Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Историческая фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783745214710
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nun war selbst bei längerer Betrachtung keine Ordnung mehr zu erkennen.

      Und dieser Zustand verschlimmerte sich sogar noch. Der Dolch kreiste um seinen eigenen Schwerpunkt und riss weitere der kleinen goldenen Lichter aus ihrer bisherigen Bahn, und eines davon fiel herab, Gorian direkt vor die Füße.

      Nun sah er deutlich, dass es sich um ein Stück glühendes Metall handelte. Mochte es auch aus der Ferne an schimmerndes Gold erinnern, aus der Nähe war sofort klar, dass es sich um ein ganz anderes Material handelte, um Sternenmetall eben.

      Gorian spürte die ganz besondere magische Aura, die selbst von diesem kleinen Stück ausging.

      Das herabgefallene Metallstück rollte über den Boden und zog dabei eine riesige Brandspur hinter sich her. Dann kam es zur Ruhe, schien dabei zu erkalten und wechselte die Farbe, von Golden in einen Ton, der sehr viel dunkler war und an Bronze erinnerte.

      „Das sieht aber nicht gut aus“, meinte Torbas.

      „Wie wär's mit etwas Hilfe?“, fragte Gorian. „Oder hält man hier auf der Ordensschule nichts von Kameradschaft?“

      „Wie soll ich mich da ausdrücken? Ich gebe es ja ungern zu, aber im Moment bin ich mindestens so ratlos wie du. Schließlich kommt hier nicht alle Tage jemand vorbei, der mit einem Stück Sternenmetall alles durcheinander bringt, was in langen Jahren und mühevoller magischer Kleinarbeit geschaffen wurde.“

      „Aber du kennst dich hier besser aus und weißt, wie alles läuft.“

      „Deswegen warne ich dich. Aberian hat viele Jahre seines Lebens der Erschaffung der Schwarzlichtsphäre gewidmet. Er dürfte also ziemlich ungehalten sein, wenn er das Chaos sieht, das dein Dolch angerichtet hat.“

      Dass sich Aberian nach diesem Vorfall tatsächlich für Gorians Anliegen einsetzte, in allen fünf Häusern ausgebildet zu werden, war wohl kaum noch wahrscheinlich.

      Gorian verfluchte sich selbst. Er hätte diesen Raum niemals betreten dürfen. Aber es hatte keinen Sinn, sich pessimistischen Gedanken hinzugeben oder über Dinge zu klagen, die nicht mehr zu ändern waren, so sehr er sich das auch wünschen mochte. Nein, es gab nur eine Möglichkeit, und die kannte er im Grunde ganz genau: Er musste handeln und sich dabei auf seinen Instinkt verlassen, denn mit jedem Augenblick, den er zögerte, wurde das Chaos unter dem Kuppeldach nur noch schlimmer.

      Ein weiteres Stück glühendes Sternenmetall fiel herab. Um ein Haar hätte es Torbas getroffen, aber der Thiskarener machte im letzten Moment einen Schritt zur Seite, sodass das Metallstück zischend auf den glatten und bis dahin völlig makellosen Steinboden knallte.

      „He, das war knapp! Wenn du mich umbringen willst, hättest du dir eine etwas schmerzlosere Methode ausdenken sollen“, beschwerte er sich bei Gorian. Zwar versuchte er noch immer, nach außen hin Kaltschnäuzigkeit zu demonstrieren, aber er konnte seine eigene Unsicherheit kaum mehr verbergen.

      Zwei weitere Stücke Sternenmetall fielen herab. Die in der Sphäre aus Schwarzlicht wirksamen und für Gorian bislang völlig undurchschaubaren Kräfte schienen sie geradezu hervorzuspeien. Mit der Geschwindigkeit von Geschossen eines Schleuderkatapults prallten sie auf den Boden und drangen bis zu zwei Fingerbreit in das Gestein ein. Allein die Gabe, Angriffe vorauszuahnen, rettete Gorian und Torbas das Leben und ließ sie gerade noch rechtzeitig ausweichen.

      Gorian hob die Hand, murmelte eine Formel, die sein Vater ihn gelehrt hatte und die dazu diente, die Alte Kraft besonders schnell in großem Maß zu sammeln. Dann stieß er einen Kraftschrei aus, während ein weiterer Brocken aus Sternenmetall dicht an ihm vorbeischoss und ihm fast in die Stirn genagelt wäre, hätte er nicht den Kopf zur Seite gezogen.

      Der Rächer reagierte zunächst nicht auf seine Bemühungen, sondern torkelte weiter völlig chaotisch durch die Schwarzlichtsphäre. Gorian stieß einen zweiten Kraftschrei aus, und da endlich fiel der Dolch herab und rammte sich mit der glühenden Klinge bis zum Heft in eine der Bodenplatten, sodass nur noch der Griff herausragte. Der verformte sich, bildete eine Verdickung, die Maul, Augen und Konturen eines affenartigen Gesichts aufwies.

