Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Историческая фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783745214710
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haben, auch wenn sie selbst manchmal so tut, als wäre sie schon nahe daran, den tiefen Sinn der Lehren des Ersten Meisters völlig verinnerlicht zu haben. Na ja, jedenfalls dürfte sie so ziemlich die Einzige in allen fünf Häusern sein, die ihren Tagesablauf von etwas so Unbedeutendem wie dem Auftauchen eines Greifen auf der Ordensburg nicht unterbrechen lässt, wodurch sie deine große Schau vor dem Hochmeister verpasst hat.“

      Sheera öffnete die Augen. Für einen Moment waren sie noch vollkommen schwarz, ehe sie ihre normale Farbe offenbarten.

      Meergrün.

      Und sie leuchteten auf eine Weise, wie Gorian es noch nie zuvor gesehen hatte. So als wären sie von einer inneren Kraft erfüllt, ging es Gorian fasziniert durch den Kopf. Der Kraft, die heilen kann.

      Er hatte zwar davon gehört, doch nun sah er es zum ersten Mal. Aber dieses Schimmern in ihren Augen war keineswegs der einzige und vielleicht noch nicht einmal der Hauptgrund dafür, dass er so tief beeindruckt von ihr war. Die Züge ihres Gesichts, die Linie ihrer Nase und ihres Kinns, auch der Ausdruck ihrer Augen – das alles erschien ihm auf eine seltsame Weise vertraut, so als würde es zu einer lange verschütteten Erinnerung gehören, die vom tiefsten Grund seiner Seele wieder an die bewusste Oberfläche seines Geistes drängte.

      Sheera erhob sich, ging nahezu lautlos auf ihn zu, um dann in einer Entfernung von drei oder vier Schritten vor ihm stehen zu bleiben und ihn mit aufmerksamem Blick zu mustern.

      „Ich erkenne dich – und ich wusste, dass du hier erscheinen würdest!“, erreichte Gorian ein ungewöhnlich intensiver Gedanke, der nur von ihr stammen konnte. Ein Gedanke, der sich mit Gorians eigenen Empfindungen auf frappierende Weise deckte.

      „Darf ich dir jemanden vorstellen, der deiner Heilerkünste garantiert niemals bedarf“, sagte Torbas zu ihr. „Das ist Gorian. Und einem kurzen Gespräch zwischen ihm und unserem verehrten Hochmeister nach, dessen Inhalt ich im Groben mitbekommen habe, der erste Schüler des Ordens, der sich in allen fünf Häusern ausbilden und zum Meister prüfen lassen will.“ Torbas klopfte Gorian auf die Schulter. „Na ja, vielleicht ist er nicht der Erste, der so einen Wahnsinn versucht, das weiß ich nicht, aber zumindest will er der Erste sein, der es auch schafft.“

      Sie hob das Kinn. „Und wieso glaubst du, bedarf er dann keiner Heilerin? Weil er auch in dieser Kunst die Meisterschaft anstrebt?“

      „Genau“, bestätigte Torbas nickend.

      „Sich selbst zu heilen ist immer am schwersten und manchmal so gut wie unmöglich, Torbas, wusstest du das nicht?“

      Torbas verschränkte die Arme vor der Brust. „Da ich von robuster Natur und bisher wenig kränklich war, habe ich über diesen Punkt noch nie genauer nachgedacht.“

      Sheeras Blick war die ganze Zeit über nicht von Gorian gewichen und blieb weiterhin von tiefem Ernst erfüllt. „Ich hoffe, dass du in dieser Hinsicht nachdenklicher bist, Gorian.“

      „Ich habe niemals an der Bedeutung des Heiler-Hauses gezweifelt, denn wenn es so wäre, würde ich kaum anstreben, auch dort die Meisterschaft zu erringen“, erwiderte er und wunderte sich darüber, dass er überhaupt zusammenhängende Worte fand, die ihm sogar einigermaßen flüssig über die Lippen kamen.

      „Das weiß ich“, sagte sie, und zum ersten Mal zeigte sich ein verhaltenes Lächeln auf ihrem hübschen Gesicht.

