Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Историческая фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783745214710
Скачать книгу
zu gehören und erinnerte mit seinen hervorstehenden Hauern an einen Orxanier. Im Gegensatz zu diesem hatte dieses Wesen jedoch zwei Paare übergroße Ohren.

      Der König von Gryphland und seine Gemahlin hatten sich bei der verzweifelten Suche nach Hilfe für ihre Tochter nicht nur auf den Verborgenen Gott verlassen, sondern wohl auch noch zu einem jener Götzen gefleht, die man in der Zeit vor der Verbreitung des einzig wahren Glaubens in den meisten Ländern Ost-Erdenrunds verehrt hatte. Sicher handelte es sich nicht um ein Abbild einer der so genannten Alten Götter, deren Anbetung nicht nur im Heiligen Reich bei strengster Strafe verboten war, sondern auch in allen anderen Gebieten, in denen der Bischof von Atrantia als geistliches Oberhaupt aller Gläubigen anerkannt wurde, also auch in Gryphland.

      Vermutlich stellte der Kopf also eher einen der örtlichen Naturgötzen da, deren Verehrung zwar verpönt war, aber in den Ländern des Südens und Westens nie ganz ausgerottet werden konnte. Immerhin hatte man den Schrein anstandshalber geschlossen gehalten, wenn der Priester des Verborgenen Gottes bei der Kranken gewesen war.

      Gorian betrachtete die Klinge des Rächers. Das schwarze Blut daran bildete einen dunklen Belag, der bereits abbröckelte, so als wäre er schon seit langem getrocknet.

      Er steckte die Waffe zurück in die Scheide an seinem Gürtel und wirbelte erneut herum, als eine der letzten drei Öllampen erlosch, woraufhin nur noch Halbdunkel in dem Gemach herrschte – und plötzlich wurde auch ein Teil des Sonnenmosaiks an der Decke von einem großen dunklen Schatten verdeckt.

      „Warum zeigst du dich nicht?“, rief Gorian und stellte in diesem Moment fest, dass seine Stimme der einzige Laut war, der noch an seine Ohren drang. Alle anderen Geräusche, die normalerweise eine Art klanglichen Hintergrund bildeten und einem aufgrund ihrer Selbstverständlichkeit und Allgegenwart kaum auffielen, waren verstummt, selbst das Meeresrauschen, das ansonsten unablässig in allen Wohnhöhlen Gryphenklaus mehr oder weniger stark widerhallte.

      Auch die vorletzte Öllampe verlosch.

      „Es ist amüsant, in deine Seele zu sehen“, vernahm er erneut die Gedankenstimme. „Ich erkenne darin Furcht und Verwirrung. Und dass du kaum noch in der Lage bist, dein erlerntes Wissen auf diese völlig veränderte Situation anzuwenden.“

      Wie von selbst schloss sich der Schrein wieder, wurde sogar mit großer Kraft zugeschlagen, wobei allerdings kein Geräusch entstand. Der kleine Riegel, der die Schreintür verschloss, bewegte sich ebenfalls lautlos. Die schwarze Substanz, zu welcher der Schattenmahr zerflossen war, bildete nur noch einen Fleck im Holz, der aussah, als wäre er schon viele Jahre alt.

      In was für eine eigenartige Existenzebene war Gorian nur geraten? Dann fiel ihm der schwarze Rauch ein, und er fragte sich, ob er auf irgendeine Weise ins Zwischenreich der Schattenpfade gelangt war, das die Schattenmeister des Ordens zur Überwindung großer Entfernungen innerhalb von wenigen Augenblicken nutzten.

      „Deine Ausbildung im Ordenshaus der Schatten scheint wirklich noch nicht weit fortgeschritten, dass du so lange für diese Schlussfolgerung gebraucht hast.“ Triumphierendes Gelächter folgte.

      „Du bist der Totenalb, der vom König Besitz ergriffen hatte“, sagte Gorian laut und stellte erschrocken fest, dass sich auch der Klang seiner Stimme verändert hatte. Sie hörte sich stumpf an, ohne Echo, als würde er sich beim Sprechen ein Kissen vor den Mund halten.

      Der Angriff des Schattenmahrs hatte offenbar nur dem einen Zweck gedient, ihn in dieses lautlose Zwischenreich zu holen – eine Nebenwelt, in der Bedingungen herrschten, die es dem Totenalb erleichterten, seinen ursprünglichen Auftrag auszuführen und Gorian zu töten.

      „Ich hasse das Licht und liebe die Dunkelheit“, sagte die Gedankenstimme.

      Dann bildete sich aus dem Schatten, der das Sonnenmosaik bedeckte, eine Gestalt aus purer Finsternis.

      Gorian wich ein paar Schritte zur Seite. Seine Tritte verursachte dabei auf dem Steinboden der Wohnhöhle keinerlei Geräusch.

