7.
Siehst du, zu was Großem der Neid führt? Wie er die unersättliche Gier des Teufels befriedigt und ihm ein Mahl vorgesetzt hat, wie er sich’s wünschte? Fliehen wir darum diese Krankheit! Es ist unmöglich, es ist unmöglich, jenem Feuer zu entrinnen, das dem Teufel bereitet ist, wenn wir uns nicht frei machen von diesem Siechtum. Wir werden uns aber freimachen davon, wenn wir uns zu Gemüte führen, wie sehr Christus uns geliebt hat, er, dessen Gebot es ist, daß wir einander lieben. Wie hat doch er uns geliebt! Sein kostbares Blut hat er dahingegeben für uns, seine Feinde, die wir ihm das größte Unrecht angetan hatten. Handle auch du so deinem Bruder gegenüber! Das ist ja sein Wort: „Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr einander lieb habet, wie ich euch geliebt habe“ 102. Doch vielmehr, bei diesem Maßstab bleibt es nicht. Er hat das für seine Feinde getan; du willst dein Blut nicht hingeben für deinen Bruder? (Nun gut,) aber was vergießt du sein Blut und handelst so dem Gebote (Christi) gerade entgegen? Ferner, was er tat, tat er nicht aus Schuldigkeit; du aber erfüllst eine Schuldigkeit, wenn du es tust. Auch jener Knecht, der zehntausend Talente geschenkt erhielt und hundert Denare davon einforderte, wurde nicht bloß dafür gestraft, daß er (das Geld) einforderte, sondern dafür, daß er durch die Wohltat nicht besser geworden war; daß er seinem Herrn, der den Anfang gemacht hatte (mit dem Schenken), nicht nachfolgte und auch seinerseits die Schuld schenkte. Denn er hätte seinem Mitknecht gegenüber nur seine Schuldigkeit getan, wenn er so gehandelt hätte. Bei allem, was wir tun, erfüllen wir ja nur eine Schuldigkeit, wenn wir es tun. Darum hat er selbst gesagt: „Wenn ihr alles getan habt, so saget: Wir sind unnütze Knechte; denn was wir zu tun schuldig waren, haben wir getan.“ 103 Mögen wir also ein Liebeswerk verrichten, mögen wir Geld ausspenden an die Bedürftigen, so erfüllen wir nur eine Pflicht, nicht nur weil er selbst im Wohltun (uns) vorangegangen ist, sondern auch weil wir nur das, was ihm gehört, austeilen. Was beraubst du dich also selbst dessen, worüber du nach seinem Willen (wirklich) Herr sein sollst; darum hat er dir ja geboten, es einem andern zu geben, damit es auf diese Weise wirklich dein Besitz werde. Solange du es nämlich selbst behältst, ist es nicht dein Besitz; gibst du es aber einem andern, dann bekommst du es eigentlich erst in deinen wirklichen Besitz. Übrigens, welche Liebesgabe käme der seinigen gleich? Er gab sein Blut hin für seine Feinde, wir nicht einmal unser Geld für den Wohltäter; er das Blut, das sein eigenes war, wir nicht das Geld, das gar nicht uns gehört; er vor uns, wir nicht einmal nach ihm; er für unser Heil, wir nicht einmal zu unserem eigenen Nutzen; denn ihm kommt nichts zugute von unserer Liebestat, sondern der ganze Gewinn fällt uns zu. Das ist ja der Grund, warum uns befohlen ist, das unsrige wegzuschenken, damit wir nicht darum kommen. Wenn jemand einem kleinen Knaben ein Geldstück schenkt, so trägt er ihm auf, es sorgfältig einzustecken oder es seinem Diener zur Aufbewahrung zu übergeben, damit nicht jeder, der Lust hat, es ihm raube; so macht es Gott mit uns. Gib, spricht er, dem Bedürftigen, damit dir nicht dein Vermögen ein anderer abnehme, etwa ein Schmarotzer oder der Teufel oder ein Dieb oder zu allerletzt der Tod. Solange du es in der Hand hast, ist es nicht sicher verwahrt; gibst du es aber mir vermittelst der Armen, so hüte ich alles mit Sorgfalt und stelle es dir zu seiner Zeit zurück mit reichen Zinsen. Ich nehme es in Empfang, nicht um es dir zu nehmen, sondern um es zu vermehren, um es mit der größten Sorgfalt zu hüten, um es dir aufzubewahren für jene Zeit, wo niemand mehr leihen, niemand mehr Erbarmen üben wird. Was gäbe es für ein größeres Ungeheuer, als wir wären, wenn wir nach solchen Anerbietungen uns dennoch nicht herbeiließen, ihm zu leihen? So werden wir dann mutterseelenallein und nackt und arm bei ihm ankom- men, ohne das, was uns anvertraut war, weil wir es ihm nicht in Verwahrung gegeben haben, der es am sorgfältigsten gehütet hätte; und dafür werden wir die äußerste Strafe erleiden. Was werden wir auf die Anklage erwidern können, um dem Untergang vorzubeugen? Welchen Verteidigungsgrund vorbringen? Welche Entschuldigung? Warum gabst du nichts? (wird es heißen.) Mißtrautest du, daß du zurückbekommen würdest? Was hat das aber für einen Sinn? Wie sollte der, welcher dir gab, ohne daß du ihm gegeben hattest, dir nachher nicht geben, nachdem er es empfangen hat? Aber der Anblick (des Geldes) macht dir Freude? Gib es also eben darum um so bereitwilliger hin, damit du dort um so mehr Freude genießest, wo dir niemand das deine rauben wird; behältst du es aber, so hast du tausenderlei Gefahren zu bestehen. Denn wie ein Hund, der einem Knaben ein Stück Brot oder Kuchen aus der Hand reißen will, so geht der Teufel die Reichen an. Übergeben wir also (unsern Besitz) dem Vater! Sieht das der Teufel, so macht er sich gleich davon; wenn er gewichen sein wird, dann wird dir der Vater alles zurückgeben im zukünftigen Leben, wo jener (dir) nicht mehr nachstellen kann. Wahrhaftig, es ist kein Unterschied zwischen kleinen Knaben, die von Hunden belästigt werden, und den Reichen; alles rings um sie bellt sie an, zupft und zieht an ihnen, nicht bloß Menschen, sondern auch unheilvolle Leidenschaften: Schwelgerei, Trunkenheit, Schmarotzerei und Genußsucht jeder Art. Wenn wir Geld ausleihen wollen, da suchen wir uns Leute aus, die viel Zinsen geben und sich so dankbar erweisen; hier aber machen wir das Gegenteil: Gott, der so erkenntlich ist, daß er nicht nur ein Hundertstel, sondern hundertfach zurückgibt, den lassen wir fahren und suchen dafür Schuldner, die uns nicht einmal das Kapital zurückgeben.
8.
Was