Es hat aber seine – oft leidvolle – Zeit gedauert, diese zehrenden Momente scheinbar finanziellen Stillstands zwischen dem Gelderhalten zu genießen. Aber je näher ich meinem wahren inneren Wesen komme, desto sicherer bin ich in allem, was mir geschieht. Letztlich ist es eh nur meine eigene Gedankenwelt, die mein Leben bestimmt. Und sollte irgendetwas einmal nicht funktionieren, wie ich es mir vorstelle, weiß ich, dass ich nicht genau auf mich oder in mich gehört habe. Denn irgendwo sitzt dann ein kleines Teufelchen in seiner Zelle und kämpft um seine gewohnheitsbedingte Macht.
Das Telefon klingelt. Ein Auftrag. Typisch! Gerade wo ich mich an das tägliche Dahintreiben gewöhnt habe. Eine Frauenstimme. Sie erzählt mir, dass sie vor Kurzem in dieses Haus gezogen sind und sich seitdem unwohl fühlen. Ihr Mann arbeitet, aber sie ist den ganzen Tag in diesem neuen alten Haus und sie wird immer müder, energieloser, verzweifelter.
Eine Bekannte hat sie darauf hingewiesen, dass die Ursache des Problems an dem Haus liegen könnte, und gab ihr meine Telefonnummer. Ob ich da was machen, verändern könnte. Ich erkläre darauf hin meine Arbeitsweise und wir einigen uns auf einen Besichtigungstermin.
Alltag: Einkaufen, Kinder von der Schule holen, Kochen. In der Anfangszeit war dieser fremdbestimmte Rhythmus nicht einfach für mich, obwohl ich es liebe, mit den Kindern zusammen zu sein. Und ich habe wirklich außerordentliches Glück mit den Dreien. Ich habe immer versucht, von zu Hause aus zu arbeiten, um ihnen nahe zu sein und um mitzubekommen, wie sie heranwachsen. Vater zu sein ist definitiv anders als alleine durch das Leben zu gehen. Der Fokus ist völlig verändert und in der Familienhierarchie plötzlich hinten anzustehen, ist für ein chefseingewöhntes Männerdasein keine leichte Entwicklung.
Aber mit Veränderungen kam ich glücklicherweise schon immer gut zurecht. Und so war der Sprung von eins/zwei zu drei/vier/fünf interessanterweise schnell und problemlos machbar.
Seit einem Jahr arbeitet Petra wieder und ich kümmere mich neben einigen Jobs und hausmännischen Tätigkeiten die meiste Zeit um das kindliche Dasein. Und es hat dem meinem auch nicht geschadet.
Die paar Jahre, die wir hingeben, um den Kindern eine felsenfeste Verbindung zu sich selbst zu geben, sind es absolut wert. Abgesehen davon, was wir selbst dadurch erhalten. In Anbetracht der Tatsache, wie lange wir leben, sind fünfzehn Jahre intensives Sichumdiekinderkümmern ein Klacks. Ich beobachte in all der künstlichen Hektik und dem manipulierten Karrieredenken, dass die Kinder immer mehr verkümmern und zum Spielball von Industrie, Politik und Medienanstalten werden. Eine traurige Entwicklung, die ich nicht nachvollziehen kann.
Ich lehne mich beruhigt zurück und betrachte meine geliebten Gören. Die Kunst des Erziehens liegt eher im nicht Zerstören dessen, was die Kinder bereits mitbringen, als im Aufdrängen unsinniger Regeln und Richtlinien. Gib ihnen ihre und deine Zeit und bleib locker, wenn das Umfeld in Panik ausbricht.
Meine Ältesten gehen jetzt zur Schule – keine staatliche – und ich bin froh, dass wir diesen alternativen Weg der schulischen Ausbildung gewählt haben. Auch wenn diese Schulform etwas modernisiert werden könnte, schenkt sie den Kindern doch Zeit, sich in Ruhe entwickeln zu können. Ich hielt noch nie viel von sturem Auswendiglernen nur um des Wissens willen.
Denn was genau lernen die Kinder denn da? Oder was haben wir gelernt? All die Dinge, die uns beigebracht wurden, sind doch nur Halbwahrheiten und als wissenschaftliche Tatsachen bekundete Theorien einiger weniger Menschen.
Vor Kurzem las ich, dass alle Beweise für die Evolutionstheorie locker auf einen Billardtisch passen. Ein Besuch im Neandertalmuseum bestätigt diesen Verdacht. Aufgrund weniger wieauchimmerinterpretierter Knochenfunde wurde unsere gesamte Geschichte herbeitheoretisiert. Ein Hoch auf die Sherlock Holmes der Knochenfunde.
Die Wissenschaft bestimmt unser gesellschaftliches Denken. Und die meisten Menschen glauben nur, was sie sehen und erschaffen sich genau durch diese engstirnige Sichtweise ihre und somit unsere Welt. Das ganze Leben besteht aus Theorien und ich suche die mir passenden aus.
