Ein verlorenes Paradies. Monika Dahlhoff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Monika Dahlhoff
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783962298272
Скачать книгу

      Langsam begann ich, mir doch Sorgen zu machen. Da hörte ich plötzlich von Weitem einen Hund bellen. Ich erschrak, das konnte nur Ali sein, denn hier gab es keine anderen Hunde. Erich, Erich, hör doch mal, sagte ich aufgeregt, ist das nicht Ali?

      Wir liefen beide, so schnell wir konnten, in die Richtung, aus der das Gebell kam. Was wir nun sahen, ließ uns beide laut lachen.

      Vor uns lag ein großes Zuckerrübenfeld, die Rüben mit ihren Blättern waren sehr groß. Es war ein Schauspiel, was wir da sahen, denn über die Rübenblätter hopste in großen Sprüngen hin und her ein großer Hase. Wir trauten unseren Augen nicht, denn in weiten Abständen hopste ein bellender, kleiner, weißer Pudel, der den Hasen fangen wollte.

      Wir riefen, so laut wir konnten, seinen Namen. Doch Ali wollte den Hasen unbedingt fangen, er hörte unser Rufen nicht. Endlich, ich war weit in das Rübenfeld hineingegangen, da sah mich Ali, nun hörte er auch seinen Namen. Ich hatte Glück, er gab tatsächlich sein Spiel auf. Die Liebe zu seinem Frauchen war wohl doch größer als die Jagd auf den Hasen, den er sowieso nicht fangen konnte.

      Als Ali in meiner Nähe war, hing ihm seine kleine, rosa Zunge aus dem Schnäuzchen.

      Das war ein Zeichen, dass ihn alles etwas überanstrengt hatte. Sicher ließ er auch deswegen von dem Hasen ab. Herrchen freute sich, dass Ali bei der Hasenjagd nichts geschehen war, sondern dass es für ihn nur ein Spiel war. Als wir zu Hause ankamen, musste Ali erst mal in die Badewanne.

      Aus einem weißen, gepflegten Hund war ein kleiner Schmutzfink geworden. Das Baden schien ihm zu gefallen, denn er wurde danach in ein großes Badehandtuch gewickelt und durfte auf Frauchens Schoß ausruhen. Sein Spiel mit dem Hasen hatte ihn doch sehr angestrengt. Nun war auch schon wieder Zeit, Ali stadtfein zu machen. Wir mussten nach Düsseldorf zurück in unsere Wohnung. Das hieß, wieder brav an der Leine gehen bis zum nächsten Wochenende. Als wir in Düsseldorf ankamen, war auch hier schönes Wetter.

      Am nächsten Morgen machte ich mich hübsch, um mit Ali Gassi zu gehen. Es war ungefähr neun Uhr morgens, ich trug wie immer Schuhe mit hohen Absätzen und hatte ein schickes Kleid an.

      Ali war hübsch gebürstet, er trug heute Morgen ein rotes Halsband, dazu eine passende rote Leine. Bevor wir zur Türe hinausgingen, rief Herrchen uns nach, schaut doch einmal nach den Börsenkursen unten bei der Bank.

      Diesen Satz konnte ich schon beten, so oft rief er uns den morgens nach. Wir waren brav und taten immer, na fast immer, was uns Herrchen auftrug. Doch heute sollte es etwas anders ablaufen als sonst.

      Damit wir es nicht vergessen, gingen wir zuerst zur Bank, um Herrchen die Nachricht über die Börsenkurse mitzuteilen.

      Aber als wir zur Bank kamen, stand vor uns schon ein Mann, der zwischen seinen Beinen eine Kollegtasche mit einem offenen Reißverschluss stehen hatte.

      Dieser Tasche schenkte ich jetzt keine Bedeutung. In der Hand hielt der Mann, na ja, man könnte sagen der Herr, weil er so vornehm gekleidet war, einen Schreibblock und einen Kugelschreiber oder so etwas ähnliches, er machte sich Börsennotizen.

      Wir stellten uns hinter diesen Mann, um ihn nicht zu stören, denn wir brauchten ja nur nach einer Aktie zu schauen und das ging immer sehr schnell.

      Dieses Mal dauerte es Ali wohl doch zu lange. Ich fühlte plötzlich einen kleinen Ruck an seiner Leine, aber was ich da sah, ließ mich den Atem anhalten, denn Ali konnte scheinbar sein Pipi nicht mehr anhalten, er dachte wohl, die Kollegtasche dieses Mannes könnte man auch als Baum nutzen, darum hob er sein Beinchen und pieselte dem Mann genau in den offenen Reißverschluss seiner Kollegtasche.

      Ich erschrak, als ich das sah. Ich machte schnell einen Ruck an Alis Leine und so schnell mich meine Stöckelschuhe trugen, gingen wir, nein eher liefen wir, bis wir die nächste Hausecke erreicht hatten. Aber statt ernst oder böse zu sein, lachte und lachte ich, Tränen rannen über mein schön geschminktes Gesicht. Ich hielt mir den Bauch beim Lachen. Ich stellte mir die schlimmsten Dinge in meinem Kopf vor.

      Wenn dieser Mann nun ein Geschäftsmann wäre? Aktien in seiner Tasche hätte? Oder wenn seine Butterbrote für sein Frühstück darin wären? Er diese Kollegtasche dann auf einen schön glänzenden Schreibtisch legte? Dieser dann auf einmal nass wäre? Seine Akten nicht mehr zu lesen wären? Er auch seine Butterbrote nicht essen könnte? Alle diese Gedanken schwirrten in meinem Kopf herum.

      Ich war jung, man muss es mir verzeihen, ich konnte einfach nicht aufhören zu lachen. War das Schadenfreude? Nein, das war es für mich nicht, es war einfach nur lustig.

      Als wir bei Erich in der Wohnung ankamen, wunderte er sich, wo wir so lange geblieben waren. Wir wollten doch gemeinsam frühstücken.

      Er sah mich an, wollte mich gerade nach unserer Verspätung fragen, da fing er plötzlich auch an zu lachen. Ich staunte über sein Lachen, konnte es nicht verstehen, hatte ich doch noch nichts von unserem Erlebnis erzählt. Aber Lachen muss wohl ansteckend sein, denn ich lachte sofort wieder mit. Wir lachten um die Wette, keiner konnte sich beruhigen. Doch wieso lacht Erich eigentlich, fiel mir auf einmal ein, er hat uns doch nicht gesehen oder gibt es noch einen Grund zum Lachen? Warum lachst du, fragte ich ihn plötzlich. Na, schau doch mal in den Spiegel, dann weißt du, warum ich lache.

      Ja, es gab wirklich etwas zu lachen. Als ich in den Spiegel schaute, erschrak ich, denn ich sah aus wie ein Clown, meine Schminke, meine schwarze Wimperntusche alles hatte sich über mein ganzes Gesicht verteilt.

      Nun fing auch ich wieder an zu lachen, denn so war ich auf der Königsallee spazieren gegangen.

      Ach du lieber Himmel, was mögen bloß die Leute, die an mir vorbei gegangen waren, gedacht haben? Ich aber konnte immer noch vor lauter Lachen kaum sprechen. Nun erzählte ich, was uns eben vor der Bank passiert war. Schon brach ein neues Gelächter von uns beiden los. Unser Frühstück war wohl eins der lustigsten, was wir gemeinsam je hatten. Nur Ali frühstückte schon mal, er ließ es sich gut gehen. Er wusste ja nicht, dass er den Spaß ausgelöst hatte.

      Schnell war wieder unser Wochenende da, es ging wieder ab in die Einsamkeit, in die Freiheit und zu der Gemütlichkeit.

      Ali war sofort wieder auf Wanderschaft, doch wir frühstückten erst einmal. Erich hatte eine Schallplatte mit Operettenmusik aufgelegt, die ich immer sehr gerne hörte und dabei meinen Gedanken freien Lauf ließ. Ali kam heute sehr früh von seinem Spaziergang zurück. Wir wunderten uns sehr darüber. Ich schaute ihn an und sagte, na du bist ja schon wieder da, hast du heute keinen Hasen gesehen?

      Ali hatte sein Köpfchen nach unten gehalten, was mich sehr wunderte. Ich hob mit meiner Hand sein Köpfchen hoch und erschrak, das Blut floss ihm aus seinem kleinen Schnäuzchen. Schnell hob ich ihn auf meinen Arm. Auch Erich war von seinem Stuhl schnell aufgestanden. Jetzt sahen wir, dass Alis rechter Schneidezahn ganz nach vorne stand und schrecklich blutete.

      Schnell fuhren wir zu einem Tierarzt, doch leider sagte der Tierarzt, den Zahn müsse er ziehen, der würde nie mehr richtig anwachsen.

      Die Liebe, die Ali nun bekam, und das fein zurechtgemachte Fresschen sollten seinen Schmerz vergessen lassen. Von nun an hatte er nur noch einen Schneidezahn. Das aber tat seiner Schönheit keinen Abbruch.

      Beim Fressen störte es ihn auch nicht. Auch ohne diesen Zahn liebten wir ihn. Was je mit seinem Zahn passiert war, oder wobei es passiert war, erfuhren wir nie. Die wildesten Gedanken gingen mir durch den Kopf. Wie zum Beispiel, er könnte sich mit einem Fuchs gezankt haben? Oder um einen Stock gestritten haben? Alle Überlegungen blieben ohne Aufklärung.

      Doch auch dieses Mal ging die schöne Zeit in unserem Ferienhaus viel zu schnell vorbei. Auf der Fahrt nach Düsseldorf dachte ich noch, so könnte mein Leben ewig weitergehen. Ruhe, Frieden und glücklich sein. Doch ich irrte mich. Plötzlich hatte das Schicksal etwas anders mit uns vor. Meine Freundschaft mit Erich zerbrach.

      Der Altersunterschied war wohl doch zu groß. Erich hätte mein Papa sein können, denn es waren ja 20 Jahre, die er älter war als ich. Schon eine ganze Weile wusste ich, dass ich zu Erich mehr Vatergefühle hegte, als Gefühle für einen Geliebten. Sicher, weil ich meinen Papa im Zweiten Weltkrieg verloren hatte