Kommentar zum Briefe des Heiligen Paulus an die Römer. Johannes Chrysostomos. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johannes Chrysostomos
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849660161
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Hölle und den giftigen Wurm. Das sind die Schuldner der Reichen; die Zinsen, die sie zahlen, sind Beschwernisse im Diesseits und Verderben im Jenseits. Solchen, sagen wir, wollen wir unser Geld leihen bei solcher Gefahr, und Christus wollen wir es nicht anvertrauen, der dafür den Himmel anbietet, unsterbliches Leben, unaussprechliche Güter? Was für eine Entschuldigung werden wir haben? Warum gibst du es nicht dem, der es gewiß zurückgibt und mehr zurückgibt? Etwa, weil er es erst nach langer Zeit zurückgibt? Er gibt es ja (oft) schon im Diesseits zurück. Untrüglich ist sein Wort: „Suchet zuerst das Himmelreich, so wird euch das alles obendrein gegeben werden“ 104. Sieh da ein Übermaß von Wohlwollen! Das Jenseitige, spricht er, wird dir ungemindert aufgehoben, das Diesseitige gebe ich obendrein als Zulage. Außerdem vermehrt dir ein Empfang nach langer Zeit den Reichtum; die Zinsen davon werden um so größer. So sehen wir ja auch Geldverleiher ähnlich handeln; sie verborgen ihr Geld lieber an solche, die es erst nach langer Zeit zurückzahlen. Wer nämlich gleich das Ganze zurückgibt, der unterbricht den Fortlauf der Zinsen; wer es dagegen für längere Zeit behält, der macht damit den Ertrag größer. Also bei Menschen sehen wir einen Aufschub (der Zahlung) nicht ungerne, ja wir führen einen solchen sogar absichtlich herbei; bei Gott dagegen benehmen wir uns so engherzig, daß wir zögern und Bedenken tragen? Und doch gibt er uns, wie gesagt, schon im Diesseits (manches) aus dem angeführten Grunde, den größeren Rest aber hebt er uns fürs Jenseits auf und sichert uns so das Ganze. Die Größe dessen, was uns dort gegeben werden wird, und die Schönheit des dort zu erwartenden Geschenkes geht bei weitem über die Nichtigkeit des gegenwärtigen Lebens. Ist es doch gar nicht möglich, in dieser vergänglichen und hinfälligen Leiblichkeit jener unvergänglichen Kronen teilhaftig zu werden und in diesem geräuschvollen, sturmbewegten, wechselvollen und mühereichen irdischen Dasein jenes unwandelbaren und ungestörten Glückes zu genießen. Wenn ein Schuldner, während du dich in einem fremden Lande befändest ohne Diener und ohne sonstige Möglichkeit, etwas heimzuschaffen, dir ankündigte, er wolle dir (dort) dein Kapital zurückerstatten, so würdest du inständig bitten, er möge es nicht in der Fremde, sondern zu Hause tun. Jene geistigen, unsagbar (großen) Güter dagegen willst du schon im Diesseits in Empfang nehmen? Welche Torheit! Wenn du sie hienieden bekommst, so bekommst du nur Vergängliches; wenn du aber die Zeit im Jenseits abwartest, dann wird dir Gott Unvergängliches und Unverlierbares geben; wenn du (deinen Lohn) hienieden (ausgezahlt) bekommst, bekommst du Blei, wenn aber dort, so gediegenes Gold. Dabei hat er dir aber die gegenwärtigen Güter nicht entzogen; denn jener Verheißung hat er eine andere beigefügt, indem er sagt, daß, wer dem Jenseitigen nachstrebt, hundertfach in dieser Welt empfangen und das ewige Leben als seinen Anteil erhalten wird“ 105.

      Eure Schuld ist es darum, wenn ihr nicht hundertfach zurückbekommt, weil ihr dem nicht geborgt habt, der die Macht hat, so vielfach zurückzugeben. Alle haben so viel bekommen, die ihm gegeben haben, auch wenn sie nur wenig gegeben haben. Was war es denn Großes, sag’ mir, was Petrus hingab? Nichts als ein zerrissenes Netz, eine Angelrute und ein Angelhaken. Aber wie hat ihm Gott dafür die Türen allerorts in der Welt aufgetan, Land und Meer ihm freigemacht, wie haben ihn alle in ihre Häuser geladen! Sie verkauften sogar ihren Besitz und legten den Erlös zu seinen Füßen nieder; nicht ihm auf die Hand zählten sie ihn, das trauten sie sich gar nicht; eine solche Verehrung hegten sie für ihn, abgesehen von ihrer Freigebigkeit. Ja, das war auch Petrus, wendest du ein. Was ist das (für ein Einwand), mein Lieber? Das Versprechen (Jesu) galt doch nicht dem Petrus allein; er sagte doch nicht: „Du, Petrus, wirst allein hundertfach zurückbekommen“, sondern: „Jeder, der Haus oder Brüder verläßt, wird hundertfach zurückerhalten“; denn er kennt keinen Unterschied in den Personen, sondern nur in der Verdienstlichkeit der guten Werke. „Aber“, heißt es, „ich habe einen Haufen Kinder und möchte sie wohlbemittelt zurücklassen.“ Nun gut, warum arbeiten wir dann aber darauf hin, daß sie arm werden? Denn gesetzt auch, du vermachst ihnen alles, so vertraust du doch ihr Alles wieder nur einer unsicheren Obhut an; wenn du ihnen aber Gott als Miterben und Vormund hinterlassest, so hast du ihnen damit unermeßlichen Reichtum hinterlassen. Gerade so wie uns Gott nicht verteidigt, wenn wir selbst uns rächen, dagegen der Handel wider Erwarten gut ausfällt, wenn wir ihn ihm überlassen, so geht es auch mit dem Gelde: wenn wir selbst uns damit abmühen, so steht Gott ab von der Sorge dafür; wenn wir dagegen alles ihm übergeben, so bringt er unsern Besitz und dazu noch unsere Kinder in volle Sicherheit. Wunderst du dich, daß dies bei Gott so geschieht? Kann man dasselbe doch auch bei Menschen beobachten. Wenn du (bei deinem Tode) niemanden von deinen Verwandten mit der Vormundschaft über deine Kinder betraust, so wird sich mancher, der dieses Amt sonst recht gern übernommen hätte, oft scheuen (es tatsächlich auszuüben) und sich davon zurückhalten; wenn du ihm aber die Vormundschaft überträgst, so fühlt er sich dadurch auf das höchste geehrt und wird sich die größte Mühe geben, sein Bestes zu tun.

