Vertrauenskrise bei den Bitcoin‐Jüngern
Dieser Hack bei Mt.Gox bedeutete in der Bitcoin‐Gemeinde eine Zäsur. Hatten doch viele von ihnen in der digitalen Münze den Heilsbringer von morgen gesehen. Und nun das: die erste große Vertrauenskrise. Die Geschichte hinterließ einen fahlen Nachgeschmack. Doch sie war nicht das Ende des Bitcoins. Und auch nicht das Ende spektakulärer Hacks, bei denen große Mengen Bitcoins plötzlich auf mysteriöse Weise verschwanden. Die bisher Letzte auf der Liste der Hacker‐Trophäensammlung war die weltgrößte Bitcoin Börse Binance, die, wie CEO Changpeng Zhao zuvor nicht müde wurde zu betonen, nicht zu knacken sei.36 Die Realität widerlegte ihn. Das Diebesgut: 7000 Bitcoins. Zwar wurden bisher nie mehr so viele Bitcoins gestohlen wie bei Mt.Gox, doch es war klar: Die Tauschbörsen hatten ein Sicherheitsproblem.37 Vertrauen geht anders. Dabei fokussierte sich der Vertrauensverlust nicht allein auf das Sicherheitsproblem. Die privaten Schlüssel, die den Zugang zu den digitalen Geldbörsen regeln, den so genannten Wallets, können immer gestohlen werden, wenn sie nicht sicher genug aufbewahrt werden. Worauf sich die Augen der Bitcoin‐Gläubigen richteten, waren die auffälligen Ups and Downs des Bitcoin‐Kurses. Ein Kursverlauf, der spätestens seit 2017 sehr ›volatil‘ war,38 wie es an der Börse im Fachjargon heißt. Eine Studie des New Yorker Blockchain‐Forschungsunternehmens Chainalysis Inc. machte deutlich, worum es dabei ging: Die Coins wurden tatsächlich nur selten als Zahlungsmittel genutzt, sie waren zum reinen Spekulationsobjekt mutiert.39 Was Zweifel bei den Bitcoin‐Anhängern hervorrief, waren nicht der Bitcoin selbst, sondern die Art und Weise, wie mit dem Bitcoin umgegangen wurde und bis heute umgegangen wird. Damit ist die Kryptowährung meilenweit weg von der ursprünglichen Intention des Erfinders Nakamoto, eine neue Währung zu etablieren, die unter anderem genau solche Spekulationsblasen verhindern sollte.
Datenabzocke erschüttert Vertrauen
Doch nicht nur mit dem Diebstahl von virtuellem Geld hat das Internet zu kämpfen, auch der massenhafte Identitätsklau ist ein leidvolles Thema, das wertvolles Vertrauen verspielt. Ein Vertrauensverlust, der für eine moderne Gesellschaft bedrohlich ist, zumal deren digitaler Umbau mitten im Gange ist. Vor zehn Jahren titelte der Fernsehsender ntv auf seiner Webseite »Wilde Zeiten. 2009. Das Jahr der Datenskandale«.40 Der größte Skandal war dabei der Angriff eines jungen Hackers, dem es gelungen war, 1,6 Millionen Userdaten bei SchülerVZ abzuziehen.41 Zehn Jahre später ist das bereits Peanuts. Da lautete die Schlagzeile: »Millionen Passwörter im Netz veröffentlicht«.42 Ein Konglomerat aus 773 Millionen gestohlenen E‐Mail‐Adressen und 21 Millionen Passwörter wurden frei zugänglich ins Netz gestellt.43 Der Datenklau verzeichnete eine steile Kurve nach oben. Doch dieser Kursanstieg war kein Gewinn wie an der Börse, sondern ein Verlust, bei dem das Vertrauen der Kunden in den Keller rutschte. Der bisher größte Datenklau aber geschah 2013 bei Yahoo. Daten von drei Milliarden Yahoo‐Konten wurden gehackt.44 Betroffen von Datenabzocke waren nicht nur die großen Konzerne wie Yahoo, auch die kleinen und mittleren Unternehmen wurden in Mitleidenschaft gezogen. Jedes zweite mittelständische Unternehmen wurde bereits Opfer.45 Ein Ende ist nicht in Sicht. Der Identitätsklau wurde ein ständiger Begleiter der digitalen Gesellschaft.
Daten als Geschäftsmodell
Weiteres wertvolles Vertrauen wurde verspielt, als der illegale Datenaustausch der großen IT‐Konzerne aufflog. Allen voran: Facebook. Inzwischen hat das Unternehmen sich einen unrühmlichen Namen beim Datenhandel gemacht. Doch Facebook schaut auf sein Geschäftsgebaren mit ganz anderen Augen. Der Datengigant brüstet sich damit, weltweit 2,5 Milliarden Menschen miteinander zu vernetzen.46 Dabei entstehen Daten in einer sozialen Tiefe, die nicht nur Marketingstrategen Tränen des Glücks in die Augen treiben, sondern auch Geheimdienste neidisch werden lassen. Die Verbraucher aber sind sauer wegen der illegalen Abzocke ihrer privaten Daten, vor allem in Deutschland. Facebook steht am sozialen Pranger. Immer wieder taucht der Name Facebook auf, wenn es im großen Stil um Datenverkauf oder Datennutzung im Graubereich geht. So etwa bei dem Skandal um Cambridge Analytica.47 Als Facebook‐Kunden die App ›thisisyourdigitallife‘ nutzten, hatten viele von ihnen geglaubt, sie unterstützten mit ihren Daten die wissenschaftliche Forschung. Tatsächlich aber erstellte Cambridge Analytica Psychogramme der Facebook‐Kunden und verkaufte diese Daten an politische Strategen. Solche Daten sollen Trump zum Sieg verholfen haben. Damit jedenfalls