Seewölfe Paket 13. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395026
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betrat mit ziemlich überlegener Miene das Achterdeck seines Schiffes und spähte unter seiner rechten Hand, mit der er die Sonnenstrahlen abschirmte, zur „Jane“ hinüber.

      „Was schlägst du vor, Selim?“ rief Mechmed, der sich wieder als Übersetzer betätigte, auf arabisch. „Wo sollen wir weitersuchen?“

      „Ich kenne Zypern!“ schrie Selim zurück. „Der einzige Hafen, den die Hundesöhne anlaufen könnten, wäre Paphos.“

      Mechmed übertrug dies ins Spanische, und Lord Henry, der neben ihm auf dem Quarterdeck der „Jane“ stand, sagte: „Wo liegt Paphos?“

      Mechmed wandte sich wieder an Selim, und kurz darauf wußte Henry, daß sie den Hafen Paphos rund vierzig Meilen weiter südlich an der Westküste Zyperns vorfinden würden.

      „Aber Killigrew könnte sich auch nach Osten gewandt haben!“ gab er zu bedenken.

      „Das glaube ich nicht!“ rief Selim zurück. „Sein ursprünglicher Kurs lag nach Süden an, vergiß das nicht, Lord Henry! Bevor es zum Gefecht kam, segelte er direkt nach Süden, und er hätte die Westküste von Zypern passiert!“

      „Du meinst, er will nach Nordafrika?“

      „Vorstellen könnte ich es mir!“

      „Was gibt es dort zu holen?“

      „Nicht sehr viel mehr als Sand, aber Allah allein weiß, was ihn dorthin treibt!“ schrie der Türke. „Doch das soll nicht unsere Sorge sein! Laufen wir Paphos an, Henry, du wirst sehen, ich habe recht! Wahrscheinlich versucht der Bastard dort, seine Gefechtsschäden auszubessern und ein wenig Wasser und Proviant an Bord zu nehmen!“

      „Gut!“ rief Henry ihm zu. „Ich bin einverstanden! Übernimm du jetzt die Führung!“

      Selim verließ ohne ein weiteres Wort das Achterdeck und gab seinen Männern die erforderlichen Befehle. Etwas später glitten die beiden Schiffe wieder an der Küste entlang. Der anhaltend frische Wind aus Nordwesten blähte ihre Segel auf und verlieh ihnen gute Fahrt.

      Paphos, dachte Lord Henry, ein Hafen, ein Markt, eine Absatzmöglichkeit für jede Art von Ware – das kommt meinen Plänen entgegen. Er blickte zu Tim Scoby, und Scoby grinste.

      Er hatte schon begriffen, was in Henrys Geist vorging.

      Noch vor Einsetzen der Dunkelheit langten sie in Paphos an. Selim führte die Verhandlungen mit den beiden Abgesandten des Hafenkapitäns, die zur Kontrolle mit einer Pinasse übersetzten. Er gab sich als türkischer Kauffahrer aus, der von seinem englischen Handelspartner begleitet wurde, und erklärte, daß sie am nächsten Tag große Einkäufe auf dem Markt von Paphos tätigen wollten. Die Kontrolle verlief schon in ihren Ansätzen lax, und die letzten Vermutungen der Delegierten, man führe sie vielleicht gewaltig an der Nase herum, wurden durch einen kleinen Beutel mit Perlen ausgeräumt, die Selim ihnen als „Gastgeschenk“ für den Hafenkapitän überreichte.

      Selbstverständlich würden die Abgesandten den Beutel für sich behalten, statt ihn an ihren Vorgesetzten auszuhändigen, das war sozusagen Ehrensache. Genauso sicher war Selim aber auch, daß sie vorerst die Perlen nicht als die Fälschungen erkennen würden, die diese in Wirklichkeit waren.

      Zufrieden verließen die Zyprioten die Schebecke. Der Weg in den Hafen stand der „Grinta“ und der „Cruel Jane“ offen.

      Gemächlich lavierten sie in der zunehmenden Dunkelheit zwischen den auf der Reede liegenden großen und kleinen Segelschiffen dahin, auf der Suche nach einem geeigneten Ankerplatz.

      Selim nahm fest an, daß sich auf diesen Kauffahrern und Abenteurerschiffen – es waren Levantiner, Afrikaner, Griechen, Venezianer, Genuesen, Spanier und Portugiesen – die eine oder andere Besatzung befand, die mit ihm und seinen Männern schon Bekanntschaft geschlossen hatte. Viele Schiffe hatte Selim zwischen der Türkei, Zypern, Kreta, dem Libanon und Syrien überfallen. Doch jetzt, im ersterbenden Licht, war es unwahrscheinlich, von irgend jemandem als der entlarvt zu werden, der er tatsächlich war.

