Anja Zimmer
»Ich habe Licht gebracht!«
Louise Otto-Peters, eine deutsche Revolutionärin
Umschlag-Titelbild (im Hintergrund, Bild verändert):
Unbekannter Künstler: Revolution in Dresden 1848/1849.
Die Kämpfe auf dem Neumarkt im Mai 1849.
Städtische Galerie Dresden – Kunstsammlung
Museen der Stadt Dresden,
Fotograf: Franz Zadniček
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.
ISBN: 978-3-86729-400-3
ISBN E-Book: 978-86729-566-6 (epub)
ISBN E-Book: 978-86729-567-3 (pdf)
1. Auflage 2019
Alle Rechte vorbehalten
© Sax-Verlag, Beucha · Markkleeberg 2019
Layout und Herstellung: Sax-Verlag, Markkleeberg
E-Book-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmund, www.readbox.net
Umschlaggestaltung: Juliane Schneeweiss, www.juliane-schneeweiss.com
Anja Zimmer
»Ich habe Licht gebracht!«
Louise Otto-Peters, eine deutsche Revolutionärin
Für Julia und Katharina,Loana und Emma
VORWORT
Louise Otto-Peters war eine überzeugte Demokratin und Hauptakteurin der Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts. Der Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben, das Recht auf Bildung bis hin zum Universitätsstudium und auf existenzsichernde Erwerbsarbeit begleiteten die frauenemanzipatorische Arbeit Louise Ottos seit Beginn ihrer journalistischen und literarischen Karriere im Vormärz. Unter dem Motto »Dem Reich der Freiheit werb’ ich Bürgerinnen« bot sie in ihrer »Frauen-Zeitung« ab 1849 allen Frauen, unabhängig von Klasse oder Religion, ein öffentliches Podium zum Meinungs- und Erfahrungsaustausch. Die Zeitung machte Frauen erstmals als Gruppe mit politischer Handlungsfähigkeit in der neuen Bewegung sichtbar. Die von Louise Otto-Peters ab 1866 über drei Jahrzehnte mitredigierte Zeitung »Neue Bahnen« des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins trug wesentlich zur nationalen und internationalen Organisierung der Frauen bei. Ihre Forderung »Menschenwürdiges Dasein für Alle, auch für die Frauen« bündelt die Ziele der Frauenbewegung.
Nach Hedda Zinners Romanbiografie »Nur eine Frau« (1954), die vier Jahre später von der DEFA verfilmt wurde, und Max Grossmanns historischem Roman »Und weiter fließt der Strom« (1966) ermöglicht Anja Zimmers Buch im Jahr des 200. Geburtstages 2019 von Louise Otto-Peters einen Blick aus heutiger Zeit auf die Begründerin der organisierten deutschen Frauenbewegung. Dafür konnte die Autorin auf vielfältige Forschungsergebnisse zurückgreifen, die seit 1993 kontinuierlich im Umfeld der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e. V. erbracht wurden.
Die Autorin nimmt uns mit in die Zeit des Biedermeier, in die Louise Ottos Kindheit und Jugend fiel und die durch die Restauration der bestehenden Ordnung ebenso geprägt war wie durch die revolutionären Bestrebungen des Vormärz. Sie verbindet unterhaltsam Fakten aus Louise Ottos Leben mit den politischen Umständen und zeigt so deren Entwicklung zur Schriftstellerin und zentralen Gestalt der ersten deutschen Frauenbewegung.
Wir danken der Autorin Anja Zimmer sowie Birgit Röhling vom Sax-Verlag, dieses bewegte und bewegende Leben mit der Romanbiografie weiter bekannt zu machen.
Sandra Berndt und Gerlinde Kämmerer,
Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e. V.,
im Januar 2019
PROLOG
Karlsbad 1819
In deutschen Fürstenhäusern ging Angst um. Ein bürgerliches Schreckgespenst schlich die Korridore entlang, lugte selbst bei fröhlichen Bällen durch die Fenster und hauchte jedem Adligen vor dem Einschlafen Eiseskälte in den Nacken: »Freiheit!«. Und in den finstersten Stunden hallte das Wort »Demokratie!« durch die Prunksäle.
