Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Историческая фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783745214710
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Gorian – aber auch als Versagen gegenüber den Ansprüchen, die er an sich selbst gestellt hatte.

      „Du lebst in der Überzeugung, dass Morygor dich aufgrund irgendwelcher Vorhersagen, die kein Mensch wirklich zu durchschauen oder nachzuvollziehen vermag, fürchtet wie die Pest“, fuhr er fort, an Gorian gerichtet. „Das verleiht dir vielleicht etwas mehr Mut als anderen.“

      „Nein, das ist nicht wahr“, entgegnete Gorian. „Auch ich habe keinerlei Gewissheit.“

      „Ach nein?“

      „Möchtet ihr beide euren privaten Disput erst zu Ende führen, oder wollt ihr hören, was ich vorzuschlagen habe?“, ging Thondaril in scharfem Tonfall dazwischen.

      Sowohl Torbas als auch Gorian verstummten und drehten sich zu ihrem Meister um. Beide neigten sie als Zeichen der Demut und des Respekts das Haupt.

      Meister Thondaril stemmte die Arme in die Hüften und atmet tief ein. „Meister Aarad wird weiterhin versuchen, ein Bündnis aller verbliebenen Kräfte zustande zu bringen. Aber solange Morygor über den Schattenbringer gebietet, ist jede Schlacht gegen seine Schergen von vornherein verloren. Der Schattenbringer sorgt für den widernatürlichen Winter, den wir erleben. Zumindest trägt er den Hauptteil dazu bei, darin sind sich alle Gelehrten einig. Mag sein, dass auch der eine oder andere Frostgott, den Morygor durch das Weltentor holte, mit seinem Eishauch dazu beiträgt, aber fest steht, dass Morygors Horden niemals so weit nach Süden hätten vordringen können, hätten sie dort nicht Bedingungen vorgefunden, die ihnen die Existenz überhaupt erst ermöglichten: Leviathane, untote Orxanier und Torheimer – sie alle sind Geschöpfe der Kälte, und nur in so einer Umgebung könne sie sich wirklich entfalten. Es gibt seit langem eine Theorie, dass sich der Schattenbringer beeinflussen lässt, und zwar durch eine Kombination verschiedener Kräfte und magischer Prinzipien. Schwerter aus Sternenmetall sind sicherlich besser als irgendetwas sonst geeignet, die Kräfte zu bündeln, auf die es dabei ankommt. Wir werden unsere Art der Magie mit der der Caladran kombinieren müssen, denn niemand versteht die Gestirne so gut wie sie.“

      „Die Caladran sind dafür bekannt, dass sie ihre Magie geheim halten und nicht mit anderen teilen“, stellte Sheera fest. „Ehrwürdiger Meister, wie wollt Ihr sie dazu überreden, uns zu helfen?“

      „Morygor ist selbst ein Caladran, wenn auch ein Abtrünniger“, antwortete Thondaril. „Oder vielleicht sollte man besser sagen: Er war einst ein Caladran, denn er hat sich längst zu einer ganz anderen Wesenheit entwickelt, von der niemand wirklich etwas weiß. Ich gehe davon aus, dass man nirgends so gut um die Gefahr weiß, die von Morygor und seinem Frostreich ausgeht, als bei den Caladran. Zudem werden auch deren Inseln früher oder später vom Eis eingeschlossen werden, und die Leviathane walzen dann die legendären Städte dieses Volkes genauso nieder, wie es mit der siebentürmigen Kathedrale von Toque geschehen ist. Die Caladran werden uns helfen!“

      „Oder sie werden einfach ihre Himmelsschiffe besteigen und davonfliegen“, meinte Torbas. „Angeblich waren sie früher sogar imstande, zu den Sternen zu fliegen.“

      „Nach allem, was dem Orden bekannt ist, entspricht das den Tatsachen“, sagte Aarad bedächtig.

      „Dann verstehe ich nicht, warum sie nicht ihre alte Kunst benutzen, um mit ein paar Himmelsschiffen zum Schattenbringer zu fliegen und ihn von der Sonne fortzuziehen“, sagte Torbas. „Kann das denn so schwer sein? Vor hundert Jahren schon hätten sie das tun sollen!“

      „Sie haben manche ihrer alten Künste vergessen, und letztlich haben wir auch nur Hinweise, aber keinen wirklichen Beweis dafür, dass ihre Magie und ihre Schifffahrt einst zu solch großartigen Taten fähig waren“, gab Aarad zu bedenken. „Doch du solltest dir Meister Thondarils Vorschlag zu Ende anhören.“

      Offenbar hatte Thondaril zuerst mit Aarad über seine Pläne gesprochen, erkannte Gorian und wechselte einen Blick mit Sheera.

      „Das gefällt dir nicht, was?“, empfing er ihren Gedanken.

