Steve Howe - Die Autobiografie. Steve Howe. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Steve Howe
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854457039
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zumindest in die Nähe dessen – auf Kurs zu halten. Wir waren ganz fest davon überzeugt, dass es unsere Musik verdient hatte, sich in der absoluten Elite zu etablieren. Am Tag nach unserem Jam mit Jimi Hendrix, dem 29. April 1967, spielten wir beim „Fourteen-Hour Technicolour Dream“, einem Konzert im Nordlondoner Alexandra Palace. Ebenfalls auf dem Programm standen viele der größten Bands der Psychedelic-Ära. Das war ein sehr denkwürdiger Gig in einem riesigen Konzertsaal, der perfekt ausstaffiert war für ein tolles Freakout-Happening.

      Wir performten auch in der allerersten Show von John Peel auf BBC Radio 1, die in Kooperation mit den Maida Vale Studios aufgezeichnet wurde. Es hatte sich ein neuer Radio-Stil entwickelt. Dabei war es nun möglich, längere Tracks und Live-Sessions von neuen Gruppen wie uns auszustrahlen. John war ein Fan von uns.

      Ich spielte ein paar Sessions für Mark Wirtz, den ersten Produzenten, der mich als Gitarrist für ein paar Overdubs buchte. Als ich eintraf, wunderte ich mich, wo denn die anderen Musiker steckten. „Ach, ich habe nur dich herbestellt“, meinte Mark. Ich kam daraufhin schon bald in die Gänge und spielte ein paar Parts für „Theme From A Teenage Opera“ ein. Es war das erste Mal, dass ich meine Gitarre doppelte. Das machte alles einen Riesenspaß, da ich die ungeteilte Aufmerksamkeit des Produzenten genoss. So erfuhr ich all die Akribie, die einzelnen Gitarren-Sounds zuteilwurde.

      Mark betreute fortan Tomorrow als Produzent, was zum Teil daran lag, dass er mich für Sessions buchte – zunächst als Rhythmus-, dann als Leadgitarrist, nachdem er mich und Big Jim Sullivan gegeneinander ausgetauscht hatte. Allerdings lag es wohl auch daran, dass er mich gefragt hatte, ob ich einen Sänger kennen würde, der seine eigenen Texte schreibe. Und auf Keith traf diese Beschreibung zu. So arbeiteten die beiden schließlich an der Hit-Single „Grocer Jack – Excerpt From A Teenage Opera“. Zu diesem Track steuerte ich übrigens ebenfalls Overdubs bei. Hier spielte ich wie auf einer Mandoline, wobei die Spur verlangsamt ablief. Marks Oper blieb indes unvollendet. Die Single allein hatte schon so viel Geld gekostet, dass EMI Mark das Budget kürzte und er seine extravaganten Projekte nicht mehr auf demselben Level fortsetzen konnte. Doch nun kannte er schon die halbe Band, und wir wollten ein Album aufnehmen, weshalb uns Mark einen Deal mit EMI organisierte.

      Dazu muss man aber anmerken, dass diese Deals in den Sechzigerjahren richtig beschissen waren. Die EMI ließ sich nie auf Verhandlungen ein. Bis heute bekommen wir nur zwei Prozent, die wir untereinander aufteilen müssen. Das bedeutet, dass 98 Prozent aller von uns generierten Einnahmen an die EMI fließen – und den vier Bandmitgliedern bleiben jeweils 0,5 Prozent. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Wie viel Unrecht muss erst geschehen, bis irgendwann der Gerechtigkeit Genüge getan wird?

      Als wir in den Abbey Road Studios aufnahmen, schauten auch die Beatles manchmal bei uns im Studio 2 vorbei. Na ja, zumindest Paul und Ringo. Das war schon sehr cool und ließ uns die Sessions gleich noch mehr genießen. Wir probierten freakige Ideen aus, die manchmal die tatkräftige Unterstützung der Hausmeister erforderte – weil sie etwas reparieren oder ein neues Spielzeug hereinschleppen mussten. Diese Typen in ihren weißen Overalls erinnerten mich ein bisschen an den „Fahrrad-Reparier-Mann“ bei Monty Python’s Flying Circus! Mittlerweile war „Rückwärtsgitarre“ in Mode gekommen. So haben wir unseren Song „My White Bicycle“ mit rückwärts abgespielter Leadgitarre und Hi-Hat aufgenommen. Das Ende wurde an den Anfang gestellt, und der Anfang – ja, richtig geraten – landete am Ende. Wir luden sogar einen richtigen Polizisten ins Studio ein. Nachdem wir vorab gewisse Dinge weggeräumt hatten, baten wir ihn, in seine Pfeife zu blasen, sobald Keith sang: „They’ll find some charge, but it’s not thieving.“ Dabei war „Charge“ ein anderes Wort für, nun ja, Rauchwaren. Er blies also feste in sein Pfeifchen, damit es auch so authentisch wie möglich klang. Wir spielten diesen Song oft zu Beginn und am Ende unserer Konzerte. Außerdem veröffentlichten wir ihn im Mai 1967 als Single. „My White Bicycle“ mauserte sich noch vor der endgültigen Fertigstellung des Albums zu einer Art Hymne.

