den Pferden und gab von Kreye ein Zeichen.

      »Alles in Ordnung«, sagte er. »Wir können in dem Gemäuer bleiben, hier sucht uns kein Mensch. Der Köhler, der hier gehaust hat, ist verreckt, sein Grab ist hinten auf dem Hof.« Er lachte leise.

      »Ich habe auch das Rauschen eines Baches im Wald gehört«, sagte Bruno von Kreye. »Wir werden also keinen Durst leiden müssen.«

      Von Saxingen lachte wieder, aber es klang gekünstelt. »Wasser ist schlechter als Bier, aber immer noch besser als gar nichts. Na, was ist mit unseren Gefangenen? Sind die endlich aufgewacht? Herrgott, was sind das doch für elende Schlafmützen!«

      »Und du?« sagte Piet Straaten. Er war jetzt wie Dan O'Flynn voll bei Bewußtsein. Als Holländer verstand er so viel Deutsch, daß er den Sinn von Erichs Worten zu deuten wußte – und er war auch in der Lage, darauf zu antworten. »Du bist ein dreckiger Hurensohn!«

      Erich von Saxingen blieb ihm seinerseits eine Erwiderung nicht schuldig. Er trat neben das Pferd, über dessen Sattel Piet bäuchlings lag, holte mit der Faust aus und schmetterte sie ihm gegen die linke Wange. Piet nahm den Schlag hin, ohne auch nur einen Laut von sich zu geben oder mit der Wimper zu zucken.

      »Hör auf«, sagte Bruno von Kreye. »Das hat doch jetzt keinen Zweck, Erich. Spar dir das für später auf.«

      »Glaubst du, ich lasse mich beleidigen?« fuhr der andere ihn an.

      »Nein, natürlich nicht.«

      »Dann halt's Maul«, sagte von Saxingen grob. »Vorschriften lasse ich mir von keinem machen, verstehst du? Wenn dir irgendwas nicht paßt, kannst du von mir aus abhauen.«

      Von Kreye brachte es fertig, zu grinsen. »Red keinen Unsinn. So war das nicht gemeint. Ich glaube, wir sind beide müde. Wir sollten uns erst mal ausruhen.« Er saß ab, und sie führten die Pferde an den Zügeln zu der Hütte.

      Sie banden die Gefangenen von den Sätteln los und schleppten sie in die Hütte. Unsanft ließen sie sie zu Boden fallen. Von Saxingen lachte roh, als Dan sich dabei den Kopf stieß.

      Von Kreye brachte die Pferde zu einem Verschlag, der als Anbau zwischen der Hütte und dem Köhlerofen stand, sattelte und zäumte sie ab und versorgte sie, so gut es ging. Das nahm einige Zeit in Anspruch. Erich unterzog unterdessen die Hütte einer genaueren Untersuchung. Er stieg sogar in den Keller hinunter, entfachte einen Kienspan und sah sich eingehend um.

      Der Keller war mit aufgeschichteten Feldsteinen umwandet. Er lag ganz unter der Erde und hatte nicht einmal ein Luftloch, durch das eine Maus hätte kriechen können.

      Sehr gut, dachte von Saxingen und grinste wieder, ein feines Gefängnis. Es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn sie hier wieder rauskämen.

      Er kehrte nach oben zurück und vergewisserte sich sogleich, ob die Gefangenen noch am selben Platz lagen. So entging ihm auch nicht der haßerfüllte Blick, den Dan O'Flynn ihm zuwarf.

      »Du dreckiger Mörder!« stieß Dan hervor. »Du kriegst noch dein Fett, verlaß dich drauf!«

      »Was hast du gesagt?« schrie von Saxingen ihn an. »Sprich Deutsch, du englischer Bastard!«

      »Er kann kein Deutsch«, sagte Piet Straaten.

      »Aber du!« Von Saxingen trat Piet mit dem Stiefel in die linke Körperseite. »Was hat er gesagt? Raus damit!«

      Piet biß die Zähne zusammen, der Schmerz flutete wie eine heiße Woge durch seinen Körper. Doch bevor der Kerl wieder zutreten konnte, antwortete er ihm: »Er hat gesagt, daß der Herr deiner armen Seele gnädig sein möge.«

      »Warum?« schrie Erich von Saxingen.

      »Weil du nicht mehr lange zu leben hast.«

      Von Saxingen trat nun doch wieder zu, und zwar mit voller Wucht. Er ließ von Piet ab und wollte Dan traktieren, doch in diesem Moment wurde die Tür geöffnet, und Bruno von Kreye trat zu ihnen ins Innere der Hütte.

      »Erich«, sagte er. »Wenn du weiter so herumschreist, kann es uns passieren, daß wir doch noch Besuch kriegen. Du weckst ja die ganze Gegend auf.«

      »Willst du mich schon wieder maßregeln?« fragte Erich von Saxingen lauernd.

      »Keineswegs.«

      Erich von Saxingen schien zu überlegen, ob er seinem Spießgesellen noch trauen durfte. Nach einigem Nachdenken, das von Bruno von Kreyes Schweigen und Dans und Piets zornigen Blicken begleitet war, gelangte er jedoch zu dem Schluß, daß er auf von Kreye angewiesen war – genauso, wie dieser auf ihn. Es hatte wirklich keinen Zweck, sich zu streiten.

      »Ist mit den Pferden alles in Ordnung?« fragte Erich von Saxingen.

      »Alles«, erwiderte von Kreye. »Ich habe sogar ein wenig Heu gefunden, das ich ihnen zu fressen gegeben habe.«

      »Gut. Dann hilf mir mal, die Kerle in den Keller zu tragen.« Von Saxingen kicherte plötzlich. »Du wirst staunen, was für ein feines Kellerchen das ist. Sie könnten, selbst wenn sie Schaufeln wie ein Maulwurf hätten, nicht raus, und wenn es uns zu bunt mit ihnen wird, brauchen wir nur das Loch zu schließen, dann ersticken sie.«

      »Was hat er gesagt?« wollte Dan von Piet wissen.

      »Ich glaube, er meint, daß er uns in dem Keller elendig verrecken lassen könnte«, entgegnete Piet.

      »Er ist ein Sadist, ein perverses Schwein«, sagte Dan.

      Erich von Saxingen trat wie verrückt mit dem Fuß nach ihnen und schrie sie an: »Noch ein Wort, ihr Bastarde, und ich stopfe euch wieder die Knebel zwischen die Zähne, die wir euch gnädigerweise abgenommen haben. Verstanden?«

      »Verstanden«, sagte Piet gepreßt, dann wandte er sich auf englisch an Dan. »Wir sollen den Mund halten, sonst kriegen wir wieder die Knebel verpaßt.«

      Sie schwiegen also. Es hatte keinen Zweck, Erich von Saxingen noch länger zu reizen. Sie mußten die Möglichkeit haben, sich untereinander zu verständigen, wenn sie erst unten im Keller lagen. Sie mußten nach einer Fluchtmöglichkeit suchen, koste es, was es wolle. Trotz ihrer Wut und ihres Hasses auf die zwei Kerle durften sie sich jetzt keinen Fehler erlauben, es war unklug, sich auch nur den Hauch einer Chance zu verscherzen.

      Deshalb ließen Dan und Piet es sich widerstandslos gefallen, von den beiden Kerlen hochgehoben und über die schmale Stiege in den Keller getragen zu werden. Warum sollten sie sich auch wehren? Sie erreichten dadurch höchstens, daß die Junker allenfalls stürzten, mehr nicht. Es lohnte