      Die Gestalt sprang lautlos von der Decke und landete auf dem Boden, um sich dann aufzurichten. Ihre Umrisse ähnelten dem eines Menschen. Innerhalb weniger Augenblicke veränderte sie sich, gewann mehr und mehr an Substanz, und Gorian erkannte, dass die Kreatur in einer dunkle Kutte steckte, die bis zum Boden reichte. Sie streckte den Arm aus, der sich auf groteske Weise verlängerte, und Augenblicke später verstofflichte sich eine monströse Axt mit zwei Klingen. Das metallische Blinken der Schneideblätter stand in starkem Kontrast zu der Finsternis, die insbesondere unter der Kapuze herrschte und offenbar von keinem Lichtstrahl erhellt werden konnte.

      „Du wirst doch sicher Verständnis dafür haben, wenn ich kein Risiko eingehe und die Kampfbedingungen so verändere, dass ich meinem zum Jähzorn neigenden Herrn mit Sicherheit einen Erfolg werde vermelden können.“

      Mit diesen Worten hob der Alb den freien Arm, und eine Wolke aus schwarzem Rauch drang unter dem weiten Kuttenärmel hervor, schwebte auf die letzte noch brennende Öllampe zu und ließ sie verlöschen.

      Nur noch Finsternis umgab Gorian, und das höhnische, siegesgewisse Lachen des Totenalbs dröhnte auf schmerzhafte Weise in seinen Gedanken.

      Es ist der Geist, der sieht, nicht das Auge, erinnerte sich Gorian an eines der Axiome des Ordens. Die Sinne sind nur schwache Hilfsmittel des Geistes, dem allein die Erkenntnis vorbehalten ist ...

      Gorian bewegte sich nicht, stand wie erstarrt in der Dunkelheit, hielt den Griff von Sternenklinge mit beiden Händen umfasst, und wieder fiel ihm die völlige Geräuschlosigkeit in dieser absoluten und undurchdringlichen Finsternis auf.

      Für das Auge undurchdringlich – aber nicht für den Strahl des Geistes, ging es ihm durch den Kopf.

      Es gab nichts, was ihm seine Sinne in diesem Augenblick hätten vermitteln können. Und irgendwann würde die Axt, von der Dunkelheit verborgen, auf ihn zuschnellen, ihm den Schädel spalten, ohne dass ihm noch Zeit für einen Gedanken blieb.

      Gorian fragte sich plötzlich, weshalb das eigentlich noch nicht geschehen war.

      Dann aber rief er sich ins Gedächtnis, was er über die Natur der Totenalben gehört und gelesen hatte. Zum Beispiel, dass sie sich an der Furcht ihrer Opfer weideten. Ein düsteres, abartiges Vergnügen, das ihnen zusätzliche und ganz besondere Kräfte zuführte und nach dem sie süchtig werden konnten wie manche Menschen nach gegorenen Getränken, Rauchwerk oder den Säften der Mohnblüte.

      „Ah, wie sehr sich der mächtige Morygor vor dir fürchtet – und als was für ein erbärmlicher Hund stehst du nun vor mir!“, verhöhnte ihn der Totenalb, der seine Freude schließlich nicht mehr für sich behalten konnte. „Ich muss gestehen, dass ich selten die Endlichkeit allen Seins und insbesondere eines Opfers so bedauert habe wie in diesem Fall. Aber kein Genuss wehrt ewig. Und im Übrigen bin ich meinem Herrn verpflichtet ...“

      Plötzlich riss Gorian sein Schwert empor, und hart krachte es mit der Klinge der Streitaxt zusammen, die der Totenalb schwang.

      Auch das geschah völlig geräuschlos.

      Ein paar Funken sprühten, als das Sternenmetall gegen die Axtklinge prallte.

      Ein weiterer Hieb des Totenalbs folgte, doch auch den wehrte Gorian ab. Der dritte Hieb war so heftig, dass er ihm beinahe das Schwert aus der Hand prellte.

      Er taumelte zurück und versuchte abzuschätzen, wie viel Raum wohl noch zwischen seinem Rücken und der Wand der Wohnhöhle lag.

      Ein Schwall wütender und nicht mehr in Worte zu fassender Gedanken traf ihn. Der Totenalb schien die Erkenntnis nur schwer verdauen zu können, dass sein Opfer seine Angriff vorhergesehen und pariert hatte.

      Lass den Geist sehen und vergiss Augen und Ohren!, ging es Gorian durch den Sinn. Unter den besonderen Bedingungen dieser Schattenwelt, in die ihn der Totenalb gezwungen hatte, war es zwecklos, sich in herkömmlicher Weise mit Magie und Schwert zur Wehr zu setzen. Er musste einen anderen Weg finden.

      Er schloss die Augen. Drei Angriffen hatte er standhalten können ...

      Wieder