Seewölfe Paket 12. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395019
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Sie sahen mit zusammengepreßten Lippen, wie die Piraten des Comte getötet wurden.

      Auch unter den Männern des Schotten hatte es diesmal Verluste gegeben. Drei Piraten Waren tot, ein vierter so schwer verwundet, daß er den Weg zurück kaum mehr lebend überstehen würde.

      Laut hallte die Stimme des Schotten über die Lichtung. Er befahl seinen Männern, die Leichname der Piraten so liegen zu lassen, wie sie lagen. Zwölf Männer luden sich den fast fertig behauenen Baumstamm von der Stärke eines Oberschenkels auf die Schultern, und zwei Piraten wurden vorausgeschickt, um zu erkunden, was inzwischen beim Schiff vorgefallen war.

      Sie hatten nur noch knapp zwei Stunden Zeit, dann waren die Schiffe der anderen Piraten von Espanola da, und die Entscheidung an Bord der „L’Exécuteur“ mußte gefallen sein.

      Der Schotte wandte sich grinsend nach den auf dieser Insel Ausgesetzten um.

      „Der erste Teil unseres Planes hat ausgezeichnet geklappt“, sagte er. „Auch dank eurer Hilfe. Le Requin wird das zu würdigen wissen. Wenn wir unter seiner Führung beim Angriff auf die Silberflotte dabei sind, werdet ihr eine fette Prise einstekken.“

      Matt Davies und die anderen nickten nur. Der Schotte brauchte nicht zu wissen, daß eine fette Prise sie einen Dreck interessierte. Viel lieber hätten sie gewußt, was mit der „Isabella“ geschehen war. Sie hätten viel darum gegeben, zu wissen, ob es dem Seewolf, Ben Brighton, Carberry und den anderen Kameraden gelungen war, die offensichtlich angeschlagene „Isabella“ sicher an Land zu segeln und wieder flottzumachen.

      7.

      Der Kutscher hatte die Gelegenheit ausnutzen wollen, als der Triangel die Mannschaft zum Essenfassen gerufen hatte, aber diesmal waren ihm zwei andere Piraten in den Weg getreten und hatten ihm mit unmißverständlichen Gesten erklärt, was ihn erwartete, wenn er es wagte, auf der Kuhl zu erscheinen.

      Er hatte die beiden Zwillinge nur ab und zu in der Menge der Piraten auftauchen sehen, sie dagegen schienen ihn nicht mal bemerkt zu haben. Nach einem wüsten Gebrüll und dem anschließenden Essen waren die Zwillinge wieder in dem Verschlag verschwunden. Seitdem hatte er nichts mehr von ihnen gesehen. Er war froh, daß es ihnen gutging. Anscheinend hatten sie jedoch genau wie er Anweisung, sich nicht auf dem Schiff herumzutreiben.

      Einer der beiden Piraten, die ihn lauernd bewachten, sprach Englisch.

      „He“, sagte der Kutscher zu ihm.

      Der Pirat drehte den Kopf und starrte ihn an.

      „Schnauze halten!“ erwiderte er grollend.

      Wut stieg im Kutscher hoch. Wenn sie ihm wenigstens erklären würden, warum er sich von seinem Lagerplatz nicht entfernen und die Schnauze nicht aufreißen durfte! Die ganze Situation kotzte ihn allmählich an. Wahrscheinlich bin ich verwöhnt, dachte er. Beim Seewolf auf der „Isabella“ durfte jeder seine Meinung sagen. Hier bei den Piraten war das Denken wahrscheinlich verboten.

      Er versuchte es noch einmal. „He, du Drecksack!“

      Der Pirat erhob sich. Er überragte den Kutscher, der sich ebenfalls aufrichtete, um mehr als einen Kopf. Sein wild wuchernder Kinnbart, der in allen Farben schimmerte, sträubte sich.

      „Was willst du Laus?“ fragte er und hob die rechte Faust, die groß wie eine Wassermelone war, zum Schlag.

      „Ich will arbeiten“, sagte der Kutscher. „An Deck ist so viel zu tun, da ist es eine Schande, wenn drei Kerle nur herumsitzen. Ihr könnt mich doch auch im Auge behalten, wenn wir den anderen helfen, die neue Großbramstenge herzurichten.“

      Der Pirat starrte ihn an, als hätte er sie nicht mehr alle.

