Ein verlorenes Paradies. Monika Dahlhoff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Monika Dahlhoff
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783962298272
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war das Jahr 1944. Was ihr jetzt alles lesen werdet, ist kein Märchen, es ist eine von meinen Lebensgeschichten.

      Das Leben von Angelika, dem Engelchen, die schon sehr früh ihre Liebe zu Tieren und der Natur entdeckte.

      Es war eine schreckliche Zeit, in der ich, Angelika Charlotte von Quitzow, im November in Königsberg, Ostpreußen geboren wurde. Draußen tobte der Krieg, man konnte durch die geschlossenen Fenster das Dröhnen der Bomben hören. Oft verkroch ich mich in einer Ecke meines Zimmers und hielt mir beide Ohren zu.

      Meinen Papa gab es schon lange nicht mehr. Mama sagte mir eines Tages, das Flugzeug von Papa wäre abgeschossen worden. Um mich zu trösten, erzählte sie mir, dass Papa im Himmel wäre und immer auf mich aufpasste. Das tröstete mich zwar ein bisschen, aber ich fühlte mich von ihm doch allein gelassen.

      Mama versuchte, mich immer wieder zu trösten und wenn es ihr einmal wieder nicht gelang, beschloss sie, dass wir zu Oma und Opa auf ihr gräfliches Landgut in Ostpreußen fahren sollten. Ja, du hast richtig gelesen, meine Großeltern waren adelig und hießen von Quitzow, wie Mama und ich. Leider hatten Mama und mein Papa nicht geheiratet. Sie wollten den Krieg abwarten, denn Mama wünschte sich so sehr ein weißes Kleid. Aber ich konnte die Zeit in Mamas Bauch anscheinend nicht abwarten, ich wurde geboren, als mein Papa im Krieg war.

      Nun aber wieder zu unserer Reise zu Oma und Opa. Schnell sagte Mama, bevor wir fuhren, wenn wir unterwegs zu Oma und Opa sind und mich jemand nach meinem Namen fragen würde, solle ich einfach sagen, das weiß ich nicht. Warum das so war, erfuhr ich erst viel, viel später.

      Bei Oma und Opa ist kein Krieg, sagte Mama, es fallen dort keine Bomben auf die Straßen, so wie in Königsberg. Das brauchte Mama nur einmal zu sagen, so schnell ich konnte, zog ich mich an und los gings. Auf der langen Fahrt mit dem Zug war ich wie jedes Mal auch heute eingeschlafen.

      Plötzlich hörte ich sehr vertraute Stimmen. Los, du Langschläfer steig endlich aus, in unserer Küche steht dein geliebter Apfelkuchen, die Äpfel sind noch warm. Das ließ ich mir nicht noch einmal sagen. Endlich auf dem Gut angekommen, stürzte ich mich sofort auf den Apfelkuchen.

      Nein, kleine Angelika Charlotte, so geht das nicht, sagte Opa, hast du nicht etwas vergessen? Vor lauter Aufregung hätte ich fast das Wichtigste und Liebste vergessen.

      Da sah ich sie wartend stehen, meine große Freundin Elsa, die mich liebevoll mit ihrer Nase anstieß. Jetzt war nichts wichtiger, als sie in meine Arme zu nehmen, sie zu drücken und ihr ein Küsschen auf ihren großen Kopf zu geben, dabei fuhr sie, wenn ich nicht schnell genug war, mit ihrer Zunge einen nassen Lecker über mein Gesicht.

      Schnell wischte ich mit dem Ärmel meines Jäckchens das Gesicht ab, was Oma und Opa jedes Mal zum Lachen brachte.

      Du brauchst nicht zu raten, was es für ein Hund war, ich sage es dir, es ist eine große Deutsche Dogge mit silbergrauem, weichem Fell, sie ist meine aller-, allerbeste Freundin.

      Als ich noch ein Baby war, hatte sie schon den Auftrag von Oma und Opa, auf mich aufzupassen, was Elsa auch immer brav tat. Mama erzählte mir, aber viel, viel später einmal, wenn ich als Baby mit meinen Windeln im Höschen wegrobben wollte, holte mich Elsa an den Windeln wieder zurück. Eins war Elsa für mich immer, sie war mein Bodyguard. Niemand durfte mich anfassen, der nicht zur Familie gehörte. Darum konnte mich Mama mit ruhigem Gewissen bei Oma und Opa auf dem Gut lassen, wenn sie wieder nach Königsberg fuhr.

      Heute war irgendwie alles anders als sonst, denn Mama wollte nicht nach Königsberg, sondern nach Berlin fahren, ihre Schwester besuchen. Schnell bestellte ich noch Grüße an Hardy. Da fiel mir plötzlich ein, dass Hardy mit seiner Familie vor einiger Zeit nach Berlin gezogen war. Ach, das war mir jetzt auch nicht so wichtig. Hauptsache meine Grüße an Hardy kamen an.

      Es wurde eine schöne Zeit mit Opa und Oma, keine Bomben, kein Knallen, nur Tiere und die Kinder, die auf unserem Hof wohnten und mit mir spielten.

