Als er den Colt zog: Western Bibliothek 12 Romane. Pete Hackett. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Pete Hackett
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Вестерны
Год издания: 0
isbn: 9783745214451
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deutlich, dass der Mann, der dieses Wort sprach, keineswegs umzustimmen war.

      „Ben!“

      „Wir reden zu viel, Stuart Jugens!“, unterbrach der Vater ihn rau. „Es ist nicht viel von deiner alten Selbstherrlichkeit übriggeblieben. Los denn!“

      Sie zogen beide zur gleichen Zeit. Dans Vater war eine Idee schneller, aber seine Waffe hatte Ladehemmung und kein Schuss löste sich aus seinem hochgerissenen Revolver. Stuart Jugens aber traf mit seiner Kugel den Gegner tödlich. Mit schrecklich entstelltem Gesicht fiel Dans Vater vornüber.

      In Dan war eine schreckliche Leere. Wie von selbst lüftete er den Revolver und feuerte auf den Mann, der dem Vater den Tod gebracht hatte. Er sah auch ihn fallen und in den Staub der Fahrbahn rollen.

      Nach dem Aufrasen des Schusses stand Dan leichenblass auf der Fahrbahn, einer Ohnmacht nahe. Zum ersten mal hatte er auf einen Menschen geschossen und getroffen. Es war, als bräche etwas in ihm zusammen. Er leistete keinen Widerstand, als man ihn abführte und noch am gleichen Tage vor eine Jury stellte. Er schwieg, als er Fragen beantworten sollte. Der Schock in ihm war noch zu stark, so dass er das Geschehen um sich herum wie aus weiter Ferne erlebte. Das Urteil über ihn war schnell gesprochen. Es waren genügend Zeugen da, die genau gesehen hatten, dass er ohne Anruf auf den Gegner des Vaters geschossen hatte.

      Er wurde zum Tode verurteilt. Niemand fragte nach seiner Jugend, nach dem Zustand, in dem er sich befunden haben mochte, als er seinen Vater tot zur Erde sinken sah. Niemand sprang ihm zu seiner Verteidigung bei und versuchte dem armen Jungen zu helfen. Das Land war hart und rau. Mit achtzehn Jahren war ein junger Mann voll für seine Taten verantwortlich.

      Vielleicht war es das schreckliche Wort „Tod“, das ihn handeln ließ. Der Selbsterhaltungstrieb, der in jedem Menschen und jedem Tier ist, wurde in ihm lebendig. Die Lähmung, die ihn seit dem Schuss befallen hatte, war plötzlich wie fort gewischt. Jetzt zeigte es sich, dass die, die ihn zum Tode verurteilt hatten, ihn wohl voll verantwortlich machten für seine Tat, ihn aber dennoch nicht als ganzen Mann angesehen hatten und völlig überrascht waren, als er seinen Bewacher mit einem einzigen Faustschlag niederstreckte und sich so einen Weg in die Freiheit bahnte.

      Diese Freiheit war teuer erkämpft. Es war nicht die Freiheit, die er sich wünschte. Es war die Freiheit eines gehetzten, steckbrieflich gesuchten jungen Menschen, der ständig damit rechnen musste, dass sie zu Ende war. Aufgebote hatten ihn gesucht, und sein Steckbrief hing an allen Sheriffoffices. Man hatte seinen Vater ohne ihn beerdigt. An dem Tag, an dem die Beerdigung war, lag er angeschossen von einem Mann des Aufgebotes in einem Dornenbusch versteckt, in dem er sich wie ein Tier verkrochen und in Sicherheit gebracht hatte. Er hörte die Häscher, als sie ganz dicht vor seinem Versteck vorbeiritten. Er kämpfte gegen die schier unerträglichen Schmerzen an und biss sich die Lippen blutig, um sich nicht durch ein Stöhnen oder durch einen Schrei zu verraten.

      Kaum war die Gefahr vorbei, als er in eine tiefe Ohnmacht sank, aus der er erst Stunden später wieder erwachte. Niemand hatte ihn gefunden, kein barmherziger Samariter hatte ihm Hilfe gebracht. In seiner Not hatte er erkennen müssen, wie sehr ein Mensch allein sein kann. Sein Erwachen glich einem Zustand zwischen Traum und Wirklichkeit. Das Bild jenes Mannes, dem er seine Kugel geschickt hatte, war vor ihm wie eine erschreckend bleiche unheimliche Maske. Es war so lebendig, dass er seine Not hätte herausschreien mögen. Doch niemand hätte ihn gehört, niemand wäre gekommen. Eine zweite Ohnmacht bereitete dem unheimlichen Gesicht ein Ende.

      Das nächste Erwachen war grauenvoll. Der Notverband, den er sich hatte anlegen können, war von Blut und Erde verkrustet. Als er den Versuch machte, sich zu erheben, drückte ihn eine Schwäche nieder. Dreimal musste er ansetzen und seinen ganzen Willen aufbieten, dann schaffte er es. Als er stand, musste er sich an den Zweigen festhalten, denn die Umgebung drehte sich wie ein Karussell um ihn. Der Regen, der auf ihn niederfiel, hatte auch sein Gutes, er löschte seine Spur und machte sie auch für den Suchhund unbrauchbar, den man auf sie gesetzt hatte, als ein Farmer gemeldet hatte, dass er sich in der Nacht Decken, Proviant und anderes mehr von seiner Farm geholt hatte. Er hatte einen Zettel zurückgelassen, auf dem er alles verzeichnet hatte, was er sich genommen hatte, bevor er seine Flucht weiter fortsetzte. Dieser Zettel trug seine Unterschrift und den Vermerk, dass er alles zurückerstatten würde, was er sich genommen hatte.