       9.

      Willst du also deinen Kindern großen Reichtum hinterlassen, so hinterlaß ihnen Gottes Vormundschaft. Wie sollte er, der ohne dein Zutun dir Seele und Leib und Leben geschenkt hat, wenn er von dir einen Erweis solcher Hochherzigkeit sieht, daß du nämlich das Erbe deiner Kinder mit ihm teilst, wie sollte er dann diesen nicht alle Schleußen des Reichtums öffnen? Wenn schon Elias dafür, daß er mit ein wenig Mehl genährt worden war, weil er sah, daß jenes Weib ihm den Vorzug vor ihren Kindern gab, in dem kleinen Haushalt der Witwe für Küche und Keller sorgte, stelle dir vor, welche Erkenntlichkeit der Herr des Elias zeigen wird! Schauen wir also nicht darauf, wie reich wir unsere Kinder zurücklassen, sondern wie tugendhaft! Denn wenn sie auf ihren Reichtum pochen, werden sie keine Sorge haben um etwas anderes in der Meinung, ihr schlechter sittlicher Wandel sei gedeckt durch ihr vieles Geld. Wenn sie dagegen wissen werden, daß sie des Trostes irdischen Gutes entbehren, werden sie sich mit allen Kräften bemühen, in reichem Tugendleben Trost zu suchen für ihre Armut. Hinterlaß ihnen darum nicht Reichtum, damit du ihnen Tugend hinterlassest. Es ist ja doch höchste Unbesonnenheit, bei Lebzeiten die Kinder nicht zu Herren von allem zu machen, nach dem Tode dagegen ihrer jugendlichen Ungebundenheit volle Freiheit zu gewähren; denn solange wir leben, können wir sie zur Rechenschaft ziehen, ihnen bei schlechter Verwendung (des Reichtums) vernünftig zureden und ihnen einen Zügel anlegen; geben wir ihnen aber bei unserm Absterben den Gebrauch des Reichtums frei, so stoßen wir die armen bedauernswerten Kinder, verwaist und voll jugendlichen Leichtsinnes, wie sie sind, hinaus in ein Meer voller Klippen, wir schüren Feuer (um sie) an und gießen Öl in die gefährliche Glut. Darum nochmals, willst du dein Erbe in Sicherheit zurücklassen, so hinterlaß deinen Kindern Gott als ihren Schuldner und händige ihm ihr Schuldbuch ein. Wenn sie selbst das Geld in Empfang nehmen, werden sie nicht wissen, wem sie es übergeben sollen, und sie werden manchen Schmarotzern und Leuten, die ihnen keinen Dank wissen, zum Opfer fallen; wenn du es vorweg bei Gott auf Zinsen anlegst, so bleibt dein Schatz in Sicherheit und wird dir mit aller Bereitwilligkeit zurückgestellt. Gott hat sogar seine Freude daran, wenn er uns zurückgibt, was er uns schuldet; er sieht solche lieber, die ihm auf Zinsen geliehen haben, als andere, die ihm nicht geliehen haben, und liebt die am meisten, denen er am meisten schuldet. Willst du daher ihn dauernd zum Freunde haben, so mach’ dir ihn dadurch recht viel zum Schuldner. Kein Geldverleiher freut sich so darüber, daß er Schuldner hat, wie Christus sich freut, daß er Gläubiger hat. Ja, er flieht solche, denen er nichts schuldig ist, und sucht die auf, bei denen er in Schulden steht.

      Tun wir also alles, um ihn zum Schuldner zu bekommen! Jetzt ist gelegene Zeit dazu, [bei ihm] Geld anzulegen, jetzt befindet er sich in Not. Wenn du ihm jetzt nicht gibst, nach deinem Hingange braucht er dich nicht mehr. Hier auf Erden dürstet er, hier hungert er; er dürstet aber, weil er nach deinem Heil durstig ist. Darum geht er als Bettler, darum geht er nackt einher um dir zum ewigen Leben zu verhelfen. Übersieh ihn also nicht! Er will ja nicht gespeist werden, sondern Speise reichen, nicht ein Kleid bekommen, sondern eins geben, dir nämlich das goldene Ehrenkleid, das königliche Prachtgewand verschaffen. Siehst du nicht, wie Ärzte, die ihr Amt recht ernst nehmen, wenn sie Kranken ein Bad bereiten, auch selbst baden, obzwar sie es nicht nötig haben? So tut auch Christus alles Mögliche dir zuliebe in deiner Krankheit. Darum fordert er nicht mit Gewalt von dir, damit er dir recht reichlich vergelten könne, damit du siehst, daß er nicht aus eigener Not bettelt, sondern um deiner Not abzuhelfen. Darum kommt er in dürftigem Kleid zu dir und streckt seine Hand dir entgegen. Wenn du ihm auch nur einen Heller reichst, er verschmäht ihn nicht; und wenn du seiner