Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Историческая фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783745214710
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Kampfübungen, die sein Vater Nhorich mit ihm durchgeführt hatte. Übungen, bei denen er jene Kunst der Schwertmeister hatte erlernen sollen, sich geistig in den Gegner hineinzuversetzen und seine Handlungen vorauszuahnen.

      „Stimmt es, dass einige Schwertmeister mit geschlossenen Augen kämpfen können?“, hatte Gorian seinen Vater damals gefragt.

      „Von tausend Schwertmeistern vermag es nur einer“, hatte Nhorich geantwortet. „Meister Erian, dein Großvater, gehörte zu den wenigen. Ich habe ihm darin leider nie nacheifern können, obwohl er versucht hat, mir auch das beizubringen.“

      „Stand Großvater denn besonders viel von der Alten Kraft zur Verfügung?“

      „Auch das. Aber darauf kommt es nicht an.“

      „Worauf dann?“

      „Auf die Fähigkeit zur Erkenntnis. Darauf, sein inneres Auge auf eine Weise zu benutzen, die mir niemals möglich war.“ Und dann hatte Nhorich seinem Sohn auf die Schulter geklopft und hinzugefügt: „Wenn der Schattenbringer eines Tages nicht einmal mehr genug Licht zur Erde lässt, dass man ein Schwert führen kann, lohnt sich der Kampf ohnehin nicht mehr, denn dann wird die Welt zu einem gefrorenen toten Brocken in der unendlichen Kälte des Polyversums. Ein Ort, an dem keine Existenz möglich ist ...“

      An diese Worte erinnerte sich Gorian, während er den nächsten Angriff seines Gegners erwartete. Von Hieb zu Hieb wurde es für ihn leichter vorherzusehen, wie sein Gegner als nächstes die Axt führen würde. Er konnte den Totenalb und sein Tun trotz Finsternis und Geräuschlosigkeit genau erahnen, und schließlich spürte er sogar, wo sich sein Feind gerade im Raum befand.

      Wieder erfolgte ein Angriff.

      Mit einer ins Unermessliche gesteigerten Wut hieb der Totenalb auf ihn ein. Nie zuvor hatte Gorian ein Wesen in derart rascher Folge Hiebe mit einer vergleichsweise großen Waffe austeilen sehen, wie es sein unsichtbarer Gegner nun tat.

      Trotzdem brachten ihn diese Hiebe nicht einmal ansatzweise in Gefahr. Er lenkte ihre Kraft geschickt ab, parierte die furchtbaren Schläge mit immer größerem Geschick.

      Wut ist die Tochter der Unsicherheit und die Schwester der Furcht, fiel ihm ein weiteres der Ordens-Axiome ein.

      Als ihn der Totenalb erneut attackierte, wagte es Gorian sogar, einen eigenen Schlag anzutäuschen. Ein gleichermaßen ungestümer wie unvorsichtiger Hieb verfehlte ganz knapp seinen Kopf. Gorian tauchte darunter hinweg und stieß dann mit Sternenklinge zu.

      Aber er rief dabei keinen Kraftschrei, der in dieser geräuschlosen Welt ohnehin von niemandem gehört worden wäre. Er konzentrierte seine angesammelte Kraft auch nicht auf das Schwert, damit seine Kraft in seinen Gegner überströmen und ihn vernichten konnte.

      Er tat genau das Gegenteil.

      In dem Moment, als die Klinge aus Sternenmetall in den unsichtbaren Körper des Totenalbs schnitt, sog er alle Kraft aus seinem Gegner, und Blitze tanzten am Schwert entlang.

      Ein Gedankenschrei raubte Gorian fast die Besinnung. Dann öffnete er die Augen.

      Dunkler Rauch stieg vom Boden auf und verflüchtigte sich innerhalb weniger Herzschläge. Dann blendete ihn das flackernde Licht von Öllampen, das ihm für einen Moment fast unerträglich hell erschien, und Schwindel erfasste ihn.

      „Gorian!“, hörte er Sheeras Stimme und dann Meister Thondaril, der eine magische Formel murmelte; sie war Gorian unbekannt, sorgte aber offenbar dafür, dass sein Schwindelgefühl verschwand.

      Er war zurück. Zurück aus der Zwischenwelt der Schattenpfade, die auf geheimnisvolle Weise neben jener Welt existierte, die für alle wahrnehmbar war. Eine geisterhafte Zwillingsschwester der Wirklichkeit ohne Geräusche.

      Vor ihm lag ausgestreckt der Totenalb in seinem kuttenartigen Gewand. Schwarzes Blut quoll aus der Wunde, die Gorian ihm beigebracht hatte.

