Seewölfe Paket 13. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395026
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das ist alles. Es ist seine letzte Warnung an uns. Das nächstemal kennt er bestimmt kein Erbarmen mehr.“

      Er trat vor sie hin und sah sie drohend an. Sie begegnete seinem Blick ohne Furcht.

      „Erbarmen?“ wiederholte er. „Gnade? Das hört sich ja großartig an. Warst du nicht selbst davon überzeugt, daß dies unsere Glücksnacht sei? Der Sieg war uns gewiß, oder? Wieso hast du so plötzlich deine Einstellung geändert?“

      „Vielleicht habe ich etwas begriffen. Daß wir nämlich auch mit drei, vier, fünf oder noch mehr Schiffen nichts gegen ihn ausrichten können. Geben wir es lieber auf.“

      Er holte ganz unvermittelt aus und gab ihr eine schallende Ohrfeige, die sie gegen die Balustrade des Achterdecks schleuderte. Entsetzt hob sie ihre Hand und hielt sich die Wange.

      „Das ist kein Meinungswandel!“ schrie er sie an. „Ich weiß genau, was wirklich dahintersteckt! Du willst Zwietracht zwischen mir und meinen Männern säen! Es wäre dir nur recht, wenn bald eine Meuterei auf diesem Schiff ausbrechen würde – du wüßtest sie für dich auszunutzen, nicht wahr?“

      „Ich weiß nicht, wovon du sprichst“, murmelte sie.

      „Du willst mich als Versager hinstellen!“

      „Nein, Henry.“

      „Verschwinde!“ schrie er. „Hau ab, oder ich vergesse mich! Wenn du noch einmal auf dem Oberdeck auftauchst, lasse ich dich auspeitschen und ins Kabelgatt sperren!“

      Sie ging mit gesenktem Kopf, obwohl sie versucht war, ihr Messer zu zücken und ihn damit anzugreifen. Nur mit Mühe bezwang sie den Drang, sich auf ihn zu werfen.

      Jetzt nicht, hämmerte sie sich immer wieder ein, es wäre ihm ein leichtes, dich abzuwehren und umzubringen, jetzt nicht, warte auf eine bessere Gelegenheit.

      Tim Scoby legte Henry die Hand auf die Schulter. „Beruhige dich, Henry. Wir halten zu dir, das weißt du doch. Und wir wissen genau, wie falsch die Ägypterin ist.“

      Lord Henry wandte sich zu ihm um. Sein Blick wanderte zu Dark Joe und Codfish und heftete sich dann wieder auf das Gesicht des Schnauzbärtigen. Er holte tief Luft, dann sagte er: „Tatsächlich, Tim?“

      „Schon lange, glaub es mir.“

      „Du mißtraust ihr – wie Mechmed?“

      „Wie ihm. Darf ich ehrlich sein?“

      „Nur zu.“

      „Wir sollten sehen, daß wir die Frau und die Berber loswerden.“

      „Daran habe auch ich schon gedacht“, sagte Henry. „Bislang war es mir ganz recht, sie als Verstärkung unserer Crew an Bord zu haben. Aber jetzt könnten wir ein paar von Selims Kerlen übernehmen, die werden uns weniger gefährlich, schätze ich. Selim ist mit Dobran und den anderen Überlebenden der Ghanja an Bord ja ohnehin überbemannt.“

      „Gut“, sagte Dark Joe. „Sollen wir es Dalida und den Berbern also gleich besorgen?“

      „Nein“, entgegnete Henry. „Auf Zypern gibt es genug Sklavenmärkte. Warum sollen wir sie einfach hier ausbooten, wenn wir noch einen Ertrag aus ihrem Verkauf erzielen können?“

      „Da hast du recht“, meinte Tim Scoby. „Also warten wir bis Zypern. Und wie lauten deine Befehle?“

      „Aufklaren und die gröbsten Schäden beheben!“ rief Lord Henry, so daß es auch die Männer auf der Kuhl und auf der Back vernehmen konnten. „Die Toten der See übergeben, die Verletzten versorgen! Wir nehmen Kurs nach Südosten und laufen Zypern an!“

      Wenig später rief Mechmed, der Berber, auch zur „Grinta“ hinüber, was Lord Henry entschieden hatte. Selim, der soeben die Arbeiten an dem Leck im Vorschiff abgeschlossen hatte, lauschte der Übersetzung mit grimmiger Miene.

      Henry hatte sich seiner Meinung nach als schlechter Stratege erwiesen. Das Gefecht hätte ganz anders begonnen und geführt werden müssen. Selim sann darüber nach, ob es sich lohne, sich von den Engländern zu trennen und wieder seiner eigenen Wege zu gehen. Sich von ihnen herumkommandieren zu lassen, Befehle von diesen Giaurs, diesen „Ungläubigen“, entgegenzunehmen gefiel ihm ganz und gar nicht.