      Die meisten Tracks betreute niemand Geringerer als Geoff Emerick als Toningenieur. Er hatte sich auch um etliche Beatles-Aufnahmen gekümmert. Wir verfügten aber nur über begrenzt Material, weshalb wir wohl oder übel auf einige seltsame Pop-Nummern zurückgreifen mussten. Unsere zweite Single namens „Revolution“, die Keith und ich gemeinsam geschrieben hatten, entstand noch vor dem gleichnamigen Beatles-Song, soll sie aber zu dem Titel inspiriert haben. Die verschiedenen Elemente dieses Songs waren alle wunderbar aufgenommen, doch liefen sie nicht alle im selben Tempo ab. Mark tat sein Bestes, um dies mithilfe von eingefügten Lücken und Echo-Effekten zu kaschieren. Wir hatten bereits ein Demo dieser Nummer aufgenommen, die 1998 als Teil einer CD mit dem Titel 50 Minute Technicolor Dream erscheinen sollte. Diese Version hatte dasselbe Intro und dasselbe Ende, aber litt unter einer Überdosis Phasing. Wir nahmen den Song schließlich mit einigen die Stimmung verändernden Elementen auf. Dazu gehörten etwa ein paar Streichinstrumente.

      Es machte einen Heidenspaß, bei „A Real Live Permanent Dream“ die Sitar zu spielen. In erster Linie spielte ich aber meine 175. Meine andere Gitarre, die winzige Antoria LG50, die mit etlichen bunten Karton-Schnipseln beklebt war, kam für mehrere kleine Overdubs zum Einsatz. So etwa bei „Strawberry Fields“, wo ich sie für das Bending von G zu A verwendete. Das Arrangement dieses Songs war vielleicht von Vanilla Fudge beeinflusst.

      Ich hätte auch beinahe mit Ella Fitzgerald gespielt. Ian Ralfini, ein A&R-Mann, hatte mich für diese Session gebucht. Ich kam gerade rechtzeitig bei den Olympic Studios in Barnes an, um dann jedoch mitzukriegen, wie diese Grande Dame gerade von zwei Muskelprotzen hinausbegleitet wurde. Womöglich hatte ihr irgendetwas nicht ganz in den Kram gepasst. Schade, ich hätte nur allzu gern mit ihr gespielt. Es kreuzten verschiedene Musiker auf, scheinbar aus dem Nirgendwo, und verschwanden wieder. Jim Capaldi saß hinterm Schlagzeug, Mick Jagger stand im Regieraum. Das ist alles, woran ich mich noch erinnern kann. Irgendetwas wurde auch aufgenommen, aber ich glaube nicht, dass es jemals veröffentlicht wurde.

      Eines Abends verließ ich den UFO-Club ein wenig benommen. Da realisierte ich, dass mir wohl jemand etwas in meinen Drink gekippt hatte. Ich erinnere mich noch vage daran, dass ich mit einem Bus zum Whitestone Pond in Hampstead fuhr. Anschließend spazierte ich durch den nahegelegenen Park Hampstead Heath. Dann reißt meine Erinnerung ab. Am nächsten Morgen erwachte ich auf einer Bank vor dem Kenwood House. Dieses wunderbare Gebäude mitsamt eigener Parkanlage hatte da bereits seine Pforten für Besucher geöffnet.

      Die Auswirkungen von LSD jagten mir eine Heidenangst ein. Wir hatten uns gelegentlich einen halben Trip eingeworfen, aber auch nur, wenn Zeit und Ort dies zuließen, im Kreis von Freunden in sicherer Umgebung. So bestimmten wir zumindest selbst über unser Schicksal. Manchmal musste ich so heftig lachen, dass ich Seitenstechen davon bekam. Die Musik fühlte sich immer sehr intensiv an, während die Zeit langsamer zu vergehen schien. Liebe schien uns alle auf telepathischem Wege zu verbinden.

      Mark Wirtz wollte ebenfalls LSD ausprobieren. Also fanden wir uns eines Abends bei ihm in seiner Wohnung in einem Hochhaus neben dem GPO Tower ein, um genau das zu tun. Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band – die wichtigste Platte von 1967 und von hohem Stellenwert für unser Leben – lief in Endlosschleife. So richtig laut! Zunächst tauchte Mark noch gut ins Feeling ein, doch dann öffnete er die Balkontüre und verkündete: „Ich glaube, ich kann fliegen!“ Keith und ich zerrten ihn wieder zurück in die Wohnung und schlossen die Tür. Er beruhigte sich langsam wieder, aber wir mussten ein paar Stunden lang ein Auge auf ihn haben.

      Ein anderes Mal auf LSD saß ich in meinem Zimmer und spielte Gitarre. Die ganze Nacht lang! Leute unterhielten sich daneben, und ich begleitete sie auf meinem Instrument, wie es mir angemessen erschien. Es passierten aber auch oft verrückte Sachen, und Menschen kamen dabei zu Schaden. Manche nur vorübergehend, wohingegen andere nicht so viel Glück hatten. Mit der Zeit kam es aus der Mode, sich LSD einzuwerfen. Es kam vor, dass sich Leute eine Auszeit nehmen mussten, um sich von den Folgen zu erholen. Bei manchen wirkten die Effekte von LSD auch noch jahrelang nach.

      Mit Tomorrow trafen wir schließlich auch einen unserer ganz großen Helden, nämlich den großartigen Songwriter und Gitarristen Frank Zappa. Twink brachte ihn mit in seine Wohnung nach Eden Grove, wo Keith und ich geduldig auf sein Eintreffen warteten. Er versicherte mir, dass er mein Gitarrensolo bei „Claremount Lake“ – der