Tina Turner - Die Biografie. Mark Bego. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mark Bego
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783854453925
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Bühne betrat und anfing, Gitarre zu spielen, schaltete er irgendwie sein Charisma ein. Auf einmal schien der ganze Club in Bewegung, alle tanzten und wiegten sich zur Musik, machten Party. Tina erinnert sich, dass sie an jenem Abend fast in eine Art Trance verfiel, als sie diese Musik hörte. Obwohl sie ihn rein von seiner körperlichen Erscheinung her nicht attraktiv fand, hatte er doch das gewisse Etwas. Die Art, wie er sich auf der Bühne bewegte, und die Energie, die von ihm ausging, wirkten hypnotisierend auf sie.

      Ike Turner war jemand, der an seiner Musik und seiner erotischen Ausstrahlung lange Zeit gefeilt hatte. Er hatte bereits ein paar kleinere Erfolge im Plattengeschäft erzielt, hatte aber Probleme damit, Sänger, die bei ihm einen Hauptpart übernahmen, in seiner Band zu halten. Es schien, als ob jedes Mal, wenn er auf dem Markt einen Hit landete, der Sänger plötzlich die Band verließ, weil er von einer Karriere als Solo-Künstler träumte. Bisher hatte er seinen größten Erfolg mit dem Lied „Rocket 88“ erzielt, aber als es herauskam, wurden Jackie Brenston & The Delta Cats als Autoren des Songs genannt. Doch Ike Turner verlor den Durchbruch nicht aus den Augen. Irgendwann würde er es schon schaffen, einen Sänger in seiner Band zu halten, einen, bei dem die Chemie zwischen ihnen stimmen würde. Doch bis dahin war er erst einmal ein großer Star der Nachtclubszene von St. Louis.

      Ike wurde am 5. November 1931 als Izear Luster Turner Jr. in Clarksdale, Mississippi, geboren. Sein Vater war Baptistenpfarrer und seine Mutter Beatrice Schneiderin. Beatrice gab ihm den Kosenamen „Sonny“ und nannte ihn sein ganzes Leben so. Er hatte nur eine Schwester, Lee Ethel, die zehn Jahre älter war als er.

      Er verlor seinen Vater schon sehr früh. Anders als Annas Vater, der sich plötzlich einfach davonmachte, starb Ikes Vater, nachdem er übel zusammengeschlagen worden war. Ike Senior hatte anscheinend die Frau eines weißen Anwohners nicht nur religiös „betreut“. Ike erinnerte sich noch daran, wie eine wütende Gruppe weißer Männer zu den Turners nach Hause kam und Ike Senior vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder aus dem Haus zerrte. Stunden später wurde er wieder – zusammengeschlagen und mit diversen Verletzungen – auf seinem Grundstück abgeladen. Als ein örtliches Krankenhaus für Weiße ihn nicht aufnehmen wollte, behandelte man ihn in einem speziellen Zelt, das bei den Turners im Vorgarten aufgebaut wurde. Obwohl sein Vater noch drei Jahre weiterlebte, verließ er sein Krankenbett nie mehr.

      Ike Turners Karriere begann schon sehr früh und sein Sexualleben sogar noch früher. „Ich begann mit sechs Jahren, Sex zu haben. Ja, wirklich. Die Frau war 45 oder 50 und hieß Miss Boozie. Sie setzte mich immer auf sich oben drauf und zeigte mir, wie man sich bewegte … Na ja, heute nennt man so etwas ‚Kindesmissbrauch‘. Ich hatte einfach nur meinen Spaß.“ (13)

      Seinen ersten Job bekam er im Alcazar Hotel in der Innenstadt von Clarksdale. Zuerst war er im Hotel der Liftboy und arbeitete dann bei dem Radiosender WROX, der sich im gleichen Gebäude befand. Ike entsann sich: „Ich bekam einen Job im Alcazar, da musste ich immer den Fahrstuhl hoch- und runterfahren. Der Radiosender war im zweiten Stock. Für mich war das etwas sehr Aufregendes, so ein Radiosender. Ich lief dann immer hoch in den zweiten Stock und lugte durch das Fenster, wo ich einem Typen dabei zusah, wie er die Platten abspielte. Er sah mich und sagte, ich solle reinkommen. Dann zeigte er mir, wie man ‚eine Platte hält‘. Ich saß da und hielt sie fest, bis die, die gerade abgespielt wurde, zu Ende war. Dann drückte ich einen Knopf und die, die ich festgehalten hatte, wurde ebenfalls abgespielt. Kaum dass ich mich versah, ging er auf die andere Straßenseite, um sich einen Kaffee zu holen, und ließ mich da drin allein. Ich war erst acht. Da begann ich mich mit Musik zu beschäftigen.“ (14)

      Als Kind konnte er viel Zeit in einem der örtlichen Clubs verbringen, weil dieser der Mutter seines Freundes Raymond Hill gehörte. Unter den Leuten, die dort regelmäßig auftraten, waren Robert Nighthawk und der Harmonikaspieler Sonny Boy Williamson.

