Seewölfe Paket 13. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395026
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gegeben. Heute sieht die alte Tante aus, als habe sie sich einen schwefelgelben Mantel umgehängt.“

      „Schwefelgelb – das ist es ja!“ stellte der Alte fest und nahm die Hand herunter. „Es sieht ganz danach aus, als habe der Teufel bei Tagesanbruch vergessen, seine Schwefellampe auszulöschen. Und wenn seine Lampe auch noch bei Tag brennt, dann hat das nichts Gutes zu bedeuten.“

      „Hat der Teufel wirklich eine Lampe?“ fragte Hasard mit ungläubigem Gesicht.

      „Natürlich, du Stint“, klärte ihn Old O’Flynn auf. „Wie sollte er denn sonst da unten in der Hölle, wo nie ein Sonnenstrahl hinscheint, etwas sehen? Wenn er abends die verdammten Seelen zählt, da würde er doch – äh – glatt durcheinandergeraten, wenn er kein gutes Licht hätte.“

      Das war eine einleuchtende Erklärung, wie die Zwillinge feststellten. Außerdem hörte sich alles, was Old O’Flynn erzählte, so wunderschön gruselig an. Im Geist sahen sie bereits des Teufels Großmutter vor einer stinkenden Schwefellampe sitzen und die Socken des Teufels stopfen.

      Ihre Augen hingen immer wieder gebannt an den Lippen des Alten, wenn er über solch geheimnisvolle Dinge wie Wassermänner, Windsbräute, Geisterschiffe und Schwefellampen sprach. Manchmal dachten sie sogar noch nachts in ihren Kojen daran, wenn draußen der Wind in der Takelage sang. Meist hörte es sich an wie das Heulen und Wimmern verdammter Seelen.

      Doch plötzlich wurde die Aufmerksamkeit der beiden Elfjährigen durch etwas ganz anderes gefesselt, so daß sie rasch in die Wirklichkeit des Alltags zurückkehrten.

      Nachdem noch vor wenigen Augenblicken ein riesiger Schwarm Bonitos an der „Isabella“ vorbeigezogen war, hob sich nun plötzlich eine ganze Schar silbriger Leiber aus dem Wasser, segelte etliche Yards weit über die Fluten und tauchte wieder in das nasse Element zurück.

      Es waren fliegende Fische.

      Obwohl es nicht das erste Mal war, daß die „Isabella“ diesen Tieren begegnete, waren die Zwillinge doch immer wieder fasziniert von der perfekten Kombination von Schwimmen und Segeln, die diese Meeresbewohner so meisterhaft beherrschten.

      „Toll, was?“ fragte Philip.

      Hasard nickte eifrig.

      „Das müßte man auch mal können“, meinte er. „Pfeilschnell schwimmen und sich bei Gefahr einfach aus dem Wasser heben und ein Stück fliegen, dann wieder eintauchen und wieder fliegen …“ Mit den Armen vollführte er die entsprechenden Schwimm- und Flugbewegungen.

      „Hör auf, hier in der Gegend herumzufuchteln, du Stint“, brummte Old O’Flynn, „sonst glaubst du am Ende selber noch, du seist ein Fisch. Übrigens, da gibt es noch viel aufregendere Tiere im Meer.“

      „Welche denn?“ fragten die Zwillinge wie aus einem Mund.

      Der alte O’Flynn kratzte sich am Hinterkopf, legte seine zerfurchte Stirn in Falten und begann: „Das war – das war zu einer Zeit, da ihr beiden noch in Abrahams Schoß ruhtet. Da hat mich beim Schwimmen ein Riesenkalmar angegriffen. Das Biest hatte mindestens tausend Fangarme und Augen, so groß wie Ankerklüsen. So was hat selbst der Teufel noch nicht gesehen. Die Arme hätten ausgereicht, das ganze Schiff zu umklammern und auf Grund zu ziehen!“

      Die Zwillinge staunten. „Und was hast du mit diesem Kalmar getan? Wie bist du ihm entwischt?“

      „Ha – das war ganz einfach.“ Old O’Flynn grinste. „Ich bin blitzschnell die Jakobsleiter hochgeflitzt, bevor mich das Vieh eingeholt hatte.“

      „Und er hat dem Schiff nichts getan? Ich meine, weil er doch so riesengroß gewesen ist?“ fragte Hasard junior aufgeregt.

      „Natürlich nicht“, erwiderte Old O’Flynn. „Ich habe ihm von Bord aus eine Zwanzigpfünder-Kugel vor den Bug gesetzt, da hättet ihr mal sehen sollen, wie schnell das Biest verschwunden war, als hätte es ein Wassermann an den Armen gepackt und nach unten gezogen.“

      Die beiden Elfjährigen konnten ihre Bewunderung nicht verbergen. Manchmal spürten sie direkt einen kalten Schauer auf dem Rücken, wenn Old O’Flynn von seinen schaurigen Erlebnissen erzählte. Auch wenn sie trotz ihres geringen Alters bereits wußten, daß Old Donegal O’Flynn für sein Leben gern Seemannsgarn spann, konnten sie dennoch nicht genug davon hören. Was spielte es da schon für eine Rolle, wenn die Tiere, die er gesehen hatte, im Laufe der Zeit unvorstellbare Größen erreichten!

