Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Историческая фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783745214710
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den Blick über die Anwesenden gleiten, so als wollte er als nächstes einen der Schüler herauspicken, nach vorn zitieren und vor versammelter Mannschaft zur Verantwortung ziehen. Doch obwohl völlig offensichtlich war, dass er dies gern getan hätte, sah er doch davon ab. Stattdessen rief er mit dröhnender und von bedrängend intensiven Gedanken begleiteter Stimme: „Ich will nicht noch einmal erleben, dass sich Seher an Wettgeschäften beteiligen, wie sie leider auch in der Hafenstadt an der Ordensburg wohl nie ganz auszurotten sein werden! Diese Spiele mögen ja unter untalentierten Geschöpfen als Mittel der Zerstreuung noch eine gewisse Berechtigung haben, aber jedem auch nur ein wenig mit Magie begabtem Geschöpf sollte es gegen die Ehre gehen, sich auf derartige Weise Vorteile zu verschaffen. Ich hoffe, dass dies jeder unter den Neulingen begriffen hat, denn ich werden in diesem Punkt von heute an keinerlei Nachsicht mehr üben!“

      Ein Raunen ging durch die Reihen der Schüler. Hier und dort fühlte sich der eine oder andere wohl in besonderer Weise angesprochen. Rhaawaan hatte jedoch nicht die Absicht, seine gerade begonnene Strafpredigt in einem Chor allgemeinen Gemurmels enden zu lassen. Mit einer unmissverständlichen Geste stellte er nochmals Ruhe her. „Manche unter euch haben vielleicht Gerüchte gehört hinsichtlich eines Vorfalls, der sich in der Kathedrale ereignet hat. Jenes Kunstwerk unter der Kathedralenkuppel, welches das Polyversum auf so eindrucksvolle Weise darstellte, hat bei diesem Vorfall Schaden genommen und muss wieder in Ordnung gebracht werden, sodass die Kathedrale vorläufig für alle Schüler gesperrt ist. Es tut mir leid, aber der Entscheidungskonvent hat aufgrund verschiedener Überlegungen beschlossen, dass bis auf Weiteres nur ausgebildete Meister den Altarraum betreten dürfen. Die Schwarzlichtsphäre konnte wieder hergestellt werden, aber sie ist noch nicht stabil genug, um Gefahren auszuschließen. Ich bitte also alle darum, sich im eigenen Interesse an dieses Verbot zu halten. Ansonsten könnte es sein, dass unsere Heiler in Zukunft allzu viel zu tun bekommen, wobei noch zu bemerken wäre, dass es trotz der mitunter erstaunlichen Fähigkeiten meiner geschätzten Kollegen aus dem Heilerhaus nicht zu ihrer Profession gehört, Tote zu erwecken. Ich rate deswegen von jedwedem Leichtsinn in dieser Sache ab!“

      „Ich rate deswegen von jedwedem Leichtsinn in dieser Sache ab“, murmelte ein Schüler mit rotem Haar und Sommersprossen, der Gorian gegenüber saß und dem Sehermeister den Rücken zuwandte, und er grinste dabei. Offenbar handelte es sich um eine häufig gebrauchte Redewendung Rhaawaans.

      „Ich bin nicht nur ein Meister des Sehens, sondern höre auch sehr gut, Schüler Alrado!“, dröhnte Meister Rhaawaans Stimme durch den Raum, worauf der Rothaarige zusammenzuckte. Nachdem dann wieder nahezu vollkommene Stille eingetreten war – auch gedankliche Stille –, fuhr Rhaawaan fort: „Eine letzte Mitteilung noch: Der Neuschüler Gorian aus Twixlum soll sich unmittelbar im Anschluss an die Mahlzeit in der Kanzlei des Hochmeisters melden!“

      Gorian fragte Alrado während des Essens, wo die Kanzlei des Hochmeisters zu finden sei.

      „Du bist das also“, erwiderte dieser grinsend. „Na, dann viel Vergnügen! Die Kanzlei des Hochmeisters befindet sich zwischen der Kathedrale und dem Haus der Schattenmeister. Fällt kaum auf und ist auch kein großes Gebäude, gekennzeichnet nur durch das Zeichen des Hochmeisters, einem aus Sternenmetall geschmiedeten Symbol.“

      „Danke.“

      Alrado stocherte mit dem Löffel in der aus Fisch und gedünstetem Gemüse bestehenden Mahlzeit herum, die offenbar so überhaupt nicht seinem Geschmack entsprach. „Wer weiß, vielleicht brauchst du dieses Zeug hier schon bald nicht mehr zu essen“, sagte er zu Gorian.

      ––––––––

      Gorian fand sich, so wie ihm geheißen, nach der Mahlzeit bei der Kanzlei des Hochmeisters ein. Das Zeichen, von dem Alrado gesprochen hatte, war deutlich zu sehen, und Gorian spürte auch sofort, dass es sich um Sternenmetall handelte. Ein Teufelszeug, dachte er. Aber vielleicht doch eine Substanz, deren magisches Potenzial unverzichtbar war, um Morygor gegenübertreten zu können.

