Seewölfe Paket 13. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395026
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auf dem Achterdeck stand, der jetzt den Kolderstock bewegte, blickte zu Selim und dachte: Ganz so leicht, wie du es dir gedacht hast, ist es wohl doch nicht, den Seewolf zu überwältigen – oder?

      Sie hatte selbst erfahren, wie klug und kampferfahren dieser Philip Hasard Killigrew war. Hatte er nicht auf Rhodos verhindert, daß sie, Jella, und die Türkinnen ihn und seine Männer in eine tödliche Falle lockten? Hart hatte er sie angefaßt und dann rücksichtslos in ein leerstehendes Haus gestoßen, und doch empfand sie keinen Haß gegen ihn.

      Im Gegenteil, sie verspürte so etwas wie eine tiefe Bewunderung für diesen Mann, der ihr doch so fremd war und eigentlich ihr Todfeind hätte sein sollen – und sie war ihm dankbar dafür, daß er sie zusammen mit den anderen Frauen, dem „Hurenvölkchen“ der türkischen Piraten, hatte laufenlassen. Damit hatte er ihnen das Leben gerettet, denn die Bewohner des Dorfes Pigadia hätten sie zweifellos getötet, wenn sie sie in dem Haus gefunden hätten.

      Allerdings ging Jellas Dank nicht so weit, daß sie sich für jenen Philip Hasard Killigrew eingesetzt hätte. Sie verfolgte mit wachem Interesse, wie sich der Kampf entwickelte, und dachte: Wie es auch ausläuft, die Hauptsache ist, daß dir nichts geschieht.

      Ganz gleich, wer der Sieger sein würde, sie würde ihre Haut nötigenfalls zu retten wissen. Es war schon immer ihr größtes Talent gewesen, aus jeder Situation das Beste zu machen und auch aus dem wildesten Handgemenge nicht die kleinste Schramme davonzutragen.

      Ähnlich dachte auch Dalida, die bislang nicht vom Achterdeck der „Cruel Jane“ gewichen war. Die Überlegungen der beiden Frauen schienen sich von Schiff zu Schiff zu verstricken, doch Dalida, die Ägypterin, träumte nach wie vor voll Haß davon, es besonders dem narbigen Profos der „Isabella“ besorgen zu können.

      Hasard hatte Old O’Flynn angewiesen, die leergefeuerten achteren Drehbassen nachzuladen, dann hatte er sich umgedreht und war aufs Quarterdeck hinuntergestiegen.

      „Ben!“ rief er. „Anluven jetzt und auf Westkurs gehen!“

      „Aye, Sir!“

      „Sir“, sagte Ferris Tucker, der gerade von seiner Flaschenbomben-Abschußvorrichtung aufsah. „Soll ich meine Kanone nicht lieber auf die Kampanje bringen?“

      „Nein, laß sie hier auf dem Quarterdeck!“ rief der Seewolf ihm zu. „Sie gelangt bestimmt gleich zum Einsatz!“

      Nach dem Schuß aus dem Buggeschütz der Schebecke dröhnte nun auch der zweite Drehbassenschuß der „Cruel Jane“ heran. Wieder erbebte das Heck der „Isabella“ wie unter den Schlägen gewaltiger Hämmer, wieder hatten Henry und seine Männer einen Treffer verzeichnet, der auch gleich von dem Gebrüll der Piraten begleitet wurde.

      Hasard fuhr zu Pete Ballie herum. „Pete, was ist mit dem Ruder?“

      „Es funktioniert noch tadellos, Sir!“

      „Dann leg Hartruder. Steuerbord!“

      „Aye, aye, Sir!“

      Das Rad wirbelte unter Petes Händen, die Crew braßte die Segel an. Die Masten neigten sich wie sturmgebeugte Bäume nach Backbord, die „Isabella“ krängte stark zu ihrer linken Seite hin und zeigte im nächsten Moment der „Cruel Jane“ und der „Grinta“, die fleißig in der Bewegung mitzogen, die Kanonenmündungen ihrer Steuerbordbatterie.

      Die „Jane“ lag jetzt fast parallel zur „Isabella“ und bewegte sich in spitzwinkligem Kurs auf sie zu. „Die „Grinta“ segelte eine halbe Schiffslänge hinter der „Jane“ und trachtete, an das Heck der „Isabella“ zu gelangen.

      Der Abstand zwischen der „Cruel Jane“ und der „Isabella“ war jetzt derart gering, daß der Seewolf trotz der Dunkelheit die Bewegungen der Gestalten verfolgen konnte, die an Deck des Gegners an die Geschütze stürzten.