Was nicht heißt, dass diese dann die eine, absolute, objektive Wahrheit wäre, denn es gibt so viele Wahrheiten, wie es wahrheitssuchende Menschen gibt. Wenn alle wüssten, dass ihre persönliche Wahrheit nur eine von vielen möglichen Wirklichkeiten ist, wäre das nicht für uns alle eine Befreiung? All die Mühsal und Unzufriedenheit des Daseins enttarnt als ein Trick unserer Wahrnehmung, oder besser unseres inneren emotionalen Zustandes.
Die Freiheit ruft seit Langem laut in die Welt, aber nur Wenige hören zu. Denn frei sein bringt Verantwortung, Veränderung und Ungewissheit.
Ungewissheit: Was koche ich heute?
Erstaunlich, dass ich es überhaupt geschafft habe, mir das Zusammenbrutzeln von Essbarem beizubringen, und dann auch noch so, dass die Kinder es mögen. Aber es gibt Tage wie heute, an welchen meine Eingebung hinsichtlich kreativen Kochens nicht funktioniert. Das zeigt sich darin, dass alles anbrennt und verkocht serviert wird.
Wir sitzen am Tisch, der von der Sonne beschienen ist. Meine Gedanken werden von einem kreischenden Milan zum Horizont gezogen, der dort nach Essbarem Ausschau hält. Ich lasse meine Gabel sinken und sehe, wie mein Sohn zwischen den Nudeln herumstochert. Zaghaft wird eine kleine Nudel auf die Spitze der Gabel gebracht, und am Mund wie ein Fremdkörper mit den Zähnen abgenommen. Das kann mich ja manchmal echt aufregen, aber heute bin ich gelassen.
Wahrscheinlich brauchen die Kinder gar nicht so viel zu essen, wie wir »Verantwortliche« denken. Und wer weiß schon genau, was gesund ist. Ich bin dahin gehend auch nicht so strikt, wie es meine Frau ist. Wenn es schmeckt, können Pizza und Schokolade genauso gut sein. Der Genuss und das damit verbundene gute Gefühl ist doch letztens das Wichtige. Ich sage zu ihm, er soll es lassen, und schicke die Drei ihre Hausaufgaben machen oder spielen gehen.
Der Vorteil hier auf dem Land ist die Freiheit, welche die Kinder hier ausleben können. Und die Freiheit, die ich habe, wenn sie ihr eigenes Leben leben.
Wohnung und Küche sind aufgeräumt und glänzen einigermaßen. Ich falle in den Nachmittag, der heute von den ersten warmen Sonnenstrahlen des Jahres erleuchtet wird. Ein Kaffee, ein gutes Buch und der Tag zieht langsam in den Abend hinein.
In der nachmittäglichen Stille, die noch nicht vom gleichgeschalteten Dröhnen der nachbarlichen Gartenmaschinenfraktion gestört ist – was dem Sommerdasein auf dem Lande erheblich zum Nachteil gereicht –, beginnen meine Gedanken, inspiriert von Worten aus dem gelesenen Buch, in die Ferne zu schweifen.
Kann es tatsächlich sein, dass ich gemütlich hier herumsitze und das Leben genieße. Während alle anderen, gestresst von Arbeit und gesellschaftlichen Pflichten, sich und ihre Seele aufreiben? Alle jammern, wie wenig Zeit sie haben, wie viel sie arbeiten müssen, wie stressig ihre Kinder seien, und dass sie keine Zeit für sich selbst haben.
Mir geht das nicht so. Selbst wenn ich einen Job oder sogar mehrere zu erledigen hatte. Ich wusste immer, dass ich rechtzeitig zur Deadline fertig sein werde. Die Panik von Mitarbeitern oder Auftraggebern sprang nie auf mich über. Ich habe über 16 Jahre auf Termin gearbeitet, und es ist nie vorgekommen, dass ich nicht rechtzeitig fertig geworden war. Das hinterlässt Spuren. Ich habe eben diese Sicherheit in mir, dass alles gut und rechtzeitig endet.
Hm. Früher – als Jugendlicher – war ich bei weitem nicht so optimistisch. Ich war eher ein Zwangspessimist. Habe immer das schlechte erwartet. So war ich dann nicht überrascht, wenn sich die Befürchtungen bewahrheiteten. Sehr witzig. Aber seit ich mein eigenes Leben gefunden hatte und meinen Gefühlen folge, hat sich alles komplett verändert.
Im Vergleich zu den meisten Menschen lebe ich ganz anders. Ich bin ganz anders. Das war auch schon in meiner Kindheit und Jugend so. Es existierte etwas in mir, das mich von den anderen Kindern absonderte, isolierte. Und dieses Anderssein bedrückte mich. Oft fragte ich mich: Warum nur bin ich so anders? Ich empfand diese Andersartigkeit als Leid und oft betete ich, so sein zu können, wie die anderen. Aber ich war und bin einfach anders.
Und ich war schon so, als ich das allererste Mal auf