Matt Davies war ein Mann, der gern lachte, und er war der einzige in der Mannschaft, der ein paar Peitschenhiebe in Kauf nahm, um mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg zu halten.
„Wenn uns die Dons erwischen, ketten sie uns an den Riemen einer Galeere“, sagte er. Seine braunen Augen blickten Hasard offen an.
„Oder sie hängen uns an die nächste Rahnock“, sagte Hasard.
„Es ist reiner Selbstmord, noch weiter mit dem Geleitzug zu fahren“, fuhr Matt Davies fort. „Wenn wir erst in einem spanischen Hafen sind, rettet uns nichts mehr. Aber, zum Teufel, ich will verdammt sein, wenn ich mir von den schwarzhaarigen Affen mein Prisengeld wieder abjagen lasse!“ Ein Grinsen zog sein breites Gesicht noch mehr in die Breite.
Hasard hätte Matt Davies für diese Worte umarmen können, denn er sah, welche Wirkung sie auf die anderen Männer hatten. Es war, als wäre ein Funke übergesprungen, und Dan O’Flynn, das vorlaute Bürschchen, rief: „Mit dem Seewolf durch die Hölle!“
Hasard konnte nur mit Mühe verhindern, daß die anderen Männer in das Gebrüll mit einstimmten.
„Ruhe, verdammt noch mal!“ sagte er scharf. „Wollt ihr uns die Dons auf den Hals hetzen?“ Er blickte hinüber zu der Kriegsgaleone, die auf Kabellänge neben ihnen hersegelte. „Wir werden heute nacht versuchen, abzuhauen, wenn der verdammte Mond uns nicht wieder einen Strich durch die Rechnung macht. Sonst werden wir mit nach Cadiz segeln. Ben Brighton kennt sich dort aus. Wenn alle Stricke reißen, können wir dort immer noch unsere Schiffe aufgeben und versuchen, uns irgendwie durchzuschlagen.“
„Oder die Spanier arrangieren für uns eine kleine Reise nach Valladolid“, sagte Matt Davies sarkastisch.
Blacky spuckte über Bord, und Dan erklärte Batuti, was es mit dieser Reise auf sich hatte. Hasard grinste, als er sah, wie der Schwarze bleich wurde und mit den Augen zu rollen begann.
Valladolid – das war seit Jahrzehnten eine Schreckensvision der englischen, französischen und holländischen Kaperfahrer und Piraten. Von allen Repressalien, die die Spanier sich für ihre Feinde ausgedacht hatten, war die Reise nach Valladolid die gefürchtetste. Von den Galeerenbänken oder aus einem der fürchterlichen spanischen Kerker konnte man mit ein bißchen Glück noch entfliehen, doch wenn man erst einmal auf der Plaza von Valladolid stand, war die Hölle nicht mehr weit. Hasard hatte gehört, daß die Dons dort an einem einzigen Tag einmal siebzehn englische und französische Piraten bei lebendigem Leib geröstet hatten.
Grauenhafte Geschichten kursierten unter den Seeleuten, und die Dons sorgten dafür, daß den Männern der Gesprächsstoff nicht ausging. Denn schließlich sollten diese Greueltaten zur Abschreckung dienen.
Hasard grinste. Die Dons konnten tun, was sie wollten. Die Kaper und Piraten waren durch die Bank hartgesottene Kerle, die sich einen Teufel darum scherten, was sie erwartete, wenn sie von den Dons erwischt wurden. Sie wollten großen Profit einstreichen – und einige wollten nicht einmal das. Sie wollten nur kämpfen und Abenteuer und Gefahren erleben.
Hasard ließ die Männer allein. Ben Brighton rief einen leisen Befehl, die Fock verdammt noch mal richtig zu trimmen. Die Männer eilten an die Schoten.
„Halt sie in Bewegung, Ben“, sagte der Seewolf, „damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen. Ich werde mich jetzt ein wenig aufs Ohr legen. Heute nacht versuchen wir es noch einmal.“
Ben Brighton warf einen Blick zum Himmel und schüttelte den Kopf.
„Keine Chance“, murmelte er, aber Hasard hörte es schon nicht mehr. Er verschwand im Gang zur Offizierskammer.
8.
Hasard fühlte sich alles andere als wohl, als er den Anker an der Bordwand rumpeln und dann ins Wasser klatschen hörte. Die Gesichter seiner Männer waren blaß und ernst. Wahrscheinlich sahen sich einige von ihnen bereits auf der Plaza von Valladolid und spürten die Hitze unter dem Hintern.
