Ich kann es kaum erwarten, meiner wunderbaren Frau Jan dafür zu danken, dass sie mich durch all die Höhen und Tiefen begleitet hat. Gleichzeitig gab sie unserer Familie stets Rückhalt, deren einzelne Mitglieder uns wiederum so stark beflügelt haben – Dylan und Zoe, Virgil und Zuni, Georgia, Drew und Diego, Steph und Adam.
Im Verlauf der letzten neun Jahre bemühten Alan White, bis zu seinem Tod Chris Squire und ich uns zusammen mit Geoff Downes, Jon Davison und Billy Sherwood darum, dem Standard, für den die Gruppe Yes aufgrund ihres ureigenen Konzepts steht, auch gerecht zu werden, was uns mit unseren jüngsten Tourneen, auf denen wir jeweils ein ganzes Album vortrugen, auch gelungen sein dürfte. Wir freuen uns schon darauf, weitere großartige Werke von Yes zu entstauben und zum Besten zu geben. Danke vielmals!“
Meine Worte wurden von den 17.000 Leuten im Publikum sehr herzlich aufgenommen. Viele Freunde und Fans, die alles online oder im Fernsehen mitverfolgt hatten, teilten mir mittels E-Mail, SMS oder persönlich mit, dass ihnen gefallen habe, was ich gesagt hätte. Ich war hocherfreut, dass die Leute zu verstehen schienen, worauf ich hinauswollte.
Wenig später wurden die Tische weggeräumt. Anstatt sich der Stimmung des Anlasses anzupassen, ließ Rick Wakeman, der alte Komiker, einige fragwürdige Zoten vom Stapel, was uns weniger gefiel. Derbe und banale Späße eben. Der Teleprompter signalisierte ihm mehrere Minuten lang ohne Erfolg, dass er Schluss machen solle, da die Zeit knapp werde. Eigentlich hätte ja noch Scotland Squire mit ihrer Tochter Xilan an ihrer Seite über ihren verstorbenen Mann Chris sprechen sollen. Doch darauf wurde schließlich aus akutem Zeitmangel verzichtet. Chris war diese spezifische Auszeichnung sehr wichtig gewesen, da sie eine große Anerkennung seitens der Branche darstellte. Als wir nun die Bühne verließen, dachte ich darüber nach, wie unfassbar abgeschmackt und kindisch diese Erfahrung gewesen war. „Was war los?“, fragte Scotland, worauf ich ihr antwortete, dass Rick weit übers Ziel hinausgeschossen sei – nicht nur hinsichtlich der Zeit, sondern auch dessen, was die Grenzen des guten Geschmacks betreffe.
Als Nächstes eilten wir hinter den Kulissen von Interview zu Interview. Einige davon fanden auch im Beisein von ARW statt, was dann letzten Endes desaströs und albern zugleich war. Als wir etwa alle nach unseren Plänen für das nächste Jahr, dem 50-jährigen Gründungsjubiläum der Band, gefragt wurden, meinte Jon Anderson: „Wir werden alle gemeinsam touren!“ Ich erstickte jegliche diesbezügliche Hoffnung sofort im Keim: „Auf keinen Fall, davon war nie die Rede!“ Dies entsprach vollauf der Wahrheit. Nichts schien weiter von der Realität entfernt zu sein als eine harmonische Zusammenarbeit dieser beiden verfeindeten Lager.
Die Rock and Roll Hall of Fame ermutigt ihre Acts mit besten Absichten dazu, sich für die Aufnahmezeremonie (und auch darüber hinaus) wiederzuvereinigen. Die Fans stehen diesem Aspekt ebenfalls sehr positiv gegenüber. Ihre Lieblinge können so ihre jahrelange Absenz zumindest in Ansätzen wiedergutmachen. Aber es ist nicht immer so einfach. Ein Beispiel dafür waren etwa ELO, die so wie wir 2017 aufgenommen wurden. Roy Wood spielte eine Schlüsselrolle in ihrer Entwicklung, doch entschied er sich dafür, an diesem Abend nicht mit seiner Band aufzutreten. So wurde er als einer von vielen mit einer kurzen Rede abgespeist. Das Gleiche galt auch für Steve Perry von Journey – er war zwar anwesend, doch verzichtete auf einen musikalischen Auftritt.
Die Gründe sind kompliziert, und jeder Fall ist anders gelagert. Oft spielen einige jüngere Mitglieder schon seit Jahren in einer Band, während andere längst nicht mehr mit von der Partie sind – manchmal aus eigenem Willen, manchmal aufgrund von persönlichen Konflikten. Die von vielen geliebte Musik aus der wichtigsten Schaffensperiode einer Band zu spielen, ist dann mitunter weniger ein Vergnügen als vielmehr eine Verpflichtung, der man eben mit einem versteinerten Grinsen nachkommen muss.