      „Welche Tiere sind eigentlich gefährlicher – die Kalmare oder die Haie?“ fragte Philip.

      „Die Haie natürlich“, entgegnete der Alte. „Sie sind gefräßige Räuber und jagen unermüdlich hinter ihrer Beute her. So richtige Schnapphähne sind das, die den Bauch nie voll genug kriegen.“

      Jetzt wurde Hasard junior spitzfindig wie so manches Mal, wenn er unter Beweis stellen wollte, daß Kinder den Erwachsenen durchaus ebenbürtig sein können.

      „Unermüdlich?“ sinnierte er. „Sag mal, müssen Haie denn nie schlafen?“

      „Hä?“ fragte der alte O’Flynn und sah den Jungen entgeistert an. „Haie und schlafen?“ Er kratzte sich verlegen die Bartstoppeln. „Hm, ich habe jedenfalls noch keinen schlafenden Hai gesehen. Diejenigen, die mir bis jetzt begegnet sind, waren alle putzmunter und jederzeit bereit, ihre scharfen Zähne einzusetzen.“

      Da gerade der Profos in Richtung Back an ihnen vorbeimarschierte, beschloß Old O’Flynn aus der Not eine Tugend zu machen.

      „Weißt du, ob Haie schlafen, Ed?“ fragte er wie beiläufig den bulligen Profos mit dem zernarbten Gesicht und dem gewaltigen Rammkinn.

      „Was? Wie?“ fragte Edwin Carberry und blieb wie angewurzelt stehen. „Willst du mich vielleicht auf den Arm nehmen, du holzbeiniger Wassermann? Haie und schlafen? Ihr habt wohl nichts anderes zu tun am frühen Morgen, wie? Schaut wohl ins Wasser, um die Haie rechtzeitig zum Frühstück aufzuwecken!“

      „Ich hätte mir ja gleich denken können, daß du Holzkopf keine geistigen Interessen hast“, erklärte der Alte. „Wir allerdings“, und dabei deutete er auf sich und die Zwillinge, „interessieren uns nicht nur dafür, wieviel Rum in eine Muck paßt, sondern wir – ha, wir möchten auch gern wissen, ob Haie schlafen.“

      Der Profos, hinter dessen rauher Schale sich ein weicher Kern verbarg, blickte Old O’Flynn zweifelnd an.

      „Es hätte wohl niemand was dagegen, wenn die Biester ihr ganzes Leben verpennen würden“, stellte er fest. „Ho, man könnte ihnen ja passende Kojen auf den Meeresgrund stellen, sogar mit einem prächtigen Nachttopf darunter!“ Edwin Carberry lachte dröhnend, was wiederum Sir John, den Bordpapagei, veranlaßte, aufgeregt auf der Vormarsrah, seinem Lieblingsplatz, hin und her zu laufen.

      „Macht die Schotten dicht, ihr Bilgenratten!“ krächzte der bunte Vogel und schlug dabei mit den Flügeln. „Wascht euch die Füße, ihr Heringe!“

      Das brachte ihm einen beinahe liebevollen Blick von seinem Herrn und Meister, Edwin Carberry, ein, der immer wieder verblüfft darüber war, wie rasch der Papagei gerade seine weniger vornehmen Sprüche behielt.

      „Sei still, du Nebelkrähe!“ rief Carberry nach oben und wandte sich erneut dem alten O’Flynn und den Zwillingen zu. Sein Gesicht ließ deutlich erkennen, daß er bezüglich seiner Meinung über die Schlafbedürfnisse der Haie hin und her gerissen wurde.

      Die Erlösung nahte in der Person des Kutschers, der mit einem riesigen, dampfenden Topf auf der Kuhl erschien. Er war ein dunkelblonder, etwas schmalbrüstiger Mann, der früher bei Doc Freemont in Plymouth als Kutscher gearbeitet hatte. Seinen richtigen Namen kannte niemand. Doch jeder an Bord der „Isabella“ wußte, daß der Kutscher ein kluger Kopf war. Das bezog sich nicht nur auf seine „Reparaturkünste“ bei Krankheiten und Verwundungen. Er hatte während seiner Dienstzeit bei Doc Freemont viel gelernt und sehr oft einen Blick in schlaue Bücher geworfen.

      Edwin Carberry, nun selbst neugierig geworden, wandte sich sofort an ihn.

      „He, du Töpfeschwenker“,