„Warum?“
„Ein gewisser Don Marcello Struzzo würde dir beim Gewinn-Einstreichen bestimmt nicht tatenlos zusehen.“
Porfirios Gesicht verlor an Farbe. Er leerte sein Glas in einem Zug und schob es Blacky zum Nachfüllen hin.
„Wir werden uns eben etwas einfallen lassen müssen“, sagte der Händler unsicher. Seine Zunge stieß beim Sprechen bereits kaum merklich an. „Klippen sind schließlich dazu da, daß man sie umschifft, nicht wahr?“
Blacky nickte, lächelte und bediente ihn mit einem vollen Glas.
3.
Die laue Luft des frühen Abends strich über den Hafen von Cagliari. Der Windhauch hätte kaum ausgereicht, um dem Dreimaster die Segel zu füllen. Eine Atmosphäre von Entspanntheit bestimmte das Geschehen in der Stadt.
Carberry spürte es genauso wie die Arwenacks, die sich seinem „Kommando“ angeschlossen hatten. Batuti, Smoky, Roger Brighton, Paddy Rogers, Gary Andrews, Jeff Bowie, Sam Roskill und Matt Davies schlenderten gemeinsam mit dem Profos durch die stadteinwärts führenden Gassen.
Wo sie auftauchten, verstummten Gespräche und richteten sich Blicke auf sie. Staunen und Bewunderung paarten sich in den Augen der Einheimischen, deren abendliches Leben sich auf Bänken oder Stühlen vor den Hauseingängen, unter Vordächern und in sonnenverbrannten Vorgärten abspielte. Besonders der Profos mit seiner riesenhaften Statur, der herkulisch gebaute Gambianeger und die beiden Männer mit den Hakenprothesen fielen auf.
Matt Davies, dessen Haar nach einer Nacht unter Haien vollständig ergraut war, trug am rechten Unterarm die von Ferris Tucker gefertigte Prothese mit dem spitzgeschliffenen Eisenhaken. Jeff Bowie trug einen ähnlichen Ersatz links. Piranhas hatten ihm vor Jahren die Hand abgefressen.
Die Cagliari-Einwohner, die den Arwenacks nachblickten, ahnten mit einem leichten Erschauern, was für Rauhbeine da an ihnen vorbeispazierten. Unschwer vorzustellen, wie diese Kerle selbst den Teufel und alle Naturgewalten herausforderten, wenn es sein mußte.
Durch verschachtelte Gassen, die mit beträchtlicher Steigung stadteinwärts führten, erreichten die Arwenacks die kleine Piazza. Die Giebelseiten der Häuser waren dem gepflasterten Platz zugewandt. Platanen spendeten Schatten für die Eingänge und Fenster der Häuser. Über die Dächer an der Nordwestseite fiel der Blick auf das bergige Landesinnere. Heitere Stimmen erfüllten die Piazza. Bei mindestens einem Drittel der Gebäude handelte es sich um Schenken der unterschiedlichsten Art.
Carberry und seine Begleiter sahen sich kurz um.
Sie brauchten nicht lange zu überlegen.
Eine Trattoria mit einem Dutzend langer Tische vor der Hausfront war genau richtig für sie. Noch nicht einmal die Hälfte der Tische war besetzt, und die Signorinas, die dort ohne männliche Begleitung ausharrten, sahen zum Anbeißen aus. Die schmachtenden Blicke, die sie herüberwarfen, waren gut eingeübt – was ebenso mit der Nähe des Hafens zu tun haben mußte wie die Anwesenheit der Signorinas überhaupt.
„Kurs auf die Ladys!“ entschied Carberry.
Die Männer fügten sich willig seinem Kommando.
An den Tischen vor der Trattoria herrschte eindeutig Frauenüberschuß. Die wenigen Seeleute, die der Sprache nach aus Sizilien und Spanien stammten, reichten an Zahlenstärke nicht aus, um die Unterhaltung der Ladys zu gewährleisten – wozu in erster Linie eine gewisse Zahlungskraft gehörte.
Die Arwenacks, das sagte der weiblich-fachmännische Blick auf Anhieb, waren nicht nur verteufelt prächtige Mannsbilder, sondern sie sahen auch ganz danach aus, daß sie die Puppen tanzen lassen konnten.
Der Profos und seine Gefährten suchten sich einen Tisch ganz vorn aus, unmittelbar an der Piazza. Der Inhaber erschien zusammen mit einem Gehilfen, um sich nach ihren Wünschen zu erkundigen. Die Arwenacks entschieden sich für Rotwein, Schinken und frisches weißes Brot.
