Ein verlorenes Paradies. Monika Dahlhoff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Monika Dahlhoff
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783962298272
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mal die Ziegenkinder an, sagte er. Ach waren die süß, ich konnte sie nicht genug ansehen. Streicheln durfte ich sie auch, unsere Ziegenmama war wieder lieb, sie schupste mich nicht mehr und hatte nichts dagegen, dass ich mit den Kleinen spielte.

      Immer wenn ich jetzt in den Stall kam, hatte ich das Gefühl, die beiden Kleinen freuten sich, mich zu sehen. Sie wollten mit mir spielen, aber auch ein bisschen an mir herumstoßen. Ich verbrachte viel Zeit mit den beiden Kleinen. Wir tollten auf unseren Wiesen herum, dabei vergaß ich oft die Zeit sowie auch meine kleinen und großen Sorgen.

       Wieder sollte es ein neues Erlebnis auf unserem Hof geben

      Meine Enten waren nun schon groß geworden, sie lebten im Stall bei den Hühnern und Gänsen. Wir hatten viele große, auch kleine Gänse, ich durfte sogar die Eier aus dem Hühnerstall nehmen, nur musste ich auf den Hahn aufpassen. Er bekam oft seine tollen Zeiten, er griff Menschen an. Er wollte wohl so seine Hühner beschützen. Ich hatte immer Glück, mir tat er nichts. Ich war sicher für seine Hühner keine Gefahr, weil ich noch so klein war. Egal, wer sich ihm sonst näherte, der Hahn ging sofort zum Angriff über. Er flog mit wildem Getue auf das Gitter seines Zaunes zu. Jeder machte vor Schreck einen Schritt zurück und gab sich keine Mühe, dort hinein zu gehen bis auf Mutti und Vati. Die beiden wagte der Hahn nicht anzugreifen, er hatte eher Angst vor Vati. Er tat immer so, als hätte er ihn nicht gesehen, das wird schon seinen Grund gehabt haben, den ich aber nie erfuhr. Vati schüttelte, wenn er in den Hühnerstall oder in das Gehege wollte, mit einem Eimer Futter, alle Hühner sogar der Hahn waren abgelenkt, dann konnte auch ich, ohne in Gefahr zu sein, in den Stall gehen, um die Eier einzusammeln.

      Gemeinsam mit Vati säuberten wir die Ställe und die Legenester. Vati konnte es kaum glauben, dass ich sogar auf der ganzen Wiese die Eier suchen durfte.

      Denn wenn ich erst einmal bei den Hühnern im Gehege war, tat der Hahn, als wäre es selbstverständlich, dass ich da war. Es machte mir viel Spaß, die vielen Eier in einem Korb zu sammeln und dabei versuchte ich, sie zu zählen. Doch verzählte ich mich immer, erstens weil ich noch nicht richtig zählen konnte und weil ich dem verrückten Hahn nicht ganz traute. Ich ließ den Hahn nie wirklich aus den Augen, man musste immer mit einem Hahnenangriff rechnen. Wie das ausgehen mag, wagte ich nicht zu denken.

      Nun zu lieben Hofgesellen. Wunderschöne große wie auch kleine Gänse hatten wir. Die Gänse machten zwar immer einen langen Hals, dem ein schreckliches Gezische und Geschnatter folgte, aber wenn sie mich dann erkannten, hörten ihre Drohungen ganz plötzlich auf. Sie taten, als wäre nichts geschehen. Auch bei ihnen fand ich Eier, aber diese waren viel größer als Hühnereier. Mutti hatte mir erklärt, dass diese Eier nur zum Backen gebraucht werden oder manchmal gibt es daraus auch neue kleine Gänse.

      Wie ich das nun wieder verstehen sollte, war mir jetzt egal. Wenn die kleinen Gänse da waren, freute ich mich immer sehr. Die Eier, die wir nicht selbst brauchten, wurden verkauft. Oft kamen Frauen mit ihren Körbchen auf unseren Hof. Sie kauften Enten- und Hühnereier, aber auch Obst und Gemüse.

      Ich freute mich, dass ich immer dabei sein durfte, denn die Frauen streichelten mir oft über mein Haar und sagten, was bist du doch für ein fleißiges Kind. Ich war sehr stolz darüber, denn bei uns in der Familie gab es dieses Lob nur ganz selten.

      Heute verbrachte ich mal wieder Zeit bei den kleinen Enten und Gänsen, sie kamen mit leisem Geschnatter auf mich zugelaufen, sie freuten sich, weil ich wieder etwas mitgebracht hatte. Einen Eimer Kükenfutter hatte ich immer dabei. Ich liebte alle unsere Tiere, war einmal eins krank, kümmerte ich mich so lange darum, bis es wieder gesund war.

       Wie es einer Freundin heute ergehen sollte

      Leider hat oft so viel Schönes auch Schattenseiten, so ein Tag war heute.

