„Direkt in die Stadt, würde ich sagen. Er nahm das beste Pferd mit und jagte die anderen davon.“
„Dann müssen wir uns beeilen. Wahrscheinlich versucht er, eine Geisel zu nehmen, um uns doch noch seine Bedingungen zu diktieren.“
Die Pferde hatten sich nicht weit entfernt. Sie waren zu ihrem vertrauten Stall zurückgekehrt. Eins fehlte.
„Sie kommen mit mir, Mr. Morton!“, rief Chaco, während er seinen eigenen Morgan-Hengst aus dem zweiten Schuppen zog. „Randolph, du bleibst bei deiner Frau!“
„Kommt nicht in Frage!“, protestierten beide fast gleichzeitig. „Schließlich wollen wir zu unserem Jungen.“ Chaco sah ein, dass er sich diesem verständlichen Wunsch nicht entgegenstellen konnte. Gleichzeitig fürchtete er, dass Chalk trotz seines Verstecks noch in die Hände des rachedurstigen Killers fiel.
Sie schwangen sich auf die Pferde und trieben sie an. Schon nach kurzer Zeit entdeckten sie den Fliehenden. Er war zu Fuß und rannte auf das Marshal’s Office zu.
„Das Pferd muss ihn abgeworfen haben“, vermutete Chaco. „Wahrscheinlich will er sich Ken Turner greifen.“
Der Bandit hörte die Verfolger. Er drehte sich um und schickte einen hässlichen Fluch und ein paar Kugeln zu ihnen hinüber. Doch er schoss seinen Revolver nicht leer. Er wusste, dass er noch ein paar Patronen für Ken Turner brauchte. Hohnlächelnd brach er durch die Tür des Office.
„Zu spät!“, stieß Randolph Kimball hervor.
Chaco sprang vom galoppierenden Hengst und warf sich durch die eingetretene Tür. Seine Waffe war schussbereit. Aber er brauchte sie nicht mehr.
Collin Brat lag am Boden. Seine Augen waren seltsam verdreht.
„Der schläft eine Weile“, versicherte Doc Bishop, der hinter der Tür auftauchte und liebevoll den Kolben seiner alten ,Klara‘ streichelte.
Chaco freute sich. „Es lief also alles wie geplant?“
Ken Turner, der hinter dem Schreibtisch saß, nickte stolz.
„Wir waren auf seinen Besuch vorbereitet und haben ihn gebührend in Empfang genommen.“
„Willst du uns nicht endlich erklären, wieso Andie Morton plötzlich wieder lebt?“, drängte Randolph Kimball.
„Das ist schnell erzählt. Ich warnte ihn vor den Tricks der Banditen, denn ich rechnete damit, dass sie ihn zur Flucht verleiten wollten. So war es auch. Er konnte dann Mr. Turner überzeugen, dass es ihm leicht möglich gewesen wäre zu fliehen und dass Collin Brat selbst die Zellentür geöffnet hatte.“
„Und damit war mir alles klar“, fuhr der Deputy fort. „Ich schoss brav ein paarmal in die Luft, als ich durch das Fenster Mr. Gates entdeckte, und dieser kam und holte die angebliche Leiche ab.“
„Damit haben wir die Killer getäuscht“, sagte Chaco gutgelaunt. „Sie waren nicht so klug, wie sie sich einbildeten. Collin Brat wird um den Strick nicht herumkommen, und für den neuen Marshal hat sich meines Erachtens Mr. Turner bestens empfohlen.“
„Aber wo ist Chalk?“, jammerte Ella Kimball.
„Wo soll er schon sein?“, brummte der Doc. „Bei mir natürlich. Wenn er nicht gewesen wäre, hätten wir die Schattenbande wahrscheinlich nicht so schnell erledigt.“
Die schmächtige Frau warf Chaco einen glücklichen, dankbaren Blick zu, dessen eigentliche Bedeutung nur sie beide verstanden.
ENDE
Die letzte Kerbe
von Larry Lash
Der Umfang dieses Buchs entspricht 182 Taschenbuchseiten.