      „Du bist verrückt!“ sagte er aus voller Überzeugung. „Sei froh, daß du hier im Schatten sitzen und dich erholen kannst. Wenn du noch ein Wort sagst, polier ich dir die Zähne, daß dir die Lust an der Arbeit vergeht, klar?“

      „Klar“, erwiderte der Kutscher sarkastisch. „Dann laß mich wenigstens den Holzteller, den mir einer deiner Kumpane gebracht hat, zur Kombüse zurückbringen.“

      „Mann!“ stieß der bärtige Riese hervor. „Hast du Flöhe im Arsch oder was? Setz dich, verdammt noch mal, hin, und halt endlich die Schnauze! Dein Teller bleibt, wo er ist. Das Zeug, das noch drauf klebt, wird morgen wahrscheinlich besser schmecken als der neue Fraß von Ratatouille. Heute ist ihm wohl was mißlungen. So genießbar wie vorhin war sein Gekochtes schon lange nicht mehr.“

      „Warum schmeißt ihr ihn nicht über Bord?“ fragte der Kutscher.

      „Und wer soll dann für uns kochen, du Klugscheißer?“

      „Ich“, sagte der Kutscher. „Ich bin gelernter Koch. Ich habe jahrelang in der Küche von Sir Freemont gestanden und ihm die besten Speisen bereitet.“

      Der Pirat begann zu grinsen.

      „So“, sagte er, „und warum kochst du nicht mehr für deinen Sir?“

      „Er ist an Herzverfettung gestorben“, sagte der Kutscher mit traurigem Hundeblick. „Meine Speisen haben ihm so sehr gemundet, daß er sich überfressen hat. Vor Gram und Kummer habe ich mich von einem Freund überreden lassen, meine Kochkünste für ihn und seine Kameraden auszuüben. Leider merkte ich erst zu spät, daß mein Freund bei einem Piraten angeheuert hatte. Und so hat mich das Schicksal nach Westindien verschlagen und mich an Bord einer Karacke geweht, auf der es von Verrückten wimmelt, die sich über einen genießbaren Fraß, der einem den Magen nach außen kehrt, freuen, als würden sie an der Tafel eines Königs speisen.“

      Der Kutscher war ein wenig freizügig mit seinem Lebenslauf umgegangen, aber er brauchte schließlich keine Befürchtungen zu haben, daß ihn jemand der Lüge bezichtigen könne.

      Der bärtige Riese war nachdenklich geworden. Die Aussicht, von einem Mann bekocht zu werden, der etwas von seinem Fach verstand, war zu verlokkend, um so ohne weiteres darüber hinwegzugehen. Er drehte den Kopf und sprach kurz mit seinem Kumpan.

      Der Kutscher sah, wie sich der Mann über die Lippen leckte und heftig nickte. Der Riese wandte sich ihm wieder zu und sagte mit grollender Stimme: „Wenn du mich angelogen hast, wirst du deines Lebens nicht mehr froh werden, das schwöre ich dir. Ich werde jetzt zu Vert-de-gris gehen und ihm deine Geschichte erzählen. Ratatouilles Fraß hat uns allen bereits den Magen versaut. Vielleicht wirst du schon heute abend unser neuer Koch sein.“

      „Wer ist Vert-de-gris?“ fragte der Kutscher mit besorgtem Blick.

      „Unser Profos“, erwiderte der Pirat.

      „Der Glatzkopf mit der Pockenfresse?“ fragte der Kutscher flüsternd.

      Der Riese drehte schnell den Kopf, bevor er sagte: „Laß ihn das nicht hören. Er ist verdammt empfindlich.“

      „Vergiß es“, sagte der Kutscher.

      „Was soll ich vergessen?“

      „Daß ich für euch koche.“

      „Warum denn?“

      „Der Glatzkopf kann mich nicht leiden“, sagte der Kutscher. „Ich glaube, der würde lieber den Fraß eures Koches essen, als mich in die Kombüse zu meinen Söhnen zu lassen.“

      „Quatsch“, sagte der Riese. „Wenn Vert-de-gris dir einen übergebraten hat, dann nur, weil er es nicht leiden kann, wenn einer nicht gehorcht.“

      „Ich denke, der Bootsmann gibt auf diesem Schiff die Befehle? Und der hat mir geholfen, als der Glatzkopf mich totschlagen wollte.“

      „Verdammt, sag nicht immer ‚Glatzkopf‘!“ zischte der bärtige Riese.

      „Ich denke, der Kerl versteht kein Englisch?“

      „Das denkst du“, flüsterte der Pirat. „Der versteht alles. Der ist gerissener als alle Männer auf der ‚L’Exécuteur‘ zusammen. Du könntest polnisch reden, und er würde dich verstehen.“