Ich erinnere mich noch an meine Begeisterung, als ich erfuhr, dass die unvergleichliche Tina Turner 1983 im Ritz als Headliner auftreten sollte. In England hatte sie mit dem Song „Let’s Stay Together“gerade einen riesigen Hit gelandet und der New Yorker Radiosender WBLS spielte ihn die ganze Zeit rauf und runter. Ich liebte diesen Song so sehr, dass ich mich extra aufmachte, die 12-Zoll-Import-Single des britischen Hits zu erstehen. Das Lied war großartig und ganz besonders gefiel mir das Foto von Tina und ihren sexy Tänzerinnen, das auf dem Cover zu sehen war. Schon ihr Album Acid Queen von 1975 hatte mir wahnsinnig gut gefallen, genau wie ihre grandiosen Versionen von Stücken der Rolling Stones, von The Who und Led Zeppelin. Ich weiß noch, dass ich damals schon dachte: „Tina Turner ist einfach die geborene Rock & Roll-Sängerin.“
Sofort schmiedete ich Pläne, zu Tinas Konzert im Ritz zu gehen. Die Vorfreude der Zuschauer war spürbar an diesem Abend. Sie waren gespannt darauf, was sie erwartete. Wie würde Tina aussehen? Würde sie so großartig klingen wie auf dieser neuen Import-Single? Im Ritz gab es keine festen Sitzplätze. Sobald die Lichter für den Beginn der Show gedimmt wurden, würden also alle nach vorne an die Bühne drängen. Weil ich das wusste, holte ich mir schnell einen Cocktail und stellte mich danach nur ca. zwei Meter von der Bühne entfernt hin. Diesen idealen Platz wollte ich dann nicht mehr hergeben.
Ich weiß noch ganz genau, wie dann die Musik einsetzte und das Publikum freudig losjubelte, als Tina Turner die Bühne betrat. Sie sprühte vor Energie und sah in ihrem schwarzen Ledermini einfach atemberaubend aus. Man konnte ihr die Begeisterung förmlich ansehen, als sie in die Zuschauermenge blickte, die sich zu ihrem großen Comeback in New York versammelt hatte. Nie werde ich vergessen, wie Tina Turner und ihre Tänzerinnen sich an jenem Abend zu „Let’s Stay Together“ bewegten und wie sehr mich ihr Auftritt, bei dem sie einfach alles gab, zu fesseln vermochte.
Im Jahr 2000 lebte ich dann in Los Angeles und arbeitete für einen Verlag. Wieder einmal war es pures Glück, dass ich einen Tag vor Tinas Auftritt am 6. Dezember im Arrowhead Pond in Anaheim an eine Konzertkarte kam. In den 1980ern war ich bei einem von Tinas Comeback-Konzerten im Ritz gewesen und nun sollte ich dem Abschlusskonzert ihrer ausverkauften „Abschieds“-Tournee, ihrer „Twenty Four Seven“-Tour, beiwohnen. Auch dieser Abend wurde zu einem unvergesslichen Erlebnis.
Acht Jahre später, zu Beginn ihrer energiegeladenen „50th Anniversary“-Comeback-Tour anlässlich ihres 50-jährigen Bühnenjubiläums, war ich ebenfalls dabei. Die Tournee dauerte vom Herbst 2008 bis zum Frühjahr 2009 und begeisterte Zuschauer an ausverkauften Veranstaltungsorten in den USA, Kanada und Europa.
Als sich für mich die Gelegenheit ergab, dieses Buch zu schreiben, sagte ich sofort zu. Seit Tinas eigenes Buch und der darauf basierende Film erschienen waren, hat sich in ihrem Leben noch so viel ereignet. Wieder empfand ich es als großes Glück, dass ich die Chance bekam, die Geschichte ihrer sieben bisher erlebten Jahrzehnte erzählen zu dürfen.
Tina ist nicht nur eine fabelhafte Sängerin, Tänzerin, Schauspielerin und Performerin, sondern auch unglaublich inspirierend. Durch glückliche Zufälle habe ich zwei der wichtigsten Konzerte ihrer Karriere miterlebt. Ich habe mich gefreut und es als sehr aufregend empfunden, in diesem Buch ihre gesamte Lebensgeschichte aufzuschreiben. Tina Turner ist ein Mensch, der seine Träume nie aufgegeben hat. Man kann es nicht anders sagen: Sie ist tatsächlich die Königin des Rock & Roll!
