„Dir scheint heute morgen wirklich die Petersilie verhagelt zu sein“, sagte Emile. „Aber dagegen weiß ich ein gutes Mittel. Ich hole das Frühstück und bringe einen Krug Wein mit.“
„Trink lieber ein Bier mit mir“, sagte Willem traurig. „Dann sieht die Welt vielleicht schon wieder anders aus. Merkwürdig, ich habe den Eindruck, es war doch ein Fehler von mir, dieser Umsiedlung zuzustimmen. Vielleicht haben wir uns nichts als Ärger eingehandelt.“
„Du vergißt, daß die Queen uns vor den Spaniern gerettet hat.“
„Und was ist, wenn wir vom Regen in die Traufe geraten?“
„Das will ich nicht hoffen.“ Emile hob wieder den Kopf. Noch einmal war die Stimme des Ausgucks zu vernehmen.
„Schiff in Sicht! Es ankert vor der Todesbucht!“
„Was für ein Schiff?“ rief die Black Queen.
„Ein Dreimaster! Eine Galeone!“
Sofort war ihr Mißtrauen geweckt. „Klarschiff zum Gefecht! Signalisiert den anderen! Wir sehen uns das Schiff genauer an!“
„Eine Galeone“, flüsterte Emile Boussac. „Vielleicht habe ich doch noch Glück. Willem, warte hier auf mich.“
Er stürzte an Deck, ließ sich einen Kieker geben und hielt nach dem fremden Schiff Ausschau. Noch konnte er es im Dunst, der über Gran Cayman schwebte, nicht genau erkennen. Aber es war die Black Queen, die es als erste identifizierte.
Sie stieß einen lästerlichen Fluch aus.
„Das ist die ‚Vengeur‘!“ schrie sie. „Caligula, sofort zu mir!“
Caligula enterte von der Kuhl zum Achterdeck auf. Die Kerle fluchten und wetterten, es herrschte Unruhe. Emile verkroch sich in der Kombüse. In der Kapitänskammer des Achterdecks fuhr sich Willem Tomdijk mit beiden Händen durch das schwammige Gesicht.
„Das gibt ein Unheil!“ flüsterte er. „Ein großes Unheil. O Himmel, steh mir bei.“
8.
Dan O’Flynn und Bill hatten den Verband von vier Schiffen ihrerseits längst entdeckt. Dan warf einen letzten prüfenden Blick durch den Kieker, dann ließ er ihn sinken und gab Bill ein Zeichen.
Bill signalisierte zur „Isabella IX.“ und zum Schwarzen Segler. Die kleine Spiegelscherbe in seiner geöffneten rechten Hand reflektierte die Strahlen der Sonne und schickte sie zu den am Ostufer ankernden Schiffen hinunter. Sofort wurden die Blinkzeichen erwidert. Hasard und Thorfin Njal hatten die Nachricht verstanden.
„Los jetzt“, sagte Dan. „Ab nach unten. Wir dürfen keine Zeit verlieren.“
Sie rafften ihre Mitbringsel zusammen und begannen mit dem Abstieg. Ehe sie sich abwandten, warfen sie beide noch rasch einen Blick in die Tiefe. Das Schauspiel war grandios und bedrückend zugleich: Sieben Schiffe bei und vor Gran Cayman – die „Le Vengeur III.“ vor der Todesbucht, die „Isabella IX.“ und der Schwarze Segler am Ostufer, die Galeonen der Black Queen, die sich von Westen näherten und nun auf Kreuzkurs gingen. Höchstens noch fünf Meilen trennten die vier Dreimaster mit den gelohten Segeln von der Insel – es war höchste Zeit, den Ausguckposten zu räumen und zurück an Bord der „Isabella“ zu gehen.
Wieder führte der Weg am Auge der Götter vorbei. Durch das tiefblaue klare Wasser schien man bis auf den Grund blicken zu können – und doch gab der See nichts von seinen Schätzen preis. Verhalten meldete sich der Vulkan auch an diesem Morgen, sein Grollen klang wie eine Beschwerde über die Störenfriede, die sich anschickten, Gran Cayman anzulaufen. Während der Nacht hatte er geschwiegen, jetzt schien er zu neuem Leben zu erwachen.
Beim Abstieg zum Ufer strauchelte Bill. Er fiel hin und überschlug sich, krümmte sich aber so geistesgegenwärtig, daß ihm nichts geschah. Mit einem Satz war er wieder auf den Beinen und eilte weiter. Dan war ihm um einige Schritte voraus, aber er holte ihn wieder ein, als sie auf dem schmalen Streifen Sandstrand anlangten.
