„Na, dann wollen wir doch dafür sorgen, dass dieser Spruch auch auf unseren Bastard zutrifft.“
„Einverstanden“, erklärte Collin Brat. „Aber erst statten wir den Kimballs einen kleinen Besuch ab. Die halbe Stunde ist vorbei. Harry und Jug, ihr erledigt das. Jack und ich kümmern uns inzwischen um den Roten, damit er euch nicht stört.“
„Aber der wohnt doch bei den Kimballs“, wusste Jack Vereen.
Collin Brat sah ihn fast wütend an. Daran hatte er nicht gedacht. Was war los mit ihm? Wurde er etwa nervös? Dafür lag kein Grund vor. Wegen eines Kindes und eines Bastards ging die Welt in Gibsonville nicht unter.
„Das weiß ich selbst“, sagte er knurrend. „Natürlich überzeugen wir uns erst, ob er da ist.“
„Wie willst du das machen? Sollen wir anklopfen und nach ihm fragen?“ Jug Barton hatte anscheinend seinen witzigen Tag. Aber nicht seinen besten. Collin Brats Faust zuckte vor. Sie traf den humvorvollen Sprecher voll.
„Die Witze reiße ich hier“, sagte er drohend, wobei er sich auch an die beiden anderen wandte. „Wenn dein Gehirn nicht in der Lage ist, den kleinsten Denkvorgang zu bewältigen, dann frage ich mich, was du bei den Shadows verloren hast.“
Jug Barton rieb sich sein geschundenes Kinn, aber er wagte keinen Widerspruch mehr. Der Boss verstand heute keinen Spaß. Es war unklug, ihn zu reizen. Unklug und lebensgefährlich.
„Wir brauchen nur im Stall nachzusehen, ob sein Pferd da ist“, erklärte Harry Koster, der sofort wusste, was Collin Brat meinte.
Der Boss nickte. „Wir kennen seinen Hengst. Wenn er nicht in der Box steht, ist alles klar für euch.“
Jug Barton sah Harry Koster hilflos an. Für ihn war überhaupt nichts klar, aber er traute sich nicht, das zuzugeben. Harry Koster half ihm auf die Sprünge.
„Wir wissen von Chalk genau, wo er schläft, und auch, wo seine Alten zu finden sind.“
„Ihr holt sie euch alle!“, befahl Collin Brat eiskalt. „Wenn der Bengel tatsächlich seinen Mund nicht halten konnte oder falls er gezwungen wurde zu reden, dann ist es besser, wenn die ganze Sippe nicht mehr reden kann. Zu holen ist bei denen ja nicht viel, aber darauf kommt es diesmal nicht an. Und denkt daran! Ich will nicht, dass einer überlebt.“
„Das wollen wir auch nicht“, versicherte Harry Koster. Sein narbiges Gesicht war jetzt eine Fratze, die vor Mordgier leuchtete. Er schwang sich schon in den Sattel seines Pferdes, und die übrigen folgten seinem Beispiel. Sie banden sich Masken vor ihre Gesichter. Die meisten sahen jetzt wesentlich anziehender aus als zuvor.
Von ihrem Schlupfwinkel aus, der drei Meilen von der Stadt entfernt lag und in dem sie sich meistens trafen, um ihre Raubzüge zu besprechen, und in den sie ihre Beute brachten, ritten sie in Richtung Gibsonville. Die Nacht war nicht völlig dunkel. Sie hoben sich wie vier Schemen vom violettfarbenen Himmel ab, wie sie, weit über die Hälse ihrer Tiere gebeugt, über das hügelige Land sprengten. Kurz vor der Stadt befahl Collin Brat abzusteigen.
„Das letzte Stück gehen wir zu Fuß“, ordnete er an. „Es ist nicht nötig, dass man uns schon von weitem hört oder sieht.“
Sie banden die Pferde an einigen Bäumen fest und schlichen unter Ausnutzung jeder möglichen Deckung weiter. Das Anwesen der Kimballs befand sich fast am äußersten Ende der Stadt. Dieser Umstand kam ihnen sehr entgegen. Sie brauchten mit keiner unerwarteten Störung zu rechnen.
Das Haus mit dem angrenzenden Stall, der Sattlerwerkstatt und den beiden Schuppen lag im Dunkeln. Die Kimballs gingen früh ins Bett, damit sie am nächsten Morgen zeitig aufstehen und ihrer Arbeit nachgehen konnten.