      Er hatte dem Farmer in der Tat nach Monaten vierzig Dollar geschickt. Das war mehr, als die Sachen wert gewesen waren, die er sich genommen hatte. Was aber waren die Tage und Wochen, die er auf der Flucht zubrachte, für eine Qual für ihn gewesen! Einem Arzt hatte er sich nicht anvertrauen dürfen. Er bekam seinen eigenen Steckbrief zu sehen, als ihn die Not in eine Siedlung hinein trieb. „Gesucht wird Dan Flemming“, so lautete die Überschrift. Es folgte seine Personenbeschreibung und eine Schilderung seiner Tat. Ihm schwindelte, als er seinen Steckbrief sah. So heimlich wie er in die Siedlung gekommen war, so heimlich verschwand er auch wieder, um zu seinem Versteck, das er bei den alten Stollen hatte, zurückzukehren. Hier blieb er, bis er wieder völlig zu Kräften gekommen war. Seine Wachsamkeit und sein Misstrauen blieben in der Folgezeit. Von Rohhäutern, einer starken Menschengruppe, die mit Ross und Wagen nach Zigeunerart das Land durchstreifte, ließ er sich eine lange Wegstrecke mitnehmen. Mit diesen Menschen hatte es eine eigene Bewandtnis. Sie fühlten sich so frei wie die Vögel lebten, fragten nicht, woher er kam und wohin er wollte. Sie nahmen ihn auf, und er lebte bei ihnen wie in einer großen Familie. Die Menschen hatten wildes Blut in den Adern und stammten wohl aus dem Süden. Sie waren arm, aber die Armut bedrückte sie nicht. Niemand hatte Besitz, es gehörte alles der Gemeinschaft. Wer irgendwo etwas stehlen konnte, wurde als Held gefeiert. Schwere Arbeit betrachteten sie als eine Erniedrigung, sie liebten den Wind und die Sonne. Sie waren groß und schlank gewachsen und hatten eine goldbraune Hautfarbe. In ihren schwarzen, staunenden Tieraugen wurde die sanfte Schwermut eines Menschenschlages sichtbar, der mit der strebsamen und alles an sich reißenden Welt, die sich im Westen bemerkbar machte, nichts gemein hatte. Ihren Namen hatten sie nach ihrer Angewohnheit erhalten, rohe Häute für viele Zwecke des täglichen Bedarfs zu verwenden.

      Dan war nicht der einzige, der bei den sonderbaren Menschen Unterschlupf gefunden hatte. Er war allerdings der jüngste der Gäste der Rohhäuter. Die beiden anderen waren hünenhafte Männer mit weißblonden Haaren. Die Brüder hätten gut zu jedem Wikingeraufgebot gehören können. Sie hatten harte Gesichter, in die tiefe Linien hineingegraben waren.

      Dan Flemming erfuhr bald, dass die beiden keine Dauergäste waren, aber in gewissen Zeitabständen immer wieder bei den Rohhäutern auftauchten.

      Auch diese beiden Männer fragten Dan nichts und drängten sich nicht auf.

      Texas lag bald weit zurück und damit der Staat, in dem Dan so bittere Erfahrungen gesammelt hatte. Er zog weiter mit den Rohhäutern und mit Paul und Lee Millard. New Mexiko, Colorado, Wyoming und Montana waren weitere Länder, die er kennenlernte. Von dort ging es nach Dakota, wo Dan zum ersten mal den Missouri zu sehen bekam. Nord und Süddakota blieben zurück, es folgten Iowa, Missouri, Arkansas und Oklahoma, der Nachbarstaat von Texas.

      Zwei Jahre waren auf diesem gewaltigen Trail vergangen, zwei Jahre, in denen Dan Flemming viel gesehen und gelernt hatte, in denen er viel erlebt hatte. In diesen zwei Jahren war er ein Mann geworden. Er hatte jetzt seine ersten Kämpfe hinter sich, er hatte die Menschen kennengelernt und zwei Freunde gewonnen, die beiden Brüder Paul und Lee Millard.

      Bei Nacht und Nebel musste er die Rohhäuter verlassen, denn die ganze Sippe war hinter ihm her. Ohne die beiden blonden Hünen hätte er der Welt so long sagen müssen. Schuld daran war die Frau des Rohhäuterführers. Nicht, dass Dan sich ihr genähert hätte, nein, sie war es, die sich in ihn verliebte, bis zur Leidenschaftlichkeit in den jungen Mann vernarrt hatte. Wo er sich auch immer aufhielt, ihre dunklen, mandelförmig geschnittenen Augen folgten ihm. Das musste auch ihrem um viele Jahre älteren Mann, der fast schon ein Greis war, auffallen. Gewiss hätte der Alte es auch ohne die Stammesangehörigen gemerkt, die ihm rieten, sehr wachsam zu sein.

      Nun, Dan hatte sich einen Namen bei den Rohhäutern gemacht. Selbst die Anführer mussten das anerkennen, denn er gehörte zu den Leuten, die dafür sorgten, dass es immer etwas zu essen gab. Das war nicht leicht, denn es mussten viele Mäuler gestopft werden. Niemand verstand