13.
Dan Flemmings Gesicht war wie versteinert. Der Himmel mochte wissen, was in ihm vorging, was er dachte und empfand, als er das hörte.
Keinen Augenblick lang vergaß er allerdings, in welch gefährlicher Lage er sich befand. Alles mutete ihn unwirklich an, die Landschaft und die Szene, in der Vater und Sohn sich gegenüber standen. Der vierte der Männer, Stuart Jugens’ Begleiter, schien die Gefahr begriffen zu haben, die von Red und Joe ausging. Sein Gesicht zuckte, und sein Blick ging von einem zum anderen. Sein Boss war in einer bösen Verfassung. Er sah ihn heftig schlucken und wie an einem unsichtbaren Knäuel in der Kehle würgen, sah seine Hände sich öffnen und sich dann zur Faust ballen, dass ihm die Fingerknöchel weiß unter der Haut hervorschimmerten.
Wenn es stimmt, was dieser Schuft sagt, dachte Stuart Jugens, den das Grauen zu überwältigen drohte, dann sind Jim und ich ruiniert, dann bin ich völlig in der Hand meiner ältesten Söhne und Joe Hannigans. By Gosh, ich lasse mich nicht ruinieren, nicht von Schuften, die das Gesetz jagt, deren Steckbrief überall an den Sheriffsoffices angeschlagen sind. Sie sind vogelfrei und glauben hier Jim und mir alles nehmen zu können, was wir uns in Jahren aufbauten. Teufel sind alle drei, deren schreckliche Taten zum Himmel stinken. Warum leben sie noch, warum hat kein Aufgebot sie gestellt, kein Kopfjäger sich die auf sie ausgesetzten Prämien verdient oder kein Rächer sie erwischt? Ich hasse sie alle drei!
Stuart Jugens’ Gedanken schienen sich verwirren zu wollen. Der Hass schlug wie eine Woge über ihm zusammen. Er brauchte einige Zeit, um seine kalte Ruhe wiederzugewinnen.
Es sind meine Söhne, wie Jim auch mein Sohn ist, ging es ihm durch den Sinn. Ist Jim besser als sie? Er hat mir den Beweis, dass er es ist, noch nicht erbringen können. Auch er ist hemmungslos und machthungrig, auch er kennt keine Hemmungen und keine Skrupel. Wer sagt mir, ob er mich mag? Wartet er vielleicht auf den Tag, an dem ich nicht mehr bin? Ist es doch kein Zufall, dass er mich mit dem Mann aus der Crew zurückließ, dessen Treue ich sicher bin? Auch Jim neigt dazu, die geltenden Barrieren niederzureißen und das Gesetz gegen uns herauszufordern. Großer Gott, habe ich deshalb die Treue gebrochen, Verrat am ehemaligen Partner, habe ich deshalb getötet, um mit eigenen Augen zu sehen, welche Früchte meine Taten tragen, wenn es mit mir zu Ende geht? Mir ist speiübel, eine innere Flamme brennt mich völlig aus.
„Ihr seid euch völlig sicher, dass ihr das bekommt, was ihr fordert?“, fragte er nach langem Schweigen Red und Hannigan.
„Ganz sicher!“, grinste Red ihn an. „Wir behalten dich jetzt in unserer Gesellschaft. Ob es dir nun passt oder nicht, du wirst es ertragen müssen.“
„Wenn nun Jim mich wirklich abhängen wollte, wenn er euch entdeckt hat und auf der Insel durchließ, um gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen? Er hat dann nur noch Larry vor sich. Wenn er nun den Moorpfad zurück zerstörte?“ Stuart Jugens lachte nach diesen Worten hysterisch auf. „In diesem Falle sind wir wirklich in einer feinen Gesellschaft, und nichts kann uns trennen. Vielleicht hat Jim die Gelegenheit benutzt?“
Er brach ab, denn er spürte einen tiefen, innerlichen Aufruhr in sich. Wenn seine Worte wahr waren, dann war Jim ein Teufel, doch er konnte diese Möglichkeit nicht ausschalten. Zum ersten mal betrachtete er seinen jüngsten Sohn in einem neuen, erschreckenden Licht. Seine Zähne knirschten zusammen, und sein Atem ging schwer, ein kalter Schauer wogte ihm über den Rücken. Der Mann, der sich über alle Gesetze hinweggesetzt hatte, der keinen Gott über sich anerkannt hatte, spürte, dass es etwas gab, dem der Mensch untergeordnet war, dass das Schicksal ein mächtiger Faktor war, mit dem er nicht gerechnet hatte. Er sah zu seinem ältesten Sohn hin und bemerkte dessen Erschrecken, er gewahrte auch, dass der Revolvermann Hannigan nervös wurde. Letzterer drehte sich um und ging in Richtung des Knüppeldammes davon, der die einzige Verbindung zum Festland war. Die drei zurückbleibenden Männer starrten ihm nach, bis er im Busckwerk verschwunden war.