Sie packten die kleine Jolle an ihren Dollborden, zerrten sie aus dem Gestrüpp, schoben sie ins Wasser, verstauten ihr Gepäck und sprangen hinein. Dann pullten sie, so schnell sie konnten, zur „Isabella“.
Dort war alles klar zum Ankeraufgehen. Der Wikinger wartete auch nur auf Hasards Zeichen. Er saß drüben, auf dem Achterdeck von „Eiliger Drache“, auf seinem „Sesselchen“ und hatte sein „Messerchen“, ein gewaltiges Schwert, gründlich gewetzt.
Dan und Bill enterten an der Jakobsleiter auf. Die Jolle wurde in aller Eile hochgehievt und binnenbords geholt.
„Einen schönen guten Morgen wünsche ich euch“, sagte Dan. „Die Lady ist also da – und wir können uns auf einen heißen Tag gefaßt machen.“
„Laß die Sprüche“, erwiderte der Seewolf. „Sag mir lieber, ob die beiden Galeonen, die sie gekapert hat, den Beschreibungen von Jean und Siri-Tong entsprechen.“
„Aufs Haar“, bestätigte Dan. „Sie sind beide über dreihundert Tonnen groß und – den Stückpforten nach zu urteilen – bestens armiert. Genug Munition haben sie bestimmt auch an Bord, die Spanier haben Cartegena ja sicher mit hervorragend ausgerüsteten Schiffen verlassen, um El Triunfo in Schutt und Asche zu feuern.“
„Wir wissen nur nicht, wer diese beiden Schiffe befehligt“, sagte Bill. „Aber das ist wohl unerheblich. Für uns sind es Fremde.“
„Ja, und wir dürfen auf die Siedler von El Triunfo keine Rücksicht nehmen“, sagte Hasard. „Sie haben sich auf die Seite der Queen geschlagen und sind unsere Feinde. Wir werden fair kämpfen, aber es gibt keine Unterschiede, alle Gegner gehören der gleichen gefährlichen Sorte an. Wir haben gut hundertzwanzig Kanonen gegen uns, allein das ist ausschlaggebend.“
„Sicher ist, daß die Queen inzwischen die ‚Vengeur‘ entdeckt hat“, sagte Ben Brighton. „Wenn sie sich so verhält, wie wir annehmen, brauchen wir nicht mehr lange zu warten.“
„Alle Mann auf Gefechts- und Manöverstation!“ rief der Seewolf. „Ferris, dein Platz ist an der Höllenflaschenabschußkanone! Shane, Batuti – haltet euch mit Pfeil und Bogen bereit!“
„Aye, Sir!“ schrien die Männer.
„Thorfin!“ rief der Seewolf zum Schwarzen Segler hinüber. „Auf mein Zeichen ankerauf gehen und den Feind angreifen!“
„Verstanden!“ brüllte der Wikinger. „Dann laß ihn mal heran, den Feind! Odins Feuerhauch wird ihre Decks aufheizen und sie das Tanzen lehren!“
Grimmig hockte er auf seinem Thron und ließ den Blick prüfend über die Decks seines Viermasters wandern. Jeder Handgriff im Gefecht mußte sitzen, es durfte keine Verzögerungen beim Nachladen der Geschütze geben.
Er war sich darüber im klaren, daß die Black Queen ein harter Brocken sein würde, schwer abzuwehren und noch schwerer zu schlagen. Das hatte er ja selbst bereits erfahren. Er hatte sie zur Genüge kennengelernt, diese schwarze Hexe und Walküre, wie er sie nannte, und er wußte, daß es der größte Fehler war, sie zu unterschätzen.
Ähnliche Überlegungen stellte auch Hasard an, während sie auf das Auftauchen der „Le Vengeur III.“ warteten. Das Gefecht gegen einen starken Verband der Spanier hätte nicht schlimmer sein können. Gegner wie Mardengo, Duvalier oder Arvidson, die er auf der Reise nach Florida und zum Mississippi hatte bekämpfen müssen, verblaßten vor der Erscheinung der Black Queen.
Und Caligula? Nun, er war noch wilder und blutrünstiger als seinerzeit Caligu. Wer ihnen und der Meute von Galgenstricken und Schnapphähnen, die sie um sich geschart hatten, in die Hände fiel, starb unter entsetzlichen Leiden. Arkana und die Schlangenkriegerinnen waren der Queen nur wie durch ein Wunder entkommen, und auch Jean Ribault und Siri-Tong hatten höllisches Glück gehabt.
Aber