Seewölfe Paket 18. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397761
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ausgegangen war. O heiliger Patrick – wie das Heulen der armen Seelen im Fegefeuer hatte das geklungen!

      Auch Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, schwieg zunächst. Aber nicht, weil er die nächtlichen Vorgänge auf dem Lake Pontchartrain für Geisterspuk hielt, sondern weil er bereits zu einer ganz bestimmten Überzeugung gelangt war. Diese hatte ihn letzten Endes veranlaßt, die kleine Jolle von der „Isabella IX.“ abfieren zu lassen und der „Erscheinung“ zu folgen.

      Seiner Meinung nach mußte es sich bei jener in allen Farben schillernden Hütte, die im Nebel den Eindruck vermittelt hatte, als schwebe sie über dem Wasser, um eine Art Hausboot handeln. Doch das mußte erst noch bewiesen werden, deshalb setzte er alles daran, jenes seltsame Wasserfahrzeug einzuholen.

      Aye, Sir, dieses „schwebende Haus“ – oder was immer es auch sein mochte – hielt die Seewölfe seit Stunden in Atem. Dabei hatten sie gehofft, an den stillen und abgelegenen Ufern des Lake ein Plätzchen zu finden, an dem sich die fieberkranken Timucua-Indianer erholen konnten. Dies war nämlich die Grundvoraussetzung für die geplante Übersiedlung des Stammes in die Karibik. Vorgesehen war eine Plantageninsel, die zur Gruppe der Caicos-Inseln gehörte und in der Nähe der von den Seewölfen als Schlupfwinkel benutzten Schlangen-Insel lag.

      Die Timucuas suchten aus zwingenden Gründen eine neue Heimat, deshalb waren sie bereit, alles zu tun, um das Schreckgespenst des Sumpffiebers zu bannen. Die „San Donato“, die sie den spanischen Unterdrückern bei ihrer Rebellion weggenommen hatten, diente als „Lazarettschiff“ und war mit der „Isabella“ unter Mithilfe einiger Dons, die von ihren Vorgesetzten die Nase endgültig voll hatten, in den Lake Pontchartrain gesegelt worden.

      Aber Marcos, der sich zusammen mit vier Landsleuten an Bord der „San Donato“ aufhielt, hatte sich wohl geirrt, als er von diesem See als einem Ort gesprochen hatte, an dem man „so sicher wie in Abrahams Schoß“ sei. Er war über die rätselhaften Vorgänge genauso verblüfft wie alle anderen und hatte bislang keine Erklärung dafür gefunden.

      Zwar wußte niemand, ob von dem „schwebenden Haus“ besondere Gefahren ausgingen, aber sein Auftauchen war auf jeden Fall dazu geeignet, unter den abergläubischen Indianern für Unruhe zu sorgen. Aus diesem Grund hatten sich die Seewölfe dazu entschlossen, die Vorgänge zu untersuchen und dem „Spuk“ notfalls ein Ende zu bereiten.

      Es wurde zunehmend heller, die Nebelschwaden lösten sich mehr und mehr auf, und der Morgen brach herein.

      Die Männer in der Jolle, zu denen außer dem Seewolf, Edwin Carberry, Big Old Shane, Smoky und Stenmark auch noch Roger Brighton und Dan O’Flynn gehörten, verloren die aufsehenerregende Erscheinung nicht aus den Augen.

      Die merkwürdigen Lichter, die zuckend in den Fensteröffnungen des Gebildes tanzten, erleichterten es ihnen, Fühlung zu halten. Auch wenn sie manchmal in einer Nebelbank verschwanden, tauchten sie gleich Irrlichtern immer wieder auf und verrieten den Kurs, den das „schwebende Haus“ eingeschlagen hatte.

      „He!“ sagte Big Old Shane plötzlich. „Die Gespenster fallen nach Backbord ab!“

      „Dann tun wir es eben auch“, bemerkte der Seewolf.

      Big Old Shane nickte und legte sanft Ruder. Das Beiboot drehte in die gewünschte Richtung.

      Da sich die Rudergasten mächtig ins Zeug legten, holte die Jolle mehr und mehr auf. Die eigenartigen Geräusche, die längst nicht mehr zu hören gewesen waren, drangen jetzt erneut an die Ohren der Seewölfe.

      „Das Leben als Gespenst muß verdammt anstrengend sein“, sagte Dan O’Flynn. Er hielt im Gegensatz zu seinem Erzeuger ziemlich wenig von den Dingen, die sich „hinter der Kimm“ abspielten. „Eine ganze Nacht lang singen, heulen und trommeln“, fuhr er fort, „vielen Dank, da bleibe ich doch lieber bei unserer Art der Seefahrt.“

      „Ich auch“, pflichtete ihm der Profos bei und holte mit Bärenkräften den Riemen durch.