      Gorian musste an die beiden verlorenen Schwerter denken, die der Herr der Frostfeste in seinem Besitz gebracht hatte. Schwerter, die dazu geschaffen worden waren, Morygor ein Ende zu bereiten. Seine Hand umfasste den Griff des Rächers an seinem Gürtel, so als befürchtete er, dass sich die Waffe ein weiteres Mal selbstständig machen könnte, was natürlich absurd war. Schließlich wohnten dem Zeichen des Hochmeisters – auch wenn es aus Sternenmetall bestand – nicht die offenbar gewaltigen Kräfte inne, die Aberian in der von ihm erschaffenen Schwarzlichtsphäre unter dem Kathedralendach gebannt hatte.

      Die Tür öffnete sich von allein, so wie es auch beim Haupteingang der Kathedrale des Ersten Meisters gewesen war. Gorian trat ein und ging einen schmalen, fensterlosen Korridor entlang, der von einem grünlich schimmernden Licht erhellt wurde, das aus dem Gestein der Bodenplatten drang.

      Dann erreichte er eine weitere Tür, die sich ebenfalls von selbst öffnete und in einen großen, fünfeckigen Raum führte. Dessen Wände wurden zum Großteil von Regalen verdeckt, die mit staubigen, uralt wirkenden Büchern gefüllt waren. Auf dem Schreibtisch, der sich in der Mitte des Raums befand, lag ein aufgeschlagener Band mit einer noch von Hand ausgeführten Abschrift der Ordens-Axiome, die noch aus der Zeit vor Erfindung des Druckerhandwerks stammen musste.

      Licht fiel durch hohe, nach alle Regeln westreichischen Handwerks verglaste Fenster, die die Regalwände unterbrachen. Durch diese Fenster hatte man einen weiten Blick auf den äußeren Burghof, den Hafen und die zum Burgkomplex gehörende Hafenstadt, in der Händler und Handwerker wohnten, die zur Versorgung der Ordensburg notwendig waren.

      Gorian ließ den Blick schweifen. Er war allein im Kanzleizimmer des Hochmeisters. Hinter ihm schloss sich die Tür wieder wie von Zauberhand.

      „Ich bin gleich da – aber der Schaden, den du angerichtet hast, erfordert meine Anwesenheit auch anderswo“, erreichte ihn ein Gedanke Aberians.

      Im nächsten Augenblick drang dunkler Rauch durch eine der Wände. Er quoll zwischen den Lederrücken der dicken Folianten hervor, wirbelte durch die Luft und bildete eine Säule, aus der heraus sich einen Moment später die Umrisse von Hochmeister Aberian als dunkler Schemen abzeichneten.

      Er benutzte den Schattenpfad. Und das nur, um von der Kathedrale in die Kanzlei zu gelangen. Das allein sprach schon dafür, wie sehr er die Alte Kraft beherrschte, mehr noch als jeder andere Meister, denn die beschritten die Schattenpfade nur, wenn es unbedingt erforderlich war, um sich nicht Lebenskraft zu entziehen, die nur schwer zu ersetzen war. Es gehörte zu den Risiken der Schattenmeister, nach einer besonders anstrengenden Reise über die Schattenpfade plötzlich zum Greis geworden zu sein und dann nicht mehr über genügend Magie zu verfügen, um dies rückgängig zu machen und sich wieder zu erholen. Aber Aberian schien dieses Risiko nicht fürchten zu müssen. Oder die Arbeit an dem zerstörten und vermutlich noch nicht völlig wiederhergestellten Kunstwerk in der Kathedrale war ihm so wichtig, dass er die Gefahr in Kauf nahm.

      Im nächsten Augenblick hatte sich Hochmeister Aberian vollständig verstofflicht.

      „Ja, sieh dir ruhig an, was ich tue, schließlich willst du ja alle fünf Meisterschaften erreichen, auch die der Schattenpfadgängerei, die unter allen Meisterschaften als die schwierigste und gefahrvollste gilt.“

      Gorian war ziemlich perplex. Im ersten Augenblick konnte er kein einziges Wort herausbringen.

      „Das Risiko scheinst du ja nicht zu scheuen“, fuhr Hochmeister Aberian fort, „und unwägsame Risiken gibt es in der Magie aller fünf Häuser. Manche sind offensichtlich, so wie die Gefahren, denen die Schwertmeister im Kampf ausgesetzt sind. Andere betreffen nicht so sehr die Möglichkeit, dass der Körper verletzt wird, sondern dass Geist und Seele einen irreparablen Schaden nehmen.“

      Gorian schluckte. Was war in den Hochmeister gefahren? Eigentlich