      Der Sommer war für mich wieder einmal viel zu kurz. Und leider war es viel zu schnell Winter geworden. Wir spielten nur noch selten draußen auf unserem Hof. Doch etwas hatte ich in diesem Sommer wieder gelernt. Was all unsere Tiere im Sommer fressen. Ich kannte alle Kräuter, jede Pflanze, alle Gräser und Blumen. Sogar der Klee, den man essen konnte, war lecker, er schmeckte etwas sauer, aber wenn die Tiere ihn essen, so kann ich es auch, dachte ich mir. Eins wusste ich damals noch nicht, dass mir diese Lehre oft mein Leben retten sollte.

      Aber das ist eine andere Geschichte.

      Bei Oma und Opa in der Wohnküche war es sehr gemütlich. Ein großer Ofen, der eine schöne Wärme ausstrahlte, stand in der Küche neben unserem Esstisch. Der Esstisch stand in der Nähe vom Küchenfenster, sodass wir die dicken Schneeflocken draußen beobachten konnten, wie sie langsam zur Erde fielen und wie weiße Sterne auf den Steinen liegen blieben. Ja es war sehr, sehr kalt geworden.

      Elsa lag faul auf ihrer Decke neben meinem Stuhl, wir konnten sie hin und wieder schnarchen hören. Wenn ich das hörte, fing ich laut an zu lachen, sodass sie wieder wach wurde. Wir saßen mal wieder gemütlich am Esstisch neben dem Fenster und aßen meinen geliebten Apfelkuchen. Dabei schaute ich den dicken Schneeflocken zu, wie sie an unserem Fenster wie Eisblumen kleben blieben. Die Wärme, die aus unserem Kachelofen kam, machte es sehr gemütlich.

      So könnte es ewig bleiben, sagte Opa, doch in seinen Worten klang ein bisschen Traurigkeit. Als ich das bemerkte, sprudelten meine Worte aus mir heraus, Opa was ist ewig? Ach mein Kind, ich meine doch so gemütlich wie jetzt. Ich setzte mich auf Opas Schoß, streichelte seine Wange und sagte: Opa sei nicht traurig, du hast doch mich. Ja, mein Kind, du hast recht, lass uns erst einmal den Kuchen essen, dann sind alle traurigen Gedanken wieder weg.

      Plötzlich wurde Opa unruhig, er ging zum Fenster und sagte nachdenklich, was ist das nur für ein Motorengeräusch? Wir haben doch keinen Wagen mit Heu bestellt, wir brauchen kein Heu mehr, wir haben den Stall voll davon und Futter für die Tiere brauchen wir auch nicht.

      Da, plötzlich drehte sich Opa mit einem Ruck zu mir um, los, kleine Angelika, gehorche, was ich dir jetzt sage. Oh, was war denn das, solche Worte hatte ich von meinem Opa noch nie gehört.

      Aber was er jetzt sagte, ließ mich tun, was er wollte. Schnell lauf in dein Zimmer, zieh dich warm an, vergiss deinen Muff nicht umzuhängen. Zieh dir auch die warmen Stiefel an, rief er mir auf dem Weg zur Treppe nach oben noch nach. Für ein paar Minuten hielt ich inne, denn jetzt fühlte ich in mir etwas, was ich noch nicht kannte, ich fing an zu zittern.

      Mit dem Anziehen beeilte ich mich sehr, denn Opas ernste Worte klangen noch in meinen Ohren. Als ich unten in der Küche ankam, waren Oma und Opa auch schon warm angezogen. Da sah ich Elsa, die von ihrer Decke aufgestanden war, neben Opa stehen. Sie schien sehr aufgeregt zu sein, so hatte ich meine Freundin noch nie gesehen.

      Alles war so schnell gegangen, dass mir keine Zeit geblieben war, darüber weiter nachzudenken, warum dieses alles geschah. Vorsichtig hörte ich nach draußen und erschrak, es wurde geschossen. Das verstand ich jetzt nicht, hatte Mama nicht, als sie zu ihrer Schwester gefahren war, gesagt, bei Oma und Opa gibt es keinen Krieg. Jetzt aber darüber weiter nachzudenken, war keine Zeit. Plötzlich wurde unsere Türe aufgestoßen. Vor Schreck versteckte ich mich hinter Opa und hielt mich an seinem Bein ganz fest. Da waren sie, die Soldaten mit ihren hässlichen Gewehren, die sie auf uns hielten und wie die Wilden damit herumfuchtelten. Elsa hatte sich plötzlich schützend vor uns gestellt und zeigte böse ihre Zähne. Ein Knurren war sogar von ihr zu hören.

      Was nun geschah, ging alles sehr schnell, ich hörte noch einen Knall und sah meine Freundin Elsa mit einem großen Bums zur Erde fallen.

      Ich stürzte hinter Opa hervor, an dem ich mich noch immer festgehalten hatte, schmiss mich auf Elsa, schrie und weinte. Ich sah aus ihrem Kopf das Blut auf den Boden fließen und hielt sie fest umklammert, doch fühlte ich, dass ich meine Freundin Elsa nun für immer verloren hatte. Während ich so weinte, Elsa immer wieder streichelte, hörte ich aus weiter Ferne Opas Stimme: „Nein, das Kind nicht, nehmt mich mit.“ Doch in diesem Moment fielen zwei Schüsse, Oma und Opa fielen neben mir und Elsa blutend auf den Boden. Meine Rufe nach ihnen konnten sie nicht mehr hören, sie waren tot.

      Lange