Seewölfe Paket 13. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395026
Скачать книгу
laß die Giaurs holen. Sie sollen ihr Urteil hören.“

      Wenig später begab sich der Scheich der Derwische mit seinen beiden Untergebenen hinaus auf den Innenhof der Felsenmoschee, wo sich die übrigen Mitglieder der Bruderschaft bereits im ekstatischen Wirbeltanz drehten, in der Hoffnung, inneren Kontakt zu Allah zu finden. Das mystische Feuer in der Mitte des Hofes flackerte und verströmte den Geruch von Weihrauch und Gewürzen.

      Nach einem kurzen Befehl begaben sich mehrere Männer zusammen mit Abdullah und Naci auf den Weg, um die Gefangenen zu holen. Die übrigen Derwische setzten ihren Tanz fort. Der Trommelwirbel war rascher, die monotone Musik der Flöte lauter und schriller geworden.

      Den Seewölfen bot sich ein gespenstisches Bild, als sie nach wenigen Minuten in den Kreis der tanzenden Derwische geführt wurden. Noch keinem von ihnen war es bis zu diesem Zeitpunkt gelungen, seine Fesseln abzustreifen. Die Fußfesseln waren ihnen abgenommen worden, damit sie den kurzen Weg bis zum Innenhof der Moschee zurücklegen konnten.

      Tief sog Edwin Carberry den Duft in die Nase, der dem Feuer entströmte.

      „Bei allen Meermännern und Seejungfrauen“, schnaubte er auf seine derbe Art, „hier stinkt’s, als habe der Teufel höchstpersönlich einen Furz gelassen. Wollen uns die Rübenschweine vielleicht vergiften, was, wie?“

      Auch die übrigen Männer, der Seewolf, Ferris Tucker, Al Conroy, Stenmark, Matt Davies und Luke Morgan, empfanden den ungewohnten Geruch von Weihrauch und Gewürzen als unangenehm, als sie in den Kreis der Tanzenden traten. Die Krummsäbel, die die Derwische während der Zeremonie durch die Luft zischen ließen, gerieten ihnen mitunter bedrohlich nahe.

      „Und was für eine Musik“, fuhr der Profos fort. „Es ist schon ein Wunder, daß die Kerle bei diesem Katzenjammer auch noch durch die Gegend hüpfen. Mir wird gleich schlecht, wenn ich das noch eine Weile mit anhören muß. Bei allen tanzenden Ziegenböcken, Sir, muß man sich das gefallen lassen?“

      „Du wirst es überleben, Ed“, sagte der Seewolf lächelnd, während er und seine Männer vor Salih gebracht wurden.

      Dieser musterte seine Gefangenen mit hämischem Blick.

      „Ich spreche zwar eure Sprache nicht, Engländer“, sagte er zu Hasard, „aber ihr werdet mein Spanisch wohl verstehen. Zumindest werdet ihr begreifen, was die Stunde für euch geschlagen hat, gleich, in welcher Sprache mein Urteil an euch ergeht.“

      „Du sprichst von einem Urteil?“ fragte Philip Hasard Killigrew. „Wer hat dir das Recht verliehen, über andere Menschen Gericht zu halten?“ Sein Spanisch war ohne Fehler.

      Ibrahim Salih lachte laut auf.

      „Nicht ich werde euch richten, sondern Allah hat euch Ungläubige bereits durch ein Wort, wie es im Koran niedergeschrieben ist, zum Untergang bestimmt.“ Zu dem kleinen, dicklichen Naci gewandt, befahl er: „Lies die Verse sechzig und einundsechzig aus der achten Sure vor. Ich werde sie für die Giaurs übersetzen!“

      Naci schlug den Koran auf und begann in seiner hohen Stimme zu zitieren: „Auch mögen sie, die Ungläubigen, nicht meinen, daß sie über Allah siegten, denn sie vermögen nicht, Allahs Macht zu schwächen. Rüstet euch mit Macht gegen sie, so gut, wie ihr nur könnt, und mit einer Reiterschar, um damit den Feinden Allahs und euren Feinden und noch anderen außer diesen, die ihr zwar nicht kennt, die aber Allah wohl kennt, Schrecken einzujagen.“

      Salih genoß seinen Triumph.

      „Mir steht zwar keine Reiterschar zur Verfügung“, stellte er fest, nachdem er die Worte übersetzt hatte, „aber mir und meinen Männern wird es auch so gelingen, euch, die Feinde Allahs, auszumerzen. Ihr wolltet uns unsere Beute abjagen und dafür werden wir euch bestrafen, indem wir noch in dieser Nacht euer Schiff in Besitz nehmen. Danach werdet ihr sterben! Dies ist Allahs Ratschluß, und er ist unabänderlich. Du, Kapitän, wirst als erster in den Tod gehen. Und bis dahin bleibt ihr in eurem Gefängnis.“

      Das Urteil fand unter den Derwischen rege Zustimmung. Laute Flüche über die „ungläubigen Hunde“ wurden laut. Und die Ankündigung Salihs, das Schiff der Fremden zu übernehmen, löste helle Begeisterung aus.