Um dieses Gespenst ein für alle Mal in Ketten zu legen, trafen sich die Herrscher des Deutschen Bundes in Karlsbad. Ganz harmlos sah es aus, als sich die Herrschaften wie zufällig in dem beschaulichen Kurort begegneten.
Es waren heiße Tage im August, als die Fürsten, Diplomaten und Minister in Karlsbad anlangten.
»Ach, Sie auch hier?«, wird manch einer im Scherz gesagt haben, während er sich noch die Schweißtropfen von der Stirn tupfte.
Wie zufällig traf man sich im Park, an den Springbrunnen, tauschte Höflichkeiten aus. Die mitgeführten Gattinnen machten sich gegenseitig Komplimente zu ihrer Garderobe und verabredeten sich zu Einkaufstouren in der Stadt.
Nur sehr genaue Beobachter hätten ahnen können, dass diese Zusammenkunft so vieler hochrangiger Herrschaften einen Zweck hatte, denn abends sah man die Damen allein im Theater. Hatten die Herren nur beim Billard die Zeit vergessen? Hatten sie nach dem Abendessen so viel Cognac und Zigarren genossen, dass ihnen das Theater gestohlen bleiben konnte?
Die Herren saßen beisammen, waren jedoch vollkommen nüchtern und der Billardtisch blieb unbeachtet. Zu ernst war die Lage in den deutschen Ländern, die sich nach dem Sieg über Napoleon 1815 zum Deutschen Bund zusammengeschlossen hatten.
Fürst Metternich übernahm den Vorsitz, da er als führender Staatsmann die Versammlung einberufen hatte. Seine schneidende Stimme stieß auf keinerlei Widerstand. Allzu begierig wollten sie alle, was er wollte: strengere Zensur, mehr Befugnisse für die Polizei1, Überwachung der Lehre an den Universitäten, da diese immer gefährliche Brutstätten für neue Ideen waren. Außerdem ordnete Metternich eine neue Exekutionsordnung und ein Durchsuchungsgesetz an. Letzteres gab der Polizei die größtmöglichen Freiheiten, Wohnungen, Briefe, kurz, das gesamte Leben von Personen zu untersuchen, die sich durch ein zu freies Wort verdächtig gemacht hatten.
Mit den Karlsbader Beschlüssen wäre also Friedhofsruhe herzustellen. Erleichtert ging man auseinander, um sie nun in die Tat umzusetzen. Viele Freiheitskämpfer wurden verhaftet, Turnvereine verboten, da sich die jungen Männer dort nicht aufs Turnen beschränkt, sondern in ihren Zusammenkünften aufrührerisches Gedankengut ausgetauscht hatten. Professoren, die in dem Verdacht standen, demokratische Ideen an ihre Studenten weiterzugeben, wurden entlassen und mit Berufsverbot belegt. Was blieb ihnen anderes übrig als die Flucht in die Schweiz, nach Frankreich?
Ja, die Deutschen mussten nicht bis nach Amerika schauen, um zu sehen, dass ein freieres Leben möglich war, denn in ihrer direkten Nachbarschaft gab es Länder, in denen man nicht über die Missstände schweigen musste, und wo Herrscher sogar bereit waren, sie abzuschaffen.
Missstände gab es etliche in Deutschland. In vielen Ländern des Deutschen Bundes sehnten sich die Menschen sogar nach der Herrschaft der Franzosen zurück, unter denen sie mehr auf dem Teller gehabt hatten. Wenn die Zukunft wie ein düsterer Berg vor den Menschen liegt, dessen Ersteigung nur noch mehr Qual, Hunger und Elend bringt, dann sehnen sie sich zurück in eine Zeit, die sie gut und alt nennen. Vor allem, wenn der Fortschritt an ihren Hütten vorbeirauscht.
Meißen, im Frühjahr 1824
»Vater, was ist das?« Neugierig schaute Clementine auf die