Die „Santa Barbara“ hatte sich dicht neben die „Barcelona“ gelegt. Hasard erhielt zum erstenmal seit zwei Tagen Gelegenheit, mit Ferris Tucker zu sprechen. Die Männer auf der „Santa Barbara“ waren völlig mit den Nerven herunter. Schließlich hatten sie nicht gewußt, was nun eigentlich gespielt wurde.
Hasard beruhigte die Männer. Er sagte ihnen, daß noch nicht alles verloren sei. Seine Worte klangen fest, aber wenn er zu den bis an die Zähne bewaffneten Kriegsgaleonen hinüberlinste, die die Reede von Cadiz abschirmten, glaubte er selbst nicht daran, was er sagte.
Hasard hätte am liebsten seine Wut laut hinausgeschrien. Die ganze Zeit über hatte der Wind ständig von Westen geweht, erst als es zu spät war, aus dem Geleitzug auszubrechen, hatte er gedreht. Seine Stärke hatte eher noch zugenommen, doch jetzt blies er aus dem Mittelmeer in den Atlantik hinaus.
Der Wind war warm, und dennoch fröstelte der Seewolf. Mit großen Augen betrachtete er das heillose Durcheinander, das auf der Reede herrschte. Boote, Barkassen und Kähne pendelten zwischen den einzelnen Schiffen hin und her. An Land waren Soldaten aufgezogen, die eine eigenartige Uniform trugen.
Hasard ging zu Ben Brighton hinüber, der mit Ferris Tukker sprach und ihm einige Anweisungen gab.
„Siehst du die Soldaten dort?“ fragte Hasard. „Was hat das zu bedeuten? Ob sie uns durchschaut haben?“
Ben Brighton schüttelte den Kopf.
„Das sind Männer der Casa“, sagte er. „Sie sorgen dafür, daß niemand von der Silberflotte an Land geht. Sie wollen verhindern, daß sich jemand seinen eigenen Anteil von der Ladung nimmt. Siehst du dort hinten die breiten Boote?“ Er wies mit der rechten Hand zur Mole hinüber.
Hasard sah ein paar Männer, die in Schwarz gekleidet waren. Sie bestiegen gerade die Boote, die von vier Rudergasten gerudert wurden.
„Das sind die Inspektoren der Casa“, fuhr Ben Brighton fort. „Sie gehen jetzt an Bord der einzelnen Schiffe und vergleichen die Ladung mit den Frachtbriefen. Wenn nicht alles haargenau stimmt, ist die Hölle los. Dann landet die gesamte Mannschaft zusammen mit ihrem Kapitän im Kerker von Cadiz, wo sie langsam verrotten, bevor ihnen der Prozeß gemacht wird. Bevor der Inspektor das Schiff nicht betreten hat, darf niemand an Land. Die Soldaten würden ihn ohne weiteres abknallen.“
Hasard biß sich auf die Unterlippe.
„Verdammt, wenn einer von ihnen die ‚Barcelona‘ oder die ‚Santa Barbara‘ betritt, sind wir geliefert!“
Ben Brighton blieb ruhig.
„Laß mich nur machen“, sagte er. „Schließlich sind wir keine Westindienfahrer. Die Casa hat auf unseren Schiffen nichts zu suchen. Ich werde ihnen erzählen, daß wir morgen früh unsere Reise nach Cartagena fortsetzen werden.“
„Und du glaubst, sie lassen sich darauf ein?“ fragte Hasard skeptisch.
Ben Brighton nickte.
„Sie wissen, daß sie große Schwierigkeiten kriegen, wenn sie ihre Kompetenzen überschreiten“, sagte er. „Die Casa hat in Spanien viele Feinde, und die anderen Städte warten nur darauf, Sevilla etwas am Zeuge flicken zu können.“
„Verdammt harte Sitten“, sagte Hasard. „Und ich dachte immer, die Senores stoßen sich gesund, wenn sie eine Fahrt hinter sich haben.“
„Das tun sie auch“, sagte Ben Brighton grinsend. „Sie müssen nur die richtigen Männer schmieren. Auch mit den Inspektoren läßt sich reden, nachdem sie erst einmal den Anteil des Königs an der Ladung gesichert haben. Dann erst wird der Rest der Ladung versteuert. Ein spanischer Kapitän, der es wissen muß, hat mir mal erzählt, daß eine ganze Horde von Beamten, Funktionären und Inspektoren wie die Geier darauf warten, sich ihren Teil an der Silberflotte zu sichern. Und wenn man dann noch eine einflußreiche Persönlichkeit am Hofe kennt, unter deren Schutz