      Dann zerflossen der Körper und das Gewand zu einer zähen, dunklen Flüssigkeit, die von dem schwarzen Blut nicht zu unterscheiden war, und Gleiches geschah mit seiner Axt. Kurz war das sonst im Schatten der Kapuze verborgene Gesicht zu sehen, doch es war nur noch ein Totenschädel.

      Die Flüssigkeit drang in den Boden ein, versickerte, und nur noch ein dunkler Fleck mit den ungefähren Umrissen der Gestalt blieb zurück.

      Gorian konnte sich einen Moment lang nicht von diesem Anblick lösen, bis er Sheeras Hand sacht auf seiner Schulter spürte.

      „Dem Verborgenen Gott sei Dank, du bist zurückgekehrt!“, erreichte ihn ihr Gedanke. „Es hätte eine Schattenpfadreise ohne Wiederkehr werden können.“

      Gorian sah auf und blickte in Sheeras grünlich schimmernde Augen. Sie berührte seine Schulter, wo er von dem Schattenmahr gebissen worden war. Aber es schmerzte nicht mehr. „Du hast dich selbst geheilt? Mir war für einen Moment, als ...“ Ein Lächeln spielte um ihre Lippen. „Aber in der Welt der Schattenpfade ist so einiges möglich ...“

      Gorian wollte etwas sagen, aber ein Kloß steckte ihm im Hals. Zu überwältigend war das, was er soeben erlebt hatte. Er war dem Tod sehr nahe gewesen – oder vielleicht sogar einem noch schlimmeren Schicksal. Und nicht für alles, was geschehen war, hatte er eine Erklärung. Noch nicht ...

      Der Priester, der Zahlenmagier und die Königin standen ergriffen um das Bett der Königstochter, und König Demris Gon strahlte eine Freude aus wie wohl seit vielen Jahren nicht mehr.

      Die Königstochter hatte sich aufgerichtet, saß aufrecht im Bett, und die dunklen Ringe unter ihren Augen waren verschwunden. Es quoll auch kein dunkles Blut mehr aus Mund, Nase, Ohren und Augen.

      „Die Genesung Eurer Tochter ist eine Gnade des Verborgenen Gottes“, behauptete der Priester, dann sprach er mit der Königin ein Dankgebet.

      Aarad legte der Königstochter nach Art eines Heilers die Hand auf die Stirn und konzentrierte seinen Geist auf die Erforschung ihres Gesundheitszustandes. Sein Urteil stand schon nach kurzer Zeit fest. „Sie trägt keine Anzeichen jener Krankheit mehr in sich, die sie so lange danieder gehalten hat“, verkündete der Gesandte des Ordens.

      Der Ältere und der Jüngere Prinz hielten sich etwas abseits. Sie schienen beide noch nicht so recht zu wissen, was sie von der plötzlichen Gesundung ihrer Schwester letztlich halten sollten. Gorian wusste nicht, ob nach dem Hausrecht der gryphländischen Königsfamilie eine weibliche Thronfolge möglich war. Er würde Aarad bei Gelegenheit danach zu fragen.

      „Du hast offenbar etwas vollbracht, das sonst niemandem möglich war“, ergriff König Demris Gon das Wort und wandte sich dabei an Gorian. Dabei trat er ganz unköniglich an ihn heran und ergriff seine Hand. „Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll!“

      „Erfülle ihm alle Wünsche, die er fordert“, riet die Königin. „Und versichere dich auf Dauer der Dienste dieses jungen Mannes.“

      „Das wird leider nicht möglich sein“ entgegnete Gorian freundlich. „Aber ich bitte Euch erneut darum, uns die Reise nach Felsenburg zu gestatten und uns den Zugang zu den dort gelagerten Caladran-Schriften zu gewähren. Außerdem erlaubt uns bitte, zumindest eine dieser Schriften mit zu den Inseln der Caladran zu nehmen, um sie ihren ehemaligen Besitzern zurückzugeben.“

      Auf einmal prägte wieder Unentschlossenheit die Züge des Königs. Sein Blick wurde unruhig, und schon an seiner Körperhaltung war abzulesen, wie ihn die innere Zerrissenheit erneut bedrängte. Er ließ Gorians Hand los und machte einen Schritt zurück.

      „Ihr solltet zu Eurem Wort stehen, mein Gemahl!“, verlangte die Königin.

      „Aber was, wenn ein weiteres dieser Schattenwesen unsere Tochter heimsucht? Etwa, um Rache dafür zu üben, dass ich mich mit dem Orden der Alten Kraft verbündete und seinen Mitgliedern ihre Wünsche gewährte? Ist das denn ausgeschlossen?“

      „Sollte dies geschehen, dann sei es so“, mischte sich die Königstochter ein, und ihre Stimme klang überraschend fest, ihr Blick wirkte klar. „Vater, ich schwankte so lange