Der geräucherte Schinken, zum knusprigen Brot in hauchzarte Scheiben geschnitten, zerging auf der Zunge. Und der Rotwein rann so sanft in die Kehle, daß die Männer an englisches Bier, schottischen Whisky und karibischen Rum keinen Gedanken mehr verschwendeten.
Die weibliche Gesellschaft ließ nicht lange auf sich warten.
Kichernd und schnatternd, hüftenwiegend und glutäugig schoben sich die Signorinas heran. Eine Verständigung, die ohnehin nicht möglich schien, erübrigte sich vorerst. Gesten genügten. Die Wahl einer drallen Brünette fiel nach kurzem und tiefem Blickkontakt auf Carberry. Sie ließ sich neben ihm auf der Bank nieder.
Der Gehilfe des Inhabers brachte neue Trinkbecher und nachgefüllte Weinkrüge. Die Stimmen der Arwenacks und auch der übrigen Seeleute wurden lärmender und ausgelassener. Die Signorinas kreischten gelegentlich, wenn eine allzu vorwitzige Hand in Gegenden vordrang, deren Erkundung zu diesem Zeitpunkt noch nicht genehm war.
Carberry hatte inzwischen herausgefunden, daß seine Brünette auf den Namen Consuela hörte und einen spanischen Vater und eine sardische Mutter hatte. Consuela beherrschte ein paar spanische Wörter. Indem sie sich an den großen Mann mit dem Narbengesicht schmiegte, gestand sie ihm, daß er ihr mächtig gut gefalle. Er blickte sie grinsend von der Seite an, um den Wahrheitsgehalt ihrer Äußerung zu prüfen.
Mindestens zur Hälfte, so stellte er fest, stimmte es. Das Prachtweib war eine Sünde wert.
Consuela strich mit den Fingerkuppen über seine Armmuskeln.
„Starker Mann!“ hauchte sie voller Bewunderung.
„Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben“, entgegnete er auf Spanisch und grinste dazu.
Consuela kicherte und hielt sich die Hand vor den Mund. Plötzlich verstummte sie, als hätten ihre Stimmbänder auf einmal alle Kraft verloren.
Auch die anderen wurden still. Überall auf der Piazza versickerten die Gespräche. Nur die Arwenacks und die übrigen Seeleute, die nicht aus Cagliari stammten, begriffen nicht auf Anhieb, was los war.
Carberry sah Consuela an, und dann blickte er auf die Piazza, wohin ihre dunklen Augen starr gerichtet waren. Die restlichen Männer von der Schebecke wurden ebenfalls in diesen Sekunden aufmerksam.
Jene, auf die sich alles Interesse konzentrierte, stolzierten von stadteinwärts auf die Piazza. Dreizehn geschniegelte Affen, wie Carberry nach raschem Zählen feststellte.
Auf Anhieb fühlten sie sich als Beherrscher der Szene. Das zeigten allein ihre hoch erhobenen Nasen, die blasierten Mienen und die gespreizte Art ihres Gangs. Alle dreizehn trugen blitzblanke Schnallenschuhe, weiße Strümpfe, dunkle Beinkleider und silber- und golddurchwirkte Oberbekleidung. Auch ihre Pistolen und Dolche hatten überwiegend ziselierte Griff stücke.
Wie es das Verhängnis wollte, steuerten die Geschniegelten ausgerechnet auf jene Trattoria zu, vor der sich die Arwenacks niedergelassen hatten.
Der Anführer, der seine Anweisungen mit knappen Handbewegungen gab, war ein mittelgroßer, breitschultriger Kerl mit düsterem Vollbart. Er zog sein Barett vom Kopf, und eine kurzgeschorene schwarze Haarmatte wurde sichtbar, als er zu einem freien Tisch in der Nähe der Arwenacks wies.
Die Geschniegelten ließen sich nieder. Ihre Sprache klang so geziert wie ihr gesamtes Auftreten. Der Inhaber der Trattoria eilte mit zwei Gehilfen herbei, und alle drei mußten vor lauter Verbeugungen Mühe haben, mitzukriegen, was die hochwohlgeborenen Gäste bestellten. Weinkrüge wurden herbeigeschleppt, Brot in flachen Körben, die mit weißen Tüchern ausgelegt waren. Den Schinken servierte der Inhaber persönlich auf silbernen Platten.
„Scheint so, als ob die Kerle vor Geld stinken“, sagte Carberry gallig.
Die Arwenacks grinsten und nickten zustimmend.
Consuela legte warnend den Zeigefinger auf die Lippen. Eine unerklärliche Anspannung hatte sie und ihre