Als Dan Flemming seinem Vater im Kampfe beistand, glaubte er einen Menschen erschossen zu haben, und sah seiner Verurteilung entgegen. Er konnte sich befreien und fliehen und ging auf den langen Trail der Geächteten und Verfemten. Bei den Rohhäutern fand er schließlich Unterschlupf. Mit diesen eigenartigen Menschen zog er weiter. Bei ihnen lernte er die beiden Brüder Paul und Lee Millard kennen, zwei starke Männer, mit einer bewegten Vergangenheit. Früher einmal waren sie als Banditen geritten. Von ihnen wurde ihm Unterstützung zuteil, als Ann Palmer ihm ihre Liebe gestand, als der Stamm der Rohhäuter ihn jagte. Die beiden Brüder wurden seine Begleiter, als er nach Texas zurücktrailte und feststellte, dass man seinen Vater und ihn betrogen hatte...
Copyright
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker.
© by Author
© Cover by Klaus Dill mit Steve Mayer, 2017
© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.
Alle Rechte vorbehalten.
1.
Als man seinen Vater von der Ranch vertrieb, war er achtzehn Jahre alt gewesen. Ein halbes Jahr später war er allein. Er war dabei, als sein Vater jenen Mann, der ihm im Auftrage der Regierung die Ranch abnahm, auf der Mainstreet in Abilene niederschoss. Er wusste, dass sein Vater zu spät seine Besitzansprüche geltend gemacht und zu sehr darauf vertraut hatte, dass ihm niemand seine Ranch streitig machen könnte und dass man es schon gar nicht wagen würde, mit Gewalt gegen ihn vorzugehen. Damals hatte er zu seinem Vater aufgesehen und geglaubt, dass der Vater sich nicht irren könnte. Den Widerstand, den Vater und Sohn geleistet hatten, mussten sie nach einer langen Belagerung aufgeben. Der Vater war schwerverwundet. Er, Dan, musste ihn auf den Einspänner legen und mit der wenigen Habe abziehen. Allein für die Behandlung des schwerkranken Vaters musste er einen Teil der Herde verkaufen. Er musste spottbillig verkaufen, denn man wusste, dass sie Geld brauchten. So war es kein Wunder, dass bald die ganze Herde hin war. Der Vater aber, kaum genesen, stellte jenen Mann, der sie im Auftrag der Regierung zum Abzug von der Ranch gezwungen hatte.
Dan würde an diese Begegnung denken, solange er lebte. Das Bild hatte sich ihm fest eingeprägt: zwei Männer, die sich im Abstand von nur neun Schritten gegenüberstanden, sich fest ansahen und sich wenig zu sagen hatten.
„Zieh!“, hatte Dans Vater gesagt.
Der andere hatte genickt und erwidert:
„Tut mir leid, dass du es so siehst, Ben. Wir waren einmal Sattelpartner. Du hättest dich rechtzeitig um deine Landeintragung kümmern müssen. Früh genug hat man es dir gesagt. Es ist nicht meine Schuld, dass du es nicht getan hast, dass ein anderer aber auf dein Land und deine Ranch scharf war. Ich habe nur einen Auftrag der Regierung erfüllt. Hänge es mir nicht an, Ben. Du hast es mir vor einem halben Jahr sehr schwer gemacht.“
„Hätte ich dir ein herzliches Willkommen zurufen sollen? Du hattest es verteufelt eilig, deinen Auftrag auszuführen. Denen, den du damit einen Gefallen getan hast, war es eine große Freude, mich am Boden zu sehen. Nun, ich bin nicht den langen Strom hinauf gewandert, ich wollte am Leben bleiben, um mit dir abzurechnen. Nimm an, dass ich in dir den Kerl sehe, der mich um alles brachte, um mein Land, meine Herde und mein Haus, um das Glück eines Mannes, seinen Lebensabend zufrieden zu verbringen.“
„Ben, ich möchte keinen Kampf“, unterbrach ihn der Gegner des Vaters abwehrend. „Du müsstet in Ruhe nachdenken und zu der Einsicht kommen, dass dein eigener Fehler dir den Ruin brachte. Dein Zorn bringt nichts Gutes, denn der Zorn kann einen Menschen dazu hinreißen, etwas zu tun, was er später bereuen wird. Ich will keinen Kampf, am allerwenigsten mit dir als ehemaligem Partner.“
„Zieh!“
Zum