Vater und Sohn schwiegen nicht lange.
„Wir werden gleich wissen, was wir zu erwarten haben“, sagte Red. „Wenn es stimmt, dann liegt ein Fluch auf unserer ganzen Familie, und der Teufel ist mitten unter uns. Man sagt, dass dich Ben Flemming verfluchte, bevor er aus dem Leben ging. Nun scheint es mir, dass sein Fluch wahr wird.“
„Hör auf damit!“, unterbrach Stuart Jugens ihn heftig. Er trat an seinen Ältesten heran, streckte die Hände aus und rüttelte ihn an den Schultern.
„Ich verwünsche den Tag, an dem Larry und du geboren wurdet! Ich glaubte Männer aus euch zu machen, Banditen seid ihr geworden.“
„Nach deinem Vorbild“, grinste Red ihm frech ins Gesicht. „Warum beklagst du dich jetzt? Aus Angst? Gewiss nur aus Angst! Sie steht in deinem bleichen Gesicht geschrieben. Du traust Jim so wenig wie Larry und mir. Deutlicher kannst du es nicht zeigen. Auch dein Lieblingssohn ist innerlich faul und morsch, und das kannst du nicht verwinden. Es hat dich schwer getroffen. Wo ist jetzt deine Härte?“
Der Alte ließ die Schultern Reds los. Seine Augen funkelten.
„Ich gebe zu, dass ich Angst habe, denn Angst ist noch ein Anzeichen dafür, dass es etwas gibt, das stärker und mächtiger ist als man selbst. Nun gut, ich habe Angst, ich habe nie vorher Angst gekannt. Ich habe alles im Leben falsch gemacht, und je länger ich dich ansehe, um so klarer wird mir diese Erkenntnis. Von dir und Larry habe ich mich innerlich schon vor längerer Zeit gelöst, schon damals, als ihr Jim so übel zugerichtet habt und danach, als die schlimmsten Gerüchte über euch im Umlauf waren.“
„Du bist ein Narr!“, unterbrach ihn Red. „Du bist nicht besser als deine Söhne, nur hast du bisher die Illusion in dir genährt, dass du besser seist. In Wirklichkeit warst du nur gerissener und ein großer Heuchler und hast alles getan, um immer aus den Fangmaschen des Gesetzes schlüpfen zu können. Dir fehlt der Mut zum letzten Schritt, der Mut auf das Gesetz zu pfeifen. Du wolltest mächtig und achtbar zugleich sein. Diese deine Wünsche und Gedanken hast du Jim so eingeimpft, dass er in deine Fußstapfen trat. Ihr beide aber, du und auch Jim, ihr seid nichts anderes als ganz gemeine Schufte. Einmal musste dir das jemand sagen, und dass es der eigene Sohn ist, das soll wohl so sein.“
Red grinste nicht mehr. Nur einen Augenblick lang hatte er sich in seinem Hass hinreißen lassen, unachtsam zu sein. Diesen Augenblick nutzte der Begleiter Stuart Jugens’ und zog sein Eisen, schnellte vor und schlug Red mit der Waffe auf den Kopf, dass der Getroffene ohne einen Laut zusammensackte. Als hätte die Hölle auf diesen Augenblick gewartet, krachte ein Schuss in der Richtung, in der Joe Hannigan davongegangen war.
Stuart Jugens zuckte zusammen. Im nächsten Augenblick war er durch die offenstehende Tür der Hütte in Deckung gesprungen. Der Begleiter von Stuart Jugens schnellte nach vorn. Im gleichen Augenblick sprang Dan Flemming aus der Deckung, der verhindern wollte, dass Paul einen Gegner mehr bekam. Sein Gegner schoss sofort, so gut und schnell, dass Dan der Stetson von der Kugel vom Kopf gerissen wurde.
Dans Revolver brüllte auf, seine Kugel traf. Der Mann schwankte, torkelte hin und her.
Im nächsten Moment ließ Dan sich wieder zurück in die Deckung fallen. Das war keinen Augenblick zu früh, denn Stuart Jugens schoss aus der Hütte heraus. Eine zweite Kugel schlug an der Stelle ein, an der Dan sich hatte fallen lassen. Zum Glück war er sofort weiter gerollt. Erst in diesem Augenblick fiel der von Dan getroffene Gegner. Er war tot, als seine lang ausgestreckten Hände den Boden berührten.
Dan hatte sich weiter gerollt. Das hatte den Vorteil, dass keine aus der Hütte abgefeuerte Kugel ihn treffen konnte, zum anderen aber auch den Nachteil, dass er den am Boden liegenden Red Jugens aus dem Gesichtsfeld verloren hatte.
„Hierher, Red!“, hörte er auch schon im gleichen Augenblick die Stimme von Stuart Jugens. „Hierher in die Hütte, wenn du am