Die Banditen orientierten sich rasch. Collin Brat selbst huschte zum Pferdestall und schlüpfte durch die Tür, ohne ein Geräusch zu verursachen. Mit ein paar beruhigenden Worten sorgte er dafür, dass sich die Tiere still verhielten. Mit Genugtuung stellte er fest, dass der gesuchte Morgan-Hengst nicht da war. Alles lief also bestens. Er kehrte zu den anderen zurück und teilte ihnen seine Beobachtung mit.
„Und wenn das eine Falle ist?“, meinte Jack Vereen.
„Eine Falle?“
„Es könnte doch sein, dass der Rote sein Pferd woanders untergestellt hat, um uns glauben zu machen, dass er nicht da ist, um uns dann in aller Ruhe abknallen zu können.“
Collin Brat war im Begriff, wieder wütend zu werden. Doch dann überlegte er es sich. Der Einwand war nicht so dumm. Wo sollte Chaco um diese Zeit sein? Er war unschlüssig.
„Verdammt“, sagte er. „Wir müssen ihn erst finden, bevor wir sicher sein können. Wenn dir der Gedanke früher gekommen wäre, hätten wir uns den Umweg sparen können, Jack.“ Er ließ die Gelegenheit nicht aus, in dem anderen den Schuldigen zu suchen, obwohl er eigentlich froh hätte sein müssen, dass er noch rechtzeitig gewarnt worden war.
Sie schickten sich gerade an, zur Main Street vorzugehen, um von dort den Saloon, einen der möglichen Aufenthaltsorte des Halbindianers, aufzusuchen, als sich die Tür des Kimballschen Hauses öffnete und ein Mann heraustrat.
Es war Randolph Kimball. Er hielt ein Gewehr in der Hand und lauschte in das Dunkel hinein.
„Ist dort wer?“, fragte er.
„Er hat uns gehört“, flüsterte Harry Koster. „Knallen wir ihn ab?“
„Warte noch!“, sagte Collin Brat. „Das scheint der Beweis zu sein, dass sich das Halbblut nicht im Haus befindet, denn sonst hätte es sicher den Alten nicht hinausgelassen. Ich habe einen Plan. Wir locken ihn noch ein Stückchen vor. Dann könnt ihr beiden ungehindert ins Haus und dort aufräumen. Wir geben dem Alten seine Kugel und suchen dann den Bastard. Der wird sein blaues Wunder erleben.“
Er hob einen kleinen Stein vom Boden auf und warf ihn in die Richtung, wo die beiden Schuppen standen. Sofort zuckte Randolph Kimball herum. Er nahm sein Gewehr fester in die Hand, drückte sich in den Schatten des Hauses und bewegte sich auf die Schuppen zu.
Harry Koster und Jug Barton warteten, bis sie ihn nicht mehr sahen, dann sprinteten sie los. Nach wenigen Augenblicken hatten sie die angelehnte Haustür erreicht und verschwanden darin.
Collin Brat grinste zufrieden.
„Alles klar!“, sagte er zu Jack Vereen. „Du kannst dich jetzt um den Opa kümmern. Ich werde inzwischen die Pferde holen. Es wäre doch schade, wenn wir die hierließen. Sie haben ja dann sowieso keinen Besitzer mehr.“
Jack Vereen freute sich.
„Das wird also heute doch noch ein richtig schöner Abend“, meinte er. Dann zog er seinen Revolver aus dem Holster und schlich auf die Schuppen zu.
Randolph Kimball strengte seine Ohren an, aber er konnte kein verdächtiges Geräusch mehr wahrnehmen. Dabei war er sicher, zuvor etwas gehört zu haben. Sollte sich ein Halunke an seinem Werkzeug vergreifen? Er trat an das kleine Fenster und äugte in das Innere. Es war nichts zu entdecken. Dafür war es auch zu dunkel. Entschlossen ging der Alte auf die Tür zu, schob sie vorsichtig mit dem Fuß auf und steckte sein Gewehr durch den Spalt. Dann riss ihn eine höhnische Stimme herum: „Kuckuck, Opa! Der liebe Jack steht hinter dir.“
Randolph Kimball starrte in zwei teuflisch grinsende Augen die durch die Sehschlitze einer Maske flackerten. Er wusste, dass er einen Shadow vor sich hatte. Einen jener brutalen Banditen, die auch nicht zögerten, einen alten Mann über den Haufen zu schießen.
Er dachte an Ella und den Jungen, die ahnungslos im Haus schliefen, und ein furchtbarer Zorn übermannte ihn. Der Gewehrlauf blickte noch in den Schuppen hinein. Er würde die Waffe nicht schnell genug herumreißen können, um dem Killer zuvorzukommen.
Jack Vereen ahnte die Gedanken seines Opfers.
„Lass deine Kugelspritze fallen, Alter und drehe dich schön langsam zu mir um! Ich wollte schon längst wieder