      Vati hatte einen dicken Holzklotz vor unseren Schuppen gezogen, nanu, dachte ich, es ist doch kein Holz zum Hacken da, was will er wohl mit diesem Holzklotz heute anfangen? Ob ich mich davonschleichen soll, waren meine ersten Gedanken, ich hatte ein seltsames Gefühl in mir. Da hörte ich schon Vati rufen, du kannst mir helfen, lauf nicht weg. Er hielt mir eine Schüssel mit den Worten hin, halt die Schüssel schön fest, Mutti wird uns eine Suppe kochen. Was, dachte ich, Hackklotz, Schüssel, Messer, Suppe, was soll das, ich verstand nichts. Während ich noch staunend unverständlich dastand, hatte ich nicht bemerkt, dass Vati zu den Gänsen gegangen war.

      Plötzlich sah ich in seinem Arm eine flatternde Gans. Vati stand vor dem Holzklotz, nahm die Gans zwischen seine beiden Beine, mit der einen Hand hielt er sie an ihrem langen Hals fest.

      Die Gans war plötzlich ganz leise geworden, sie schnatterte nicht mehr, ich glaube, sie wusste mehr, als ich ahnen konnte. Aus meinem Erstaunen wurde ich wach, als Vati sagte, gib mir mal das Messer, halte die Schüssel fest, damit das Blut aus dem Kopf von der Gans nicht daneben läuft.

      Plötzlich war ich hellwach, der Schreck über diese Worte war groß, meine liebe Gans, ging es mir durch den Kopf, soll sterben, ich soll zusehen, wie sie stirbt, nein, das war zu viel für mich.

      Ich fing plötzlich an zu schreien, ließ das Messer, das ich schon in meiner Hand hatte, fallen und schmiss die Schüssel mit aller Kraft weg, In Windeseile lief ich hinten zum Tor hinaus. Vati hörte ich böse rufen, komm sofort zurück, aber ich lief, so schnell ich konnte, weiter. Denn auf der anderen Straßenseite wohnte eine alte Tante, zu ihr ging ich jedes Mal, wenn ich Kummer hatte.

      Vor ihrem Haus war ein kleiner, wunderschöner Garten, den ich so liebte, doch jetzt hatte ich kein Auge für die schönen Blumen. Schreiend lief ich zur Haustüre, Tante Ida, Tante Ida, du musst kommen, Vati macht die Gänse tot, ich soll Blut fangen. Da bemerkte ich plötzlich, dass Tante Ida schon neben mir stand, sie arbeitete wie so oft in ihrem Vorgarten. Als ich sie sah, warf ich mich an sie, umklammerte sie fest um ihre Beine, ich war zu klein, um sie zu umarmen, ich weinte.

      Tante Ida, liebe Tante Ida, Vati will eine Gans töten, ich soll das Blut auffangen, damit Mutti eine Suppe kochen kann, das darf er doch nicht, bitte, bitte, geh du zu ihm, sag ihm, dass ich lieber verhungern würde, aber die Gans soll nicht getötet werden. Weinend hatte ich mich nun an Tante Idas Schürze geklammert. Liebes Kind, beruhige dich, ich werde zu Vati gehen und sehen, was ich machen kann. Du wirst dich erst einmal hinsetzen, deine Tränen an deinem Schürzchen abwischen und mit Tante Gerda ein Stück Kuchen essen.

      Tante Gerda war die Schwester von Tante Ida, sie lebten zusammen in diesem kleinen Häuschen. Das Häuschen sah aus wie ein kleines Hexenhäuschen, nur ohne Hexe, aber mit einem wunderschönen Blumengarten.

      Doch das mit dem Kuchen ließ ich mir nicht zweimal sagen, mein Kummer war schnell vergangen. Später, als Tante Ida zurückkam, nahm sie mich in ihre Arme, sie wusste, wie neugierig ich war und fing an zu erzählen.

      Weißt du, mein Kind, von den Gänsen muss auch einmal eine geschlachtet werden, sonst werden sie zu alt, das Futter wird zu teuer und ihr müsst ja auch was zu essen haben.

      Sofort rief ich nein, ich will aber keine Gans essen, doch Tante Ida tat, als ob sie mich nicht gehört hätte, sie sprach einfach weiter. Die Zeiten sind noch sehr schlecht, mein Kind, man kann glücklich sein, einen solchen Gutshof, wie ihr ihn habt, zu haben, auf dem Tiere leben können, die man auch essen kann.

      Dass dein Vater alles von dem Tier verwerten muss, das heißt, wenn er eine Gans schlachtet, muss das Blut von ihr in einer Schüssel aufgefangen werden, damit deine Mutti eine Suppe daraus kochen kann.

      Weine nicht, mein Kind, du musst lernen, dass das Leben und der Tod oft sehr nah beieinander sind. Du willst doch auch leben? So musst du auch essen.

      Die Tränen liefen immer noch über mein Gesicht, ich hatte mich bei all den Worten fest an Tante Ida gekuschelt. Als sie dann aufhörte zu sprechen, sagte ich bockig, ich werde aber keine Suppe essen.

      Darauf antwortete die Tante nicht, sondern sagte, liebes Kind, lass uns wieder zu Mutti und Vati gehen, ich bringe dich nach Hause.

      Als wir bei Vati ankamen, hing ich immer noch an Tante Idas Schürze. Ich rechnete