Mark Bego
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Jetzt, da sie frei war und die Gewaltausbrüche ihres Ex-Mannes nicht länger erdulden musste, versuchte Tina ihr Glück als Solo-Künstlerin. In den frühen 1980ern führte sie ihre aufregende Bühnenshow in Tanzclubs wie z.B. der hauptsächlich von Homosexuellen besuchten Disco „The Saint“ in New York auf.
(Fotos: Charles Moniz)
Tinas großer Durchbruch als Solostar gelang ihr in dem Manhattaner Rock & Roll-Club „The Ritz“. Ihre Garderobe für dieses Engagement wurde von Bob Mackie entworfen. Im Publikum befanden sich unter anderem David Bowie sowie Keith Richards und Ron Wood von den Rolling Stones.
(Fotos: Charles Moniz)
Mittwoch, 6. Dezember 2000 in Anaheim, Kalifornien. Die gewaltige Halle des Arrowhead Pond ist heute ausverkauft. Das Publikum besteht aus 18.000 jubelnden Fans jeden Alters. Es ist der letzte Abend der, wie angekündigt wurde, „letzten“ Stadiontournee der legendären Tina Turner. Die weltweite Konzerttournee heißt, wie auch ihr aktuelles Album, Twenty Four Seven. Der Titel passt genau, denn Tina Turner gelingt es tatsächlich, vierundzwanzig Stunden am Tag und sieben Tage die Woche eine der erotischsten Frauen auf diesem Planeten zu sein.
Eine andere Rock & Roll-Legende – Joe Cocker – ist gerade mit der ersten rasanten Aufwärmphase, in der er schon einige Rock & Roll-Hits präsentiert hat, durch. Doch die Zuschauer sind heute Abend hierhergekommen, um diese eine zu sehen, live zu erleben und zu feiern, die als „tüchtigste Frau des Rock & Roll“ gilt – die einzigartige Tina Turner.
David Bowie bemerkte einmal, dass Tina jede Bühne zum „heißesten Ort im ganzen Universum“ macht. Heute wird sie beweisen, dass das auch hundertprozentig stimmt.
Endlich geht die Pause zwischen den beiden Auftritten zu Ende und die Lichter im Stadion werden wieder gedämpft. Als das Licht im Zuschauerraum völlig erlischt und die Musik zu spielen beginnt, wird dies von der erwartungsvollen Menge mit frenetischem Beifall quittiert. Im Stadion ist es plötzlich ganz dunkel und aus den Lautsprechern tönt die volle und markante Stimme von James Earl Jones: „Arbeite so, als bräuchtest du nichts, liebe so, als hätte man dich nie verletzt, tanze so, als sähe dir niemand zu. Meine Damen und Herren: Tina Turner!“
Der Vorhang geht auf und gibt den Blick auf eine Bühne frei, die aus drei durch Rampen und Treppen verbundenen Ebenen besteht. Auf der mittleren Ebene steht – überlebensgroß – Tina Turner, umgeben von ihren fünf geschmeidigen Tänzerinnen. Und schon bricht ihre aktuelle Tourband unter der Leitung von John Miles mit den ersten Tönen des Songs „I Want To Take You Higher“ los. Die Diva selbst befindet sich sechs Meter über der Bühne und wiederholt immer wieder das Wörtchen „Higher!“ – so als wollte sie ihre 18.000 Mann starke Zuhörerschaft, die ihr Tun ehrfürchtig mitverfolgt, an jenem Abend mit nach oben in luftige Höhen entführen.
Mit ihrem hautengen Hosenanzug, der aus Knickerbockern und einem Bustier aus schwarzem Vinyl und Stahlketten besteht, sieht sie einfach perfekt aus. Ihr schulterfreies Top gibt den Blick frei auf ihre makellose hellbraune Haut und ihren schlanken und straffen Körper. Als sie anfängt zu singen, sieht sie aus, als hätte sie