Am Tag darauf war der 8. April 2017 – mein 70. Geburtstag. Bevor Dylan und ich den Abendflug nach London erwischten, aßen wir mit dem Rest der Band in unserem Hotel zu Mittag. Ich freute mich sehr über das Geschenk meines lieben Freundes Charles Scott, der im Filmmusik-Business arbeitet. Es handelte sich dabei nämlich um einen Nachbau meiner Gibson ES-345 „Stereo“-Gitarre. Das Original war nach all den Tourneen und Studiosessions in die Jahre gekommen, doch dieses Modell von 1972 war in einem neuwertigen Zustand und bereit dafür, endlich gespielt zu werden. Nichts konnte mich nun noch in New York halten. Was ich wirklich wollte, war zu Hause mit Jan und der Familie etwas Zeit zu verbringen. Dylan und ich kamen am nächsten Morgen in London an. Wir taten so, als wäre immer noch mein Geburtstag, und verbrachten den Tag damit, dieses runde Jubiläum gemütlich zu feiern.
Diese 70 Jahre stellten eine ungeheure Reise dar: Freude, Glück, Schwierigkeiten, Kummer, Liebe, Verlust, Aufstieg, Schöpfung und Zerstörung. Manche Erinnerungen sind im vollen Farbspektrum, andere eher in Schwarz-Weiß gehalten.
Aber was sollte man anderes erwarten?
Kapitel 2
Lasst uns so tun, als ob …
Als ich etwa zehn Jahre alt war, träumte ich davon, Gitarre zu spielen und einer Künstlerexistenz zu frönen. Für mich gab es nur eines, nämlich auf diesem Instrument kontinuierlich besser und irgendwann einmal richtig gut zu werden.
Die ersten kleinen Schritte zur Erfüllung meines Traumes ereigneten sich in den Loraine Mansions, Widdenham Road, Hausnummer 34, im Nordlondoner Stadtteil Holloway, wo ich am 8. April 1947 das Licht der Welt erblickte. Ich war das jüngste von vier Kindern. Cyril, mein Vater, war Koch, der Ada, meine Mutter, kennenlernte, als beide im Ritz Hotel in Piccadilly arbeiteten. Ich glaube, sie war dort als Hausmädchen angestellt.
Während des Zweiten Weltkriegs kochte mein Vater in der Armee und dann in einem smarten Bankiersrestaurant namens The Palmerston in Bishopsgate in der City of London. Dort avancierte er schließlich zum Küchenchef, bestimmte jeden Tag das Menü und beaufsichtigte die Zubereitung jedes Gerichts. Gelegentlich brachte er auch sehr hochwertige Lebensmittel mit nach Hause, darunter Fleisch und Fisch, was wiederum die Ansprüche an anständige Lebensmittel über Jahre hinweg hochschraubte.
Dad war ein angesehenes Mitglied der International Academy of Chefs de Cuisine, deren britische Sektion sich jedes Jahr zu einem Symposium in Torquay in Devon traf. Er und meine Mum befanden sich oft unter den Gästen, und wir besitzen noch heute ein bemerkenswertes Album voller Erinnerungen an diese Zusammenkünfte, bei denen Dad Preise für blumige Tischdekorationen oder seine Tierfiguren und andere Motive, die er zumeist aus Zucker schuf, einheimste. Zwar bestand meine Mutter darauf, zumindest bei uns zu Hause zu kochen, doch ließ es sich Dad nicht nehmen, am Samstag selbst am Herd zu stehen. Dann gab es auch spezielle Gerichte wie etwa frittierte Äpfel und Bananen. Er zeigte mir auch, wie man Omeletts zubereitete. Doch wenn ich am samstagmorgens aufstand, bröckelte ich stattdessen lieber einen Käse in die Pfanne. Das ging viel schneller und einfacher als ein Omelett! Sobald der Käse dann geschmolzen war, konnte ich ihn mit einer Gabel essen. Außerdem brachte er mir bei, wie man Pfannkuchen machte beziehungsweise, wie man sie wendete. Es machte einen Heidenspaß, zuzusehen, wie hoch man die Pfannkuchen werfen und wieder auffangen konnte.
Die einzige Mahlzeit, mit der ich so gar nichts anfangen konnte, war der Sonntagsbraten – vermutlich ein erster Hinweis darauf, dass ich später Vegetarier werden würde. Seine Zubereitung dauerte immer ziemlich lange, und das unangenehme Aroma breitete sich währenddessen in unserer ganzen Wohnung aus. Leider bin ich einigermaßen empfindlich, was Gerüche betrifft. Bevor bei uns sonntags zu Mittag gegessen wurde, besuchten wir oft einen nahen Verkaufsstand, wo Muscheln und andere Meerestiere angeboten wurden. Deren Anblick und Gestank waren nicht weniger ekelhaft.
Dad verfügte über noch ein weiteres besonderes Talent, nämlich das Eisschnitzen. So formte er etwa für eine australische Bank ein Känguru, das dann im Rahmen einer abendlichen Veranstaltung der Filiale im Palmerston über das Büffet wachte. Vermutlich vermittelte seine Fähigkeit, diese Objekte zu schaffen, mir eine spezielle Wertschätzung für Eisschnitzerei und später auch feine Glasarbeiten. Auf meinen vielen Reisen habe ich stets Ausschau nach gläsernen Kunstobjekten gehalten und so im Verlauf der Zeit auch eine umfangreiche Sammlung zusammengetragen.
Ich war ein relativ ruhiger kleiner Junge, der sich damit begnügte, mit seinen Spielzeugautos und -zügen zu spielen. Auch besaß ich