      Gorian war überrascht. Er fragte sich, weshalb er manchmal ihre Gedanken klar erkennen konnte und in anderen Situationen keine Verbindung zu ihr hatte.

      „Es liegt an dir, Gorian“, behauptete Sheera mit einem weiteren Gedanken. „Daran, wie sehr du deinen Geist öffnest. Das gehört eigentlich zum Heilertalent dazu, und du willst doch die Meisterschaft in allen fünf Häusern des Ordens erringen, richtig?“

      „In der Gruft von Felsenburg werden uralte Caladran-Schriften aufbewahrt“, fuhr Thondaril zwischenzeitlich fort. „Schriften, aus denen wir vielleicht etwas mehr darüber erfahren, ob sich der Schattenbringer durch die Sternenmagie der Caladran beeinflussen lässt. Meister Aarad hat auch schon beim Landesherrscher angefragt, ob uns die Reise nach Felsenburg gestattet wird.“

      „Kann man denn in Gryphland nicht frei reisen?“, fragte Gorian erstaunt.

      „Nicht nach Felsenburg. Dorthin darf man nur nach vorheriger Genehmigung, denn auch der gryphländische Reichsschatz ist dort untergebracht. Die Burg liegt in einem nahezu unbewohnten und wüstenartigen Ödland zwischen den mittelgryphländischen Bergen und Mitulien. Das Gebiet ist so unwegsam, dass man ohne Greifen kaum dorthin gelangt.“

      „Es ist die menschenfeindlichste Gegend, die ich je gesehen habe“, erklärte Aarad.

      „Ihr seid also schon dort gewesen“, sagte Gorian.

      Der Ordensgesandte in Gryphenklau nickte. „Ja, vor Jahren erhielt ich zur Vervollkommnung meiner Heiler-Fähigkeiten die Erlaubnis, in den alten Schriften dort zu forschen. Damals stand es sehr schlecht um die Tochter des Königs, und ich nehme an, dass ich nur deswegen die Erlaubnis erhielt. Übrigens tauchen immer wieder mal bruchstückhafte und wohl auch falsche Abschriften aus den Beständen Felsenburgs auf dem Schwarzmarkt von Gryphenklau auf und werden dort zu horrenden Preisen gehandelt.“

      „Warum fliegen wir nicht gleich zu den Caladran?“, wollte Gorian wissen. „Wenn man noch irgendetwas gegen Morygor ausrichten will, wird man ohnehin ein Bündnis aller noch freien Völker schmieden müssen, und da sollten nicht ausgerechnet die mächtigsten Magier fehlen, oder?“

      „Die erste Schwierigkeit besteht schon allein darin, einen Gryphländer zu finden, der uns mit seinem Greifen zu den Inseln der Caladran fliegt“, antwortete Aarad. „Beide Länder sind nämlich traditionell miteinander verfeindet, auch wenn das im Heiligen Reich wenig bekannt ist, denn es hat schon seit tausend Jahren keine offenen kriegerischen Auseinandersetzungen mehr zwischen Caladran und Greifenreitern gegeben. Der Grund dafür ist, dass keiner stark genug wäre, den anderen zu besiegen, jedenfalls nicht, ohne einen unverhältnismäßig hohen Preis dafür zu zahlen. Diese Feindschaft hat mit den Caladran-Schriften in Felsenburg zu tun. Sie wurden nämlich geraubt.“

      Thondaril ergriff wieder das Wort. „Würden wir eine der Schriften mit zu den Inseln der Caladran bringen, würde man das als Friedensangebot verstehen – jedenfalls wenn wir in einer Greifengondel reisen oder zumindest ein Dokument vorweisen, mit dem wir beweisen, im Auftrag des Königs von Gryphland zu handeln. Dann gelänge es uns vielleicht, die Caladran als Verbündete zu gewinnen.“

      „Dann sollten wir so bald wie möglich nach Felsenburg aufbrechen“, meinte Gorian.

      „Die Zustimmung des Königs steht noch aus“, sagte Aarad.

      „Haltet Ihr es für möglich, dass ihm bereits von anderer Seite Versprechungen gemacht wurden?“, äußerte Sheera eine Befürchtung, die ihr auf einmal kam.

      „Von Morygor?“, fragte Aarad.

      „Wenn er das Geflecht der Schicksalslinien und Wahrscheinlichkeiten so gut zu überblicken vermag, wie wir annehmen, dann weiß er von unserem Plan und wird versuchen, ihn zu vereiteln“, stimmte Thondaril ihrer Sorge zu.

      „Ich kenne den Herrscher seit langem und kann mir das eigentlich nicht vorstellen“, erklärte Aarad. „Andererseits weiß ich nicht, was er tun wird, stünde es so schlecht um seine Tochter, dass auch ich ihr nicht mehr zu helfen vermag ...“


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