      Ikes Liebe zur Musik setzte sich kontinuierlich fort. Plötzlich faszinierte ihn die Idee, Klavier spielen zu können. „Als Kind, wenn man da in der Kirche ein Klavier sieht, dann bemerkt man es nicht – ich zumindest nicht“, sagte Ike. „Aber eines Tages ging ich von der Schule nach Hause und kam am Elternhaus von Ernest Lane (einem Freund aus Kindheitstagen) vorbei. Da hörte ich diese Musik! Pinetop Perkins haute wie wild in die Tasten. Lane und ich begannen ihn durchs Fenster hindurch zu beobachten und waren dann sofort im Haus und schauten ihm, an der einen Ecke des Klaviers stehend, zu. Ich rannte nach Hause und sagte zu meiner Mutter: ‚Mama, ich möchte ein Klavier!‘ Sie antwortete mir: ‚Mach die dritte Klasse zu Ende und bring mir ein gutes Zeugnis nach Hause – dann besorge ich dir eines.‘ Als ich mit meinem Zeugnis aus der Schule kam, hatte ich mein verfluchtes Klavier.“ (14)

      Ike verbrachte seine Zeit liebend gern in Billardhallen – sogar schon als Junge. Er ging mit seinem Freund Ernest dahin. Da hörte er zum ersten Mal Joe Willie „Pinetop“ Perkins auf dem Klavier Boogie-Woogie spielen. Es war nicht gerade schwer, Ike davon zu überzeugen, dass es sicherlich viel mehr Spaß machte, heiße Jazz-Musik zu spielen als die klassischen Klavierstücke, die ihm sein Klavierlehrer beibrachte. Ike erinnerte sich: „Pinetop brachte sowohl mir als auch Ernest das Spielen bei.“ (14)

      Bald machte Ike bei seiner ersten Band mit, den High Hatters. Der Star ihrer Show war ein Posaune spielender Zahnarzt namens Dr. E.G. Mason. Sie spielten in Bars, Juke Joints, auf Partys und örtlichen Tanzveranstaltungen. Um 1948 herum, als sich die High Hatters trennten, gründeten die Musiker, die professioneller waren und auch Noten lesen konnten, ihre eigene Band mit dem Namen The Dukes of Swing. Die weniger professionellen, aber jüngeren und energie­geladeneren Jungs fanden sich ebenfalls als eigene Band zusammen und nannten sich The Kings of Rhythm.

      Ike erinnerte sich an die langen und ausgiebigen Konzerte, die sie gaben: „Wir spielten in den Juke Joints“, sagte er. „Wir fingen um acht Uhr abends an und spielten bis acht Uhr morgens – ohne Pause. Und wenn man auf die Toilette musste? Tja, auf diese Weise lernte ich Schlagzeug und Gitarre spielen: Wenn jemand austreten musste, dann musste irgendjemand anderes seinen Platz einnehmen.“ (14)

      Ike träumte oft davon, eines Tages groß herauszukommen. Beim Spielen in diesen Nachtlokalen sah er, dass ganz unterschiedliche Leute gekommen waren, um sich seine Musik anzuhören: „Ich sah, wie weiße Typen mit ihren kleinen weißen Mädels, die eine Nerzstola trugen, im Auto ihres Vaters angefahren kamen, und sagte mir: ‚Oh, Mann, irgendwann werde ich auch mal so sein wie die.‘“ (5)

      Eines Abends gingen die Kings of Rhythm in einen Bluesclub in Chambers, Mississippi, wo der Star des Abends B.B. King war. Er war sechs Jahre älter als Ike und auch eine lokale Berühmtheit. Da er bereits Platten herausgebracht hatte, verfügte er über eine beträchtliche Anhängerschaft. Nachdem King sein Programm vorgetragen hatte, forderten die Clubbetreiber Ike und die Kings of Rhythm auf, doch auch ein paar von ihren Songs zu spielen. Als sie damit fertig waren, sagte B.B. King zu Ike, er habe eine tolle Band und solle doch mal damit anfangen, Aufnahmen zu machen.

      Es dauerte nicht lange, bis sie das auch wirklich taten. Ike ging nach Memphis und bezahlte Sam Phillips, den Gründer von Sun Records dafür, dass dieser Aufnahmen von seiner Band machte. Drei Jahre später kam auch ein junger LKW-Fahrer namens Elvis Presley zu Phillips, um für seine Mutter ein Geburtstagsständchen aufzunehmen – und so begann eine der größten Erfogsstorys der gesamten Musikgeschichte. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

      Bei dem Song, den Ikes Band an jenem Tag aufnahm, handelte es sich um „Rocket 88“, den Turner mit dem Mann zusammen schrieb, der damals bei der Band sang: Jackie Brenston. Ursprünglich versuchte sich Ike als Leadsänger, doch das Ergebnis war alles andere als erfolgreich.

      Sam Phillips erinnert sich: „Ich hörte Ike im Studio singen und sagte ihm unmissverständlich, dass ich ihn einfach nicht als Sänger sah: Intonation und Phrasierung – beides fehlte. Aber er war ein verdammt guter Musiker – einer der besten Pianisten, die ich bis dato gehört hatte. Daraufhin sagte er mir, dass Jackie singen könnte, und da nahmen wir dann ‚Rocket 88‘ auf.“ (4)

      Später beschwerte sich Ike: „Sam Phillips schrieb Jackie Brenstons Namen darauf, meinen aber nicht, mit der Ausrede, er könne nicht zwei Platten herausbringen, auf denen der Name Ike Turner stand.“ (15)

      Als „Rocket 88“ 1951 bei Chess Records herauskam,