      „Und abgesehen davon kann das ja auch nicht allzu schwer sein!“, warf Torbas ein. „Wenn man sich schon so hohe Ziele setzt wie Gorian, der den Herrn der Frostfeste besiegen will, ist das nur eine kleine zusätzliche Herausforderung, nicht wahr?“ Er zuckte mit den Schultern. „Jeder muss wissen, was er sich zumutet.“

      „Hat nicht der Erste Meister, der Gründer des Ordens, gesagt, dass man große Dinge nur erreichen kann, wenn man sich hohe Ziele setzt und die Möglichkeit, sich zum Narren zu machen, mit einbezieht?“, äußerte Sheera, und dabei berührte sie Gorian leicht an der Schulter. „Nur du selbst kannst wissen, wozu du imstande bist“, erreichte ihn erneut ihr Gedanke, bevor sie laut erklärte: „Ich muss mich zur heutigen Versammlung der Neulinge unseres Hauses begeben. Aber wir werden uns sicher später sehen.“

      Damit ging sie an Gorian vorbei auf den Kathedraleneingang zu. Bei einer Säule, in die Sprüche in alt-nemorischen Schriftzeichen graviert und so zu Ligaturen verschmolzen waren, dass sie nahezu übergangslos in die Säulenornamente übergingen, blieb sie noch einmal stehen, drehte sich um und rief: „Dies ist ein Ort der inneren Versenkung, Torbas – und nicht des immerwährenden Geschwätzes!“

      Torbas stieß Gorian an und sagte mit ironischem Unterton: „Sie drückt sich gern kryptisch aus, aber ich fürchte, sie will damit sagen, dass du die Kathedrale in Zukunft etwas geräuschloser betreten sollst.“

      „Ich meinte dich, Torbas“, stellte sie klar.

      Dann schritt sie weiter auf das Haupttor zu, und lange, bevor sie es erreichte, öffneten sich beide Flügel vor ihr. Die Sonne leuchtete herein, und als Sheera das Tor durchschritt, schlossen ihre Strahlen sie vollkommen ein. Selbst der dunkle Fleck des Schattenbringers wurde in diesem Augenblick überstrahlt, sodass er nicht sichtbar war.

      Hinter ihr fielen die beiden Torflügel wieder ins Schloss.

      „Man sollte eine Heilerin zur Frau nehmen“, meinte Torbas. „Wenn dann die Kinder krank werden, spart man den Lohn für die quacksalbernden Heilkundigen und Ärzte, die überall ihre Dienste anbieten und von ihrer Sache genauso viel verstehen wie ein Feuerschlucker oder ein Hütchenspieler von echter Magie.“

      ––––––––

      In diesem Augenblick schnellte der Dolch aus Gorians Gürtel, so als wäre er von einer unsichtbaren Hand hervorgezogen worden. Völlig unerwartet und ohne dass Gorian irgendetwas dagegen hätte tun können, schwebte er empor unter das Kuppeldach.

      Gorians Hand griff ins Leere, und schon erreichte der Dolch die sternenähnlichen goldenen Lichter in der dunklen Sphäre. Die Klinge begann sich dabei zu verändern und leuchtete in demselben Goldton auf, den auch die schwebenden Lichter ausstrahlten, deren komplizierte Bahnen deutlich vom Dolch beeinflusst wurden.

      „Oh“, entfuhr es Torbas. „Hätte ich dir vielleicht sagen sollen: Die glühenden Lichter dort oben bestehen allesamt aus Sternenmetall. Wie übrigens auch das Unendlichkeitszeichen auf dem Altar und jenes am Eingang.“

      „Ja, und?“, entfuhr es Gorian.

      „Die Schwarzlichtsphäre hingegen ist ein magisches Kraftfeld, das von unserem derzeitigen Hochmeister selbst geschaffen wurde und ständig Kräfte aus der Zwischenwelt der Schattenpfade in unsere Existenzebene fließen lässt. Dadurch wird es gespeist.“

      „Und wie kriege ich meinen Dolch zurück?“

      „Ich fürchte, das wird nicht ohne eine kleine Kostprobe deines Könnens im Umgang mit der Alten Kraft geschehen. Unglücklicherweise wirkt diese Sphäre wie ein Magnet auf alles, was auch nur eine Unze Sternenmetall enthält. Du wirst es kaum glauben, aber es gibt deswegen immer wieder Ärger mit herausgerissenen Türbeschlägen, und einmal hat es sogar das Unendlichkeitszeichen auf dem Fünfeckaltar gezerrt. Schon damals, im Entscheidungskonvent, äußerte man entsprechende Befürchtungen, als Hochmeister Aberian ankündigte, die Kathedralenkuppel mit dieser Sphäre zu versehen.“

      Verdammt, dachte Gorian verärgert. Ganz gleich, wie er sich nun verhielt und was er tat oder auch unterließ, er würde Hochmeister Aberian damit verärgern. Schon jetzt waren die goldenen Lichter in der schwarzen Sphäre erkennbar aus ihrer bisherigen Ordnung geraten. Einer Ordnung, die der Hochmeister ihnen irgendwann gegeben haben musste, denn schließlich hatte er die Regeln definiert,