      Lord Henry, der mit seiner Galeone näher an die Schebecke herangerückt war, hatte in dieser Beziehung weniger zu befürchten. Nie zuvor war er mit seiner Mannschaft so weit ins östliche Mittelmeer vorgedrungen. Er war vorher nur bis nach Sizilien gesegelt, um Fischerdörfer zu plündern und weiße Frauen als Sklavinnen an Bord seines Schiffes zu holen, aber hier – wer sollte ihn hier schon wiedererkennen?

      Henry stand auf dem Achterdeck und blickte zu den weißen Häusern des Hafenviertels, hinter deren Fassaden sich – nur noch schwach zu erkennen – andere Bauten erhoben und die Hänge der Hügel emporzustreben schienen, die im Landesinneren hochwuchsen. Hier und dort flammten Lichter auf. Von den Hafenanlagen her waren jetzt bereits die Stimmen von Menschen zu vernehmen. Eine seltsame Duftmischung von Salz, Teer, Rauch und Fisch lag in der Luft.

      Scoby und Dark Joe traten neben Henry. Codfish befand sich wieder im Großmars und hielt nach wie vor die Augen nach allen Seiten offen.

      „Richtig orientalisch“, sagte Tim Scoby. „Hier müßte Dalida sich doch eigentlich wohl fühlen. Hier ist sie fast zu Hause.“

      „Still“, warnte Henry. „Sie könnte uns hören.“

      „Sie sitzt in ihrer Kammer“, brummte Dark Joe, „und versteht kein Wort.“

      „Unterschätzt sie nicht“, sagte Lord Henry. „Sie hat ausgezeichnete Ohren und versteht inzwischen schon mehr Englisch, als ihr vielleicht denkt.“

      „Ja, sie lernt schnell“, meinte nun auch Tim Scoby. „Wann bringen wir sie an Land? Und wann schaffen wir die verfluchten Berber von unserem Schiff?“

      „Noch heute nacht.“

      „Da wäre nur ein Problem, das mir eingefallen ist“, murmelte Dark Joe. „Wenn Mechmed weg ist, haben wir keinen Dolmetscher mehr, um mit Selim zu sprechen.“

      „Auch auf Selim können wir bald verzichten“, meinte Henry. Er wollte gerade weiterreden, da gab Codfish über ihren Köpfen einen gedämpften Ruf von sich.

      „Galeone an Steuerbord“, sagte er so laut, daß sie ihn gerade noch verstehen konnten. „Das ist Killigrews Schiff! Wir haben ihn!“

      Tim Scoby dämpfte seinen Optimismus. „Mann, Codfish, siehst du denn nicht, daß er eine französische Flagge führt?“ rief er halblaut zum Großmars hinauf.

      „Doch, aber …“

      „Und er hat auch keine Drehbassen auf der Back und auf dem Achterdeck“, stellte Dark Joe nüchtern fest. „Also hast du dich getäuscht. Wäre ja auch zu schön gewesen.“

      „Manchmal benehmt ihr euch wie die Narren“, sagte Henry verächtlich. „Killigrew wird seine Gründe haben, warum er hier nicht erkannt werden will. Er hat sich als Franzose getarnt und vorsichtshalber die Drehbassen abmontieren lassen. Aber seht euch die Galeone genau an. Hat sie nicht auffallend hohe Masten und niedrige Aufbauten? Ich will verdammt sein, wenn das nicht die ‚Isabella‘ ist.“

      „Verflucht, es ist kaum noch was zu erkennen“, sagte Scoby. „Wir müssen schon näher an ihn heran, wenn wir ganz sicher sein wollen.“

      „Es ist kein Ausguck in seinem Mars!“ meldete Codfish. „Ich schätze, er hat uns noch nicht richtig bemerkt. Seine Deckswache scheint zu schlafen – oder der Großteil der Besatzung ist an Land, und der Rest besäuft sich unter Deck.“

      „Um auf den Sieg über uns anzustoßen“, sagte Lord Henry grimmig. „Aber die Freude verderben wir den Hunden. Nutzen wir unsere Chance aus, und pirschen wir uns mit den Booten an ihn heran.“

      „Sofort?“ fragte Dark Joe.

      „Sofort. Gebt Selim ein Zeichen, damit er Bescheid weiß.“

      Lord Henry bemannte seine beiden Beiboote. Selim, Dobran, Firuz und fünf andere Männer der „Grinta“ schlossen sich ihnen mit einem dritten Boot an, nachdem die Schebecke genau wie die Galeone auf der Reede vor Anker gegangen war.