      Funken sprühten in der Schwarzlichtsphäre, die offenbar daher rührten, dass zahlreiche glühende Stücke Sternenmetall miteinander kollidierten. Immer noch hagelten hin und wieder einige davon hernieder, schlugen durch die Bänke und drangen mit ungeheurer Kraft tief in den Boden ein.

      Gorians Augen waren vollkommen schwarz geworden. Er würde alle Kraft brauchen, um diese Sache zu bereinigen, ging es ihm durch den Sinn. Wenn es überhaupt gelingen konnte.

      Er ging auf den aus dem Boden ragenden Dolchgriff zu. Der Kopf, der sich an dessen Spitze gebildet hatte, stieß ein Fauchen aus.

      „Zögere nicht!“, sagte eine Stimme. „Sonst bildet sich eine Persönlichkeit!“ Die Worte halten in Gorians Kopf wider, aber er hatte sie auch ganz normal mit den Ohren vernommen, und es dauerte einige Augenblicke, bis er begriff, dass es Torbas war, der sie ausgesprochen hatte.

      Ein Lichtstrahl schoss aus dessen rechter Hand und traf den Dolch. Es zischte, und ein Stöhnen war zu hören, das, auf gespenstische Weise vervielfacht, in der Kathedrale widerhallte. Außerdem versetzte der Laut die in der Schwarzlichtsphäre schwebenden Sternenmetallstücke erneut in Unruhe. Die Kollisionen nahmen zu. Dutzende von Blitzen flammten gleichzeitig auf, während an anderer Stelle viele der golden schimmernden Stücke zu einem größeren, zunehmend heller leuchtenden Körper zusammenklumpten.

      Ein zweiter Lichtstahl aus Torbas’ Hand traf den Griff des Dolchs. Der Kopf erstarrte zunächst und bildete sich dann zurück. Allerdings wölbten sich die entsprechenden Formen schon einen Augenblick später wieder hervor.

      „Na los!“, schrie Torbas.

      Gorian beugte sich nieder und fasste mit der rechten Hand zu, packte den Griff des Rächers, und dieser schien sich seiner Hand anzupassen. Dann zog er den Dolch mit einem Kraftschrei aus dem Boden. Die Klinge leuchtete noch einmal rotgolden auf, ehe die Glut erlosch.

      Nein, der Dolch gehörte ihm, und er würde nicht zulassen, dass aus ihm etwas so Scheußliches wurde wie Ar-Don. Seine Hand hielt den Griff so fest umklammert, dass die Knöchel weiß hervortraten. Die Muskeln seiner gesamten rechten Körperhälfte waren vollkommen verkrampft, aber Gorian fürchtete einfach zu sehr, dass sich der Dolch aus Sternenmetall ein weiteres Mal selbstständig machte, und das wollte er auf keinen Fall riskieren, auch wenn ihm wohl die Erfahrung fehlte, dies auf rein geistiger Ebene zu bewerkstelligen.

      „Das wirst du bald gelernt haben“, sagte Torbas, so als hätte er Gorians Gedanken erraten. Er lehnte an einer der Bänke und schien sehr geschwächt. Offenbar hatte er all seine magischen Kräfte einsetzen müssen, um zu verhindern, dass der Rächer einen eigenen Willen entwickelte, was sonst aufgrund der besonderen Bedingungen in der Kathedrale geschehen wäre. „Ich sag ja immer: Finger weg vom Sternenmetall, wenn man damit nicht umzugehen weiß.“

      In diesem Augenblick flogen die Flügel des Haupttors förmlich auseinander, und gleißendes Sonnenlicht fiel herein. Dagegen hoben sich zwei Dinge deutlich ab: Der Schattenbringer und eine Gestalt, von der Gorian zwar keine Einzelheiten zu erkennen vermochte, von der er aber dennoch sofort wusste, um wen es sich handelte, denn die geistige Präsenz des Hochmeisters war unverwechselbar.

      „Beim Ersten Meister, was geschieht hier?“, dröhnte Aberians Stimme durch die Kathedrale, aber gleichzeitig vernahm Gorian den Ausruf auch auf höchst unangenehme Weise in seinen Gedanken.

      Er schluckte, wollte etwas sagen, doch ein dicker Kloß saß ihm im Hals.

      Aus der Schwarzlichtsphäre schoss ein Brocken Sternenmetall hernieder. Keine noch so schwache Ahnung warnte Gorian, was vielleicht daran lag, dass keinerlei Absicht hinter dem Angriff lag, sondern nur das zufällige Zusammenwirken verschiedener Kräfte, die letztlich zu chaotisch waren, um sie voraussehen zu können.

      Gorian spürte einen furchtbaren Schmerz. Dann umgab ihn nur noch Dunkelheit.


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