      „Shane!“ rief er. „Batuti!“

      Im Vormars und im Großmars flammten die mit ölgetränkten Lappen umwickelten Pfeilspitzen auf. Arwenack, der Schimpanse, der bei Big Old Shane und Bill hockte und das Geschehen bislang neugierig verfolgt hatte, deckte mit den Vorderpfoten beide Augen zu, denn er hatte eine ausgeprägte Abneigung gegen Feuer. Daß er dabei natürlich kräftig übertrieb, gehörte zu seiner Wesensart.

      Sir John, der karmesinrote Aracanga, flatterte kreischend zwischen den Masttoppen hin und her und stieß die ganze Skala von englischen und spanischen Flüchen aus, die er Carberry im Laufe der Jahre abgelauscht hatte.

      „Dan!“ schrie Hasard. „Abentern! Hilf deinem Vater!“

      „Aye, Sir!“ tönte es aus dem Besanmast zurück. Flugs turnte Dan über die Umrandung der Plattform und enterte auf das Achterdeck ab, als säße ihm der Teufel höchstpersönlich im Nacken.

      Big Old Shane sandte den ersten Pfeil zur „Jane“ hinüber, dann schoß auch Batuti, der schwarze Herkules aus Gambia. Es waren keine normalen Brandpfeile, sondern regelrechte Explosionsgeschosse mit pulvergefüllten Schäften. Auf was sie zu zielen hatten, brauchte der Seewolf seinen beiden Männern nicht erst groß zu erklären. Die Pfeile fuhren mitten zwischen die Männer an Lord Henrys Backbordkanonen.

      Mit heftigem Knallen zerplatzten die Schäfte, und die Piraten brachten sich aufschreiend in Sicherheit.

      „An die Geschütze, ihr Hunde!“ brüllte Lord Henry. „Feuer!“

      Doch nur zwei Culverinen seiner Backbordbatterie konnten gezündet werden. Die Verwirrung, die Shane und Batuti durch ihre Pulverpfeile stifteten, war so groß, daß ein Abfeuern der kompletten Breitseite unmöglich wurde. Schon wälzten sich zwei oder drei Verwundete auf dem Hauptdeck der „Jane“. Weitere Pfeile sirrten zwischen die Kanonen und detonierten.

      „Weiterschießen!“ schrie Hasard dem ehemaligen Schmied von Arwenack und dem schwarzen Riesen zu. „Solange der Vorrat reicht!“

      Der Vorrat an pulvergefüllten Pfeilen konnte natürlich nicht unbegrenzt lange vorhalten, doch Shane und Batuti hatten während der vergangenen Tage eine stattliche Zahl davon herstellen können, wie auch Ferris Tucker und Al Conroy eifrig an ihren Flaschenbomben gebastelt hatten – in weiser Voraussicht auf künftige Gefechte.

      Eine Kugel der „Cruel Jane“ krachte der „Isabella“ oberhalb der Wasserlinie ins Achterschiff, die andere war zu kurz gezielt und hieb unweit der Bordwand wirkungslos ins Wasser.

      In das Rauschen der aufsteigenden Fontäne schrie der Seewolf: „Ed! Die achteren vier Geschütze – Feuer!“

      „Achtere Geschütze – Feuer!“ brüllte Carberry, so laut er konnte. Jetzt brauchte er keine Rücksicht mehr zu nehmen, jetzt war der Feind endgültig entdeckt und entlarvt, und die Fronten hatten sich geklärt. Brüllen konnte man jetzt, soviel man wollte, und jeder Ruf war eine Anfeuerung für die Männer der „Isabella“.

      „Achtere Drehbassen, Feuer!“ rief der Seewolf. „Ferris, deck den Hund mit ein paar Flaschen ein!“

      „Aye, Sir!“ schrien die Männer zurück – und dann dröhnten die Geschütze.

      Die achteren vier Steuerbord-Culverinen der „Isabella“ spuckten ihre tödlichen Ladungen gegen die „Jane“ aus, und mit torkelndem Flug bewegte sich die erste Flaschenbombe durch die Nacht. Noch mochte sie mit ihrer schwach glühenden Lunte, die jeden Augenblick zu erlöschen drohte, wie ein lächerliches Spielzeug wirken, aber wer immer sie auf seiten des Feindes unterschätzte, sollte seine Meinung gleich revidieren.

      Old O’Flynn und sein Sohn feuerten die achteren Drehbassen auf die näher heransegelnde Schebecke Selims ab, ehe die Türken erneut ihr Buggeschütz zum Einsatz bringen konnten. Plötzlich spie die „Isabella“ nach zwei Seiten Feuer, Rauch und Verderben aus.

      Der Seewolf hatte jetzt alle Register gezogen, die ihm zur Verfügung standen.

      Es donnerte und krachte, und jäh flogen von der „Jane“ Trümmerteile hoch. Mindestens zwei von vier Kugeln hatten das Hauptdeck erreicht, wie Ed Carberry aus schmalen Augen feststellte, eine dritte mochte sich in den Rumpf