      Und doch: Da war die Rache, die er dem Hund Killigrew und seiner Mannschaft geschworen hatte. Und da waren die Schätze, die es an Bord der „Isabella“ zu holen gab. Allein der Schatz der Medici, von dem Lord Henry berichtet hatte, mußte einen ungeheuren Wert haben.

      So entschied er sich, auch weiterhin an Henrys Seite zu bleiben und den treuen Verbündeten zu mimen – bis nach Zypern, wo man den Feind wieder zu stellen hoffte.

      Hasard, Ferris Tucker, die beiden O’Flynns, Blacky und Luke Morgan waren ins Achterkastell hinuntergestiegen und betraten den Raum, an dessen Rückwand sich das Hennegat öffnete. Die Balken der Ruderanlage waren nicht beschädigt, aber dicht daneben klafften zwei Löcher. Das dritte befand sich ein Deck tiefer im Heck der „Isabella“, glücklicherweise aber auch oberhalb der Wasserlinie, so daß vorläufig kein Wasser in den Schiffsbauch flutete.

      Ferris untersuchte die Löcher im Schein einer Öllampe, die von Blacky hochgehalten wurde.

      „Der Schaden läßt sich von innen her so weit beheben, daß wir ohne jede Gefahr und in aller Ruhe die nächste Bucht anlaufen können“, erklärte er.

      „Vorausgesetzt, es gibt keinen Sturm“, sagte Hasard. „Aber danach scheint es vorläufig nicht auszusehen. Los, sehen wir uns jetzt den vierten Treffer an der Steuerbordseite an.“

      Mehr als fünfzehn Zoll hoch und breit gähnte sie dieses Loch, das von einer der Siebzehnpfünderkugeln der Piratengaleone gerissen worden war, im vorderen Bereich des Achterschiffs an, aber auch hier bestand kein Risiko, daß die „Isabella“ Wasser zog. Ferris fand die Kugel, hob sie hoch und beförderte sie durch das Loch außenbords. Mit einem Klatscher verschwand das Geschoß in der See.

      „Fang jetzt mit dem Ausbessern an“, sagte Hasard zu dem rothaarigen Riesen. „Hol dir so viele Männer zu Hilfe, wie du brauchst.“

      „Blacky und Luke genügen mir.“

      „Gut. Wir anderen beheben die Schäden auf dem Oberdeck. Später, wenn wir an der Nordküste von Zypern eine für unsere Zwecke geeignete Bucht gefunden haben, führen wir auch die erforderlichen Außenarbeiten an unserer alten Lady durch.“

      „Drei Löcher zuviel in ihrem stolzen Allerwertesten“, sagte Old O’Flynn. „Das ist schon ein starkes Stück. Aber wir sind ja noch mit einem blauen Auge davongekommen. Keiner von uns ist verletzt.“

      „Aber du bist trotzdem nicht zufrieden, Donegal“, sagte der Seewolf. „Weil dein frommer Wunsch nicht in Erfüllung gegangen ist.“

      Der Alte schob seine Unterlippe vor und überlegte eine Weile, ehe er etwas entgegnete. „Das ist so: Wenn wir weitergekämpft hätten, hätten wir nicht nur Lord Henry, sondern auch Selim und die ganze Bande von Schnapphähnen und Galgenstricken ein für allemal zu den Fischen geschickt. Ich finde, das haben sie verdient.“

      „Ja, finde ich auch“, pflichtete sein Sohn ihm bei.

      „Ich weiß, ihr habt erwartet, daß ich bis zur letzten Konsequenz ginge“, sagte der Seewolf. „Und im Prinzip habt ihr recht, wenn ihr verlangt, daß ich uns Lord Henry und Selim endgültig vom Hals schaffe. Nur dürfen wir unsere Kampfkapazität nicht überschätzen. Der Vorrat an Pulverpfeilen war fast verbraucht, und auch Ferris’ Höllenflaschen hätten nicht ewig gelangt, um beim Gegner für Aufruhr zu sorgen. Henry und Selim hätten sich wieder erholt und noch einmal versucht, uns einzukesseln. So schwer wir sie auch mit unserem Kanonenfeuer eingedeckt hätten – ohne Verluste wäre die Sache auf unserer Seite nicht abgegangen. Ich hatte eine Mordswut auf Henry und Selim, aber dann gelangte ich doch zur Besinnung. Irgendwie sind sie mir einen derart hohen Einsatz nicht wert.“

      „Aber Sir!“ stieß Dan hervor. „Wir sind doch ans Kämpfen gewöhnt. Glaubst du vielleicht, wir würden auch nur für einen Moment