Die Geburt des Bitcoins
Krisenerfahrungen machen Menschen kreativ und so erhob sich aus den Trümmern der Finanzkrise die erste virtuelle Währung mit dem Namen Bitcoin, was so viel bedeutet wie digitale Münze. Unter dem geheimnisvollen Pseudonym Satoshi Nakamoto, bei dem bis heute nicht entschlüsselt werden konnte, wer dahintersteckt, ob es sich dabei um eine Person oder eine Gruppe handelt, wurde 2008, genau zu Halloween, ein White Paper mit dem Titel »Bitcoin: A Peer‐to‐Peer Electronic Cash System« ins Netz gestellt.10 Ein Zahlungsmittel, das von Computer zu Computer transferiert werden kann, ohne Zwischenschaltung von Banken. Zunächst blieb das brisante Papier unbemerkt. Schließlich waren alle mit der Pleite von Lehman und deren Verwerfungen beschäftigt. Zwei Monate später folgte nach der Bitcoin‐Ankündigung die Software. Wahrscheinlich wäre das Ganze in der breiten Bevölkerung unbemerkt geblieben, wären da nicht die Notenbanken gewesen, die eine Liquidität in den Markt pumpten, bei der nicht nur Laien schwindelig wurde. Die Summen, die täglich, manchmal stündlich, transferiert wurden, hatten derart viele Nullen, dass das Vorstellungsvermögen schlicht überfordert wurde. Ganz offensichtlich handelte es sich um eine Mund‐zu‐Mund‐Beatmung für einen schwer komatösen Patienten. Das sollte die Banken retten und das Finanzsystem irgendwie am Leben halten. Damals wusste keiner, ob das funktioniert. Zweifel gibt es bis heute. Selbst acht Jahre nach der Finanzkrise wurden 2015 von EZB‐Chef Mario Draghi immer noch 60 Milliarden Euro pro Monat in den europäischen Finanzmarkt eingeschleust.11 Bis zum Ende seiner Amtszeit 2019 nahm Draghi den Fuß nicht runter vom Pedal der Niedrigzinsen und veranlasste, dass diese Politik auch nach seinem Abgang unter Christine Lagarde weiterläuft.12 Die Corona‐Krise hat das Problem weiter verschärft. Ein Ende der Niedrigzinspolitik ist in weite Ferne gerückt. Doch Finanzexperten warnen, dass neben den Risiken, die eine solche Politik der Europäischen Zentralbank unter anderem für Sparer, Unternehmer und die staatliche Ausgabenpolitik mit sich bringt,13 auch die faulen Kredite von einst in Höhe von rund 759 Milliarden Euro nach wie vor im Markt sind.14
Renten werden gekürzt
Am amerikanischen Markt lief die Sache nicht anders. Auch dort wurde der Finanzmarkt mit billigem Geld geflutet.15 Einer aber muss die Rechnung am Ende bezahlen. Das ist meistens der Steuerzahler. Genau so kam es. Die Rentenprognosen wurden drastisch zurückgefahren, allein im Jahr 2008 verloren die privaten Pensionsfonds weltweit im Schnitt 28 Prozent an Wert.16 Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wies 2009 eindringlich darauf hin, dass die öffentlichen Rentensysteme das gleiche Los ereilen würde.17 Das ist in der Zwischenzeit geschehen. Das Max‐Planck‐Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik schlussfolgerte aus den Zahlen von 2008‐2017 ein stark erhöhtes Risiko für Altersarmut.18 Doch nicht nur die Rentenprognosen wurden herabgesetzt. Am 4. Juli 2014 beschloss der Bundestag, vermutlich nicht ganz zufällig im Schatten der Fußballweltmeisterschaft, die vom Geschehen ablenkte, dass die Renditen der Lebensversicherungen der Situation auf dem Zinsmarkt ›angepasst‘ werden sollten.19 Im Klartext: Die Kunden der Lebensversicherer bekamen von nun an erheblich weniger Geld, als sie bei Vertragsschluss annehmen durften. Fortan wurden sie nicht mehr zur Hälfte an den Bewertungsreserven bei festverzinslichen Wertpapieren beteiligt.20 Stille Reserven sollen nur noch in dem Maße ausgeschüttet werden, wenn die Garantiezusagen für die restlichen Versicherten ebenfalls gesichert sind.21 Das führte dazu, dass beispielsweise ein Versicherungsnehmer, der dagegen klagte und vor Gericht verlor, am Ende statt 2800 Euro aus den Bewertungsreserven nur noch 150 Euro ausgezahlt bekam.22 Kein Wunder, dass Finanzexperten diese Vorgänge rund um Renten und Lebensversicherungen zugunsten der Verursacher der Finanzkrise als den »größten Raubzug in der Geschichte« bezeichneten.23
Plötzlich wird Bitcoin interessant
Diese Entwicklungen machte das White Paper von Nakamoto hochinteressant. Die Idee, virtuelles Geld zu entwickeln, das von Banken unabhängig ist, nahm Fahrt auf und ließ die Gemeinde der Bitcoin‐Jünger