      Hasard lächelte, was jedoch in der Morgendämmerung niemand sehen konnte.

      „Das ist auch besser so, Ed“, sagte er. „Du wärst mit Sicherheit der Schrecken aller Gespenster, wenn du erst damit drohen würdest, ihnen die Haut in Streifen von gewissen edlen Körperteilen abzuziehen, die sie vielleicht gar nicht haben. Da bist du an Bord unserer Lady wahrhaftig besser aufgehoben.“

      „Das will ich meinen, Sir“, entgegnete Edwin Carberry grinsend. „Mit mir hätten die in der Hölle nur Ärger, weil ich mich ganz gewiß nicht von der Großmutter des Gehörnten herumkommandieren lassen würde. Irgendwann würde ich der Alten mit einem glühenden Brenneisen ein prächtiges Karomuster auf ihren verrunzelten …“

      Big Old Shane unterbrach den Profos.

      „Wahrschau!“ rief er mit gedämpfter Stimme. „Das verdammte Ding schlüpft ins Schilfdickicht!“

      Sofort verstummte jedes Geräusch an Bord der Jolle. Die anderen Arwenacks drehten sich auf den Duchten um und blickten in die Richtung, in die Old Shane deutete. Sie sahen, wie das schemenhafte Gebilde mit den flackernden Lichtern in einen natürlichen Kanal „einschwebte“. Oder schwamm es etwa doch? Verflixt und zugenäht – manchmal sah es fast so aus.

      Die Seewölfe kannten solche naturgegebenen Kanäle, mit denen sie es in Florida bereits zu tun gehabt hatten. Sie führten unvermittelt ins Dickicht und boten Unterschlüpfe, die man in der Regel nur durch Zufall fand.

      Smoky, der bis jetzt geschwiegen hatte, schluckte plötzlich hart.

      „Ich glaube, mich laust ein Affe“, murmelte er. „Wenn mich nicht alles täuscht, schwimmt das Ding tatsächlich!“

      „Willst du wohl weiterpullen, du Sumpfratte!“ Der Profos warf Smoky einen grimmigen Blick zu. „Wenn der Kübel durch die Luft geflogen wäre, hätte dich das kaum beeindruckt, was, wie? Aber daß er plötzlich wie eine Ente schwimmt, das geht nicht in deinen Holzkopf rein!“

      „Hausboote sind meines Wissens bisher immer geschwommen“, schaltete sich der Seewolf lächelnd ein. „Und daß es sich um ein solches handelt, wird wohl kaum noch jemand von euch bestreiten wollen.“

      „Du meinst, Sir …?“ Smoky wirkte verunsichert.

      „Genau das meine ich“, sagte Hasard. „Aber gleich werden wir es ja genau wissen.“

      Die Arwenacks pullten wie besessen, die Jolle näherte sich unaufhaltsam dem geheimnisvollen Gefährt. Je mehr sich der Abstand verringerte, desto lauter wurde das monotone Singen und Stampfen.

      Augenblicke später blieb der „Spuk-Kübel“ zum Erstaunen der Seewölfe im Rohrdickicht liegen und rührte sich nicht mehr von der Stelle.

      „Zum Kuckuck!“ stieß Smoky mit leiser Stimme hervor. „Es ist wirklich ein Hausboot. Du hast dich nicht geirrt, Sir.“

      Die anderen nickten bestätigend. Das „Ding“ sah zwar nach wie vor gespenstisch aus, aber es schien eben doch nur ein Wasserfahrzeug zu sein, das im Einklang mit den Naturgesetzen auf den Fluten des Lake Pontchartrain schwamm.

      Während sich die Sonne anschickte, das düstere Grau am Himmel zu durchdringen und die letzten Nebelschwaden aufzusaugen, schmolz die Entfernung zwischen der Jolle und dem Hausboot bis auf ungefähr fünfzig Yards zusammen.

      Das verhältnismäßig große Gefährt wirkte auf den ersten Blick plump und primitiv. Dominierend war die hohe und langgestreckte Hütte, die aus einer Unzahl von bunten Holzbrettern zu bestehen schien. Die merkwürdigen Lichter, die Old Donegal als „Dämonenmäuler“ und „Teufelsaugen“ bezeichnet hatte, glühten und flackerten noch immer in den zahlreichen Fensterhöhlen. Aber nirgends war ein menschliches Wesen zu sehen.

      Wie die Seewölfe mit Erstaunen feststellten, hatte das Hausboot sogar einen Mast. Dieser war zwar reichlich krumm, aber notfalls konnte ein primitives Segel, das für achterlichen Wind taugte, gesetzt werden. Sonst wurde das Boot höchstwahrscheinlich durch Wriggen und Staken voranbewegt.

      Noch immer starrten die Arwenacks verwundert auf dieses ihrer Meinung nach seeuntüchtige