      Die Seewölfe kamen nicht mehr dazu, etwas zu ihrer Verteidigung zu sagen. Sie wurden sofort nach dem „Urteil“ Ibrahim Salihs in das dunkle Kellerverlies zurückgebracht, dann wurden ihre Füße erneut gefesselt.

      Ed Carberry jedoch war es noch vor dem Betreten des Kellerraumes gelungen, einem der Wächter so heftig auf die Fußzehen zu treten, daß er heulend und stöhnend auf dem Gang des Gewölbes herumtanzte.

      Während der Profos feststellte, daß der „Ober-Derwisch“ seine Grashüpfer fürchterlich verzärtelt haben mußte, wurde der schwere Eisenriegel vorgeschoben.

      Inzwischen hallten die Befehle Salihs über den Innenhof der Felsenmoschee. Nur vier Männer sollten als Wache zurückbleiben, alle anderen sollten am Angriff auf die „Isabella“ teilnehmen. Von den vier Wächtern hatten zwei die Aufgabe, die Gefangenen zu bewachen, und zwei sollten die Festung und ihre Umgebung im Auge behalten, denn noch hatte man nicht vergessen, daß es Sobocan und zwei von diesen „Giaurs“ gelungen war, zu entfliehen.

      Mit seinen restlichen Männern brach Salih zur Küste auf. Außer neuen Riemen für die Boote schleppten die Derwische ein beachtliches Waffenarsenal mit sich.

      Die Sichel des Mondes wurde gerade durch Wolken verdeckt, als sie sich einige Zeit später an Bord der Boote begaben und an deren Bug leichte Geschütze montierten. Die See war dunkel und kabbelig, als die Derwische die Riemen ins Wasser tauchten, um zu jener stillen, kleinen Bucht zu pullen, in der die „Isabella“ vor Anker gegangen war.

      8.

      Sobocan, Batuti und Dan O’Flynn hatten sich bereits bis in die Nähe der Felsenmoschee durchgeschlagen.

      Die Nacht war kühl und dunkel. Nur wenn der Mond für einen Augenblick hinter den Wolken hervortauchte, wurde die Landschaft in fahles Licht gehüllt.

      Obwohl sich Sobocan recht gut in dem unwegsamen Gelände zurechtfand, war es nicht einfach für sie gewesen, bei Nacht die Festung in Küstennähe zu erreichen. Sie wurden mit Sicherheit von den Derwischen gesucht, deshalb war es unmöglich für sie, mit brennenden Fackeln durch die Felsenlandschaft zu klettern. Man hätte sie sofort entdeckt.

      Noch als sich die drei Männer am Rand des Steilhangs befanden, der in den Talkessel hinunterführte, in dem die Moschee versteckt lag, registrierten sie mit Verwunderung einen Fackelzug, der sich von der Festung weg in Richtung Küste bewegte.

      „Nanu“, stieß Dan O’Flynn hervor, „unsere Kameraden sind das bestimmt nicht. Es müssen die Derwische sein. Was suchen die wohl mitten in der Nacht an der Küste? Zum Fischen dürfte es entschieden zu dunkel sein!“

      „Vielleicht wollen tanzende Männer ‚Isabella‘ entern“, warf Batuti ein, und er schien damit den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben.

      Sobocan räusperte sich. „Das ist durchaus möglich“, ließ er sich vernehmen. „Die ‚Isabella‘ liegt zwar ein ganzes Stück von hier entfernt, aber die Derwische haben Boote. Und die Riemen, die ich ihnen weggenommen habe, dürften sie mittlerweile ersetzt haben.“

      „Verdammt!“ Dan O’Flynn kratzte sich am Hinterkopf. „Hoffentlich merken unsere Leute an Bord rechtzeitig, was sich da zusammenbraut. Die Derwische dürften auf jeden Fall in der Überzahl sein. Aber wißt ihr, was der ganze Spuk für uns bedeutet?“ setzte er hinzu. „Wir haben es nur noch mit wenigen Gegnern zu tun, wenn wir in die Moschee eindringen. Und jetzt ist es, wie mir scheint, wichtiger, daß wir unsere Leute so schnell wie möglich aus diesem Loch herausholen.“

      „Dan O’Flynn hat recht“, stellte Batuti fest. „Auf was warten wir noch?“

      Sofort begannen die beiden Seewölfe und Sobocan den Abstieg in den Talkessel – was sich bei Nacht als recht zeitraubend erwies. Die dicken, wuchtigen Mauern der ehemaligen Festung rückten